Blackmailer

George Axelrode

Mit "Blackmailer" aus dem Jahr 1952 legt Hardcasecrime einen Roman von George Axelrod vor, der als Romanautor sich mit dem von Billy Wilder verfilmten "Das verflixte 7. Jahr" einen Namen gemacht hat. Später schrieb er Drehbücher für die Monroe Komödie "Busstop", den "Botschafter der Angst" und schließlich auch "Frühstück bei Tiffany". Für "Tiffany" ist er für den OSCAR nominiert worden. Vielleicht ist es deswegen auch keine große Überraschung, dass sich sein vor dem Beginn der eigenen Hollywoodkariere entstandener Roman mit den dunklen Seiten der Traumfabrik auseinandersetzt und der Jagd nach Ruhm und Geld, dem Axelrods verschlagene Charaktere so verzweifelt nachjagen. Es ist ein rasant geschriebener Roman mit einem eher unklassischen Hardboiledhelden. Dick Sherman ist Herausgeber und Co- Editor eines kleinen Verlagshauses, das sich auf Rätselhefte spezialisiert hat. Ein unscheinbarer Charakter, dessen einziges bislang hervorstechendes Merkmal ist, das er vor zehn Jahren mit einer Frau befreundet gewesen ist, die inzwischen in Hollywood mit einer überdeutlichen Anspielung auf Marilyn Monroe Karriere gemacht hat. In oberflächlichen Musicals. Wie ein anderer Charakter des Film Noir - Edmond O Brian aus "D.O.A." - wird aber im Laufe der nächsten Woche über sich hinaus wachsen müssen, um erstens das Geheimnis eines letzten posthum zu veröffentlichenden Werkes eines Nobelpreisträgers zu lüften, seiner damaligen Freundin wieder zu begegnen und schließlich einen Mord aufzuklären. Dabei macht Axelrod nicht den Fehler, aus dem unscheinbaren Sherman einen Helden zu machen. Bis auf eine Eruption von Gewalt lernt er nur, eine Waffe richtig zu halten. Ansonsten gerät er in ein Spinnennetz von Betrügern, die sich ersten selbst aufs Kreuz legen und die zweitens den falschen Baum anbellen, wie der zynische, aber so hervorragend angelegte Epilog zeigt. Auf der anderen Seite gibt es aber eine logische Erklärung, warum Sherman ins Geschehen eingebunden werden soll. Er hat bei seinem früheren Arbeitgeber zwei Romane des überdeutlich nach Heminway gezeichneten Autoren/Trinkers/Lebemann Charles Anstruther redigiert. Anstruther ist betrunken beim Hantieren mit seiner Waffe ums Leben gekommen. Eines Tages schneit das Starlet Janis Whitney in sein Büro. Sie bietet ihm den letzten  von Anstruther geschriebenen Roman zur Veröffentlichung an. Sie zeigt ihm als Beweis die erste Manuskriptseite, die Sherman umgehend wegen des markanten Papiers und eines kontinuierlich sich durch dessen Manuskripte ziehenden Schreibfehlers als echt erkennt. Das Starlet will 50.000 Dollar für das Manuskript haben, das Millionen wert sein könnte. Wenige Stunden später bietet ihm der bislang eher unscheinbare Agent Max Shribner das gleiche Manuskript an. Nur scheint es sich dort - wie Shermans oberflächliche Recherchen beweisen - um eine Fälschung zu handeln. Als er versucht, weitere Informationen von Janis Whitney erhalten, wird er überfallen und seine Wohnung durchsucht. Auch der Zwischenhändler sowie seine ehemalige Freundin haben etwas mit dem zweiten Manuskript zu tun. Als Janies Whitney anscheinend bei einer der dekadenten Partys durch einen Treppensturz ums Leben kommt, entschließt sich Sherman, der Sache auf den Grund zu gehen.

Wie schon angesprochen handelt es sich bei "Blackmailer" um einen rasanten Roman, dessen den Titel bestimmendes Motiv der Erpressung in doppelter oder dreifacher Hinsicht passt. Die Schlüsselfigur ist Janies Whitney, die nicht nur als Starlet, sondern als Prostituierte gearbeitet hat. Sie verfügt über das Wissen und das echte Manuskript. Auch wenn Axelrode cineastisch am Ende eine Reihe von falschen Spuren legt und zumindest einen perfekten Schlag setzt, in dem das Manuskript für die Person vollkommen wertlos ist, die das meiste Geld dafür bezahlt hat, dreht und wendet sich die Handlung ausgesprochen zufriedenstellend.

Das liegt an den gebrochenen, dem Ruhm und Geld nachjagenden Protagonisten. Axelrode rechnet mit Hollywood genauso ab wie mit der Verlagsszene. Shermans Freundin konnte ihr Können nur in einer Billigproduktion zeigen, die ihr kaum Geld und vor allem eine Affäre mit dem Regisseur eingebracht hat. In den teuren Musicals kann sie ihr Talent nicht zeigen, verdient aber mehr Geld als sie glauben kann. Sherman erkennt diesen Widerspruch, in dem er an einem Nachmittag zwei Filme seiner ehemaligen Freundin in zwei gegenüber liegenden Kinos besucht. Die Seitenhiebe auf die Verlagsszene sind weniger drastisch, aber wenn einer der Mittelsmänner davon spricht, dass es sich im Grunde um ein enttäuschendes Manuskript von Anstruther handelt, das zum Verkauf steht, dann wird diese Aussage relativiert, in dem man dem geschockten Sherman vorrechnet, was man trotzdem mit dem Roman verdienen kann. Unabhängig davon, dass es sich - wie sich später herausstellt - um eine geschickte Fälschung handelt, die aus unveröffentlichten Kurzgeschichten und Zitaten zusammengebastelt worden ist.

Die Jagd nach dem nicht selten falschen, aber monetär so befreienden Ruhm geht allerdings weiter. So ist das Haus des Mittelmanns eine Wohltat für einen Paranoiden. In jedem Zimmer sind Telefone und die Wände beinhalten Zwei- Weg Spiegel, mit denen Heinemann nicht nur seine Gäste während der von ihm regelmäßig geschmissenen teuren Partys beobachten und ihre Gespräche aufzeichnen kann, sondern vor allem an Informationen kommt, die er wiederum gewinnbringend einsetzt.

Da Axelrode den Roman ausschließlich auf Augenhöhe seines Protagonisten geschrieben hat und alle Ereignisse in seinem unmittelbaren Umfeld stattfinden, kann der Leser sich kein Bild vom Wahrheitsgehalt der einzelnen Aussagen machen. Wie ein Detective, allerdings beeinflusst von seiner anfänglich noch starken Naivität, versucht er aus den unterschiedlichen Zeugnissen, aufgezeichneten Gesprächen und schließlich auch Widersprüchen ein Bild zusammenzustellen, das nahe an die Wahrheit herankommt. Auch er wird auf die Probe gestellt. In wie weit lässt er sich für den Ruhm verbiegen? Keine von Axelrodes Figuren kommt ungeschoren aus dem Geschehen davon. Im Gegensatz zu vielen Kriminalromanen geht es dem Autoren weniger um die Bestrafung der Täter - es finden immerhin drei Morde statt -, sondern um die Entlarvung der Farce, die insbesondere Hollywood mit seiner Jagd nach vorprogrammierbaren Ruhm für ihn darstellt. Für einen in den fünfziger Jahren entstandenen Roman hat Axelrode durch die Knebelverträge der Stars und Starlets in Spe vielleicht sogar mehr Ansätze als es heute möglich wäre. Zu den bizarren Höhepunkten des Buches gehört ohne Frage der Deal mit dem Autoren. Je mehr Sherman mit seinen Nachforschungen vorstößt, desto bizarrer werden die Einzelheiten. So haben von den drei Partner zwei nur ihre "Geschäftsbeziehungen" investiert, während einer der Drei der dumme August ist. Profitieren wollen sie alle von dem Deal mit dem Alkoholkranken Autoren, dessen Wutausbrüche legendär sind. Am Ende bleibt vielleicht eine Portion Mitleid für den größten Verlierer dieses Spiels übrig, wobei Axelrode auch diese Emotionen mit klassischen Verweisen auf das Hardboiled Genre negiert. Die Unterschrift des Romans "she was born bad" geht einen Schritt zu weit und lenkt den Leser auch von den eigentlichen Motiven - Ausbrechen aus dem goldenen Käfig - ab, aber der Haß auf die windigen Geschäftemacher quillt aus jeder Zeile dieses Romans.

Vielleicht beschreibt Axelrode seinen Protagonisten und die einzige Identifikationsfigur des Lesers ein wenig zu positiv, zu naiv und zu bewundernswert Weltabgeschieden, aber Sherman soll ein Büchermensch sein, der zwar nicht von seinem Job begeistert oder gar überzeugt ist, der aber an das Gute im Geschäftsleben glaubt. Vielleicht findet sich der harte Trinker zu schnell in der anderen Realität wieder und kann zu effektiv auf die verschiedenen Herausforderungen reagieren, aber als Protagonist wird er von Axelrode überzeugend beschrieben. Das ganze Buch ist sehr cineastisch mit einer klaren Struktur und einer Abfolge von sehr überzeugend geschriebenen, den Plot in die verschiedenen Richtung treibenden Dialogen angelegt. Im Grunde ist vieles in "Blackmailer" wie der schwarze Falke, den ähnlich gebrochene oder emotional verletzte Figuren in Hammetts Roman sowie der exzellenten Verfilmung lange Zeit vergeblich suchen und schließlich doch finden. Von der Struktur her ist mit dem Unterschied des  Austausches von Sam Spade gegen den „Buchhändler“ Sherman eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen beiden Werken festzustellen.    

 

Dank des geradezu klassischen Motivs "Gier" - dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die Gier nach Ruhm oder Geld handelt, da beide für den Autoren untrennbar miteinander verbunden sind - spielt Axelrode für die Kürze des Romans sehr viele Szenarien sehr routinier durch und präsentiert einen teilweise plottechnisch überraschenden, dann aber auch vorhersehbaren - die Anspielungen sind zu deutlich im Verlauf der Handlung platziert -  gut zu lesenden Krimi, dessen Adaption vor dem inneren Auge des Lesers eines Hitchcock würdig gewesen wäre.

 

June 2007
ISBN: 978-0857683076
Cover art by Glen Orbik

Taschenbuch, 206 Seiten

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