The Martian Child

David Gerrold

Mit der Veröffentlichung seiner autobiographischen Novelle “The Martin Child” hat David Gerrold nicht nur sehr viel Persönliches aus seinem Leben Preis gegeben, sein Werk hat eine Wendung erfahren. Neben den Tribbles zeichneten sich David Gerrold erste Arbeiten vor allem durch sehr viele ungewöhnliche Ideen – siehe „Ich bin Harlie“ – aus. In den achtziger Jahren begann Gerrold vor allem neben weiteren Exkursen in den Bereich von „Star Trek“ Military Science Fiction zu schreiben, bis er durch die 1994 Novelle sich auf eine persönliche Ebene zurückgezogen hat. Vor allem seine semiautobiographischen Kurzgeschichten, die seit vielen Jahren in „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ erscheinen diese ideenreiche Qualitätssteigerung in seinem Werk.

Für die Novelle „The Martian Child“ ist David Gerrold sowohl mit dem HUGO , dem Nebula und dem LOCUS Award ausgezeichnet worden. Jahre später hat David Gerrold aus seiner Novelle den hier vorliegenden Roman gemacht, der wiederum mit John Cusack in der Hauptrolle verfilmt worden ist. Alle drei Stoffe basieren auf zwei wichtigen Facetten. Die grundlegende Idee stammt im Kern von einer Bemerkung, die ein Kind seiner Lehrerin gegenüber gemacht hat.   Der eigentliche Plot basiert auf David Gerrolds eignen Erfahrungen mit der Adaption seines Sohnes Sean Friedman.  Obwohl sich David Gerrold als homosexuell geoutet hat, relativiert er diese Beziehung im Roman noch einmal durch den Hinweis auf eine verletzende Liebesgeschichte mit einer anscheinend dominierenden Frau. In der Novelle ist die Sexualität des Protagonisten und Alter Egos David Gerrold noch nicht offensichtlich, während die Filmadaption diesen wichtigen Aspekt unter den Tisch gekehrt hat. John Cusack ist ein Witwer sogar mit einer Freundin.  

Im Mittelpunkt stehen die Erwartungen und Ängste der zu adoptierenden Kinder sowie der potentiellen Eltern. David Gerrold hat sich intensiv mit den Herausforderungen und Ansprüchen an Adoptionseltern befasst. Aus einer Mappe greift er sich förmlich das Foto des damals siebenjährigen Sean Friedman, der neben einigen Misshandlungen schon mehrere Kinderheime und Adoptiveltern hinter sich hat. Er hat ADHS und scheint auch aggressiv zu sein. David Gerrold lernt den Jungen langsam kennen, bis dieser selbst den Wunsch äußert, ihn zum Vater zu haben.  Anschließend folgen einige Ereignisse, in denen David Gerrold im Grunde die typischen Phasen des Vaterseins zwischens Stolz und Verzweifelung, Wut und Liebe durchläuft. Die fiktive Besonderheit ist, dass Sean glaubt, vom Mars zu stammen und irgendwann dorthin auch wieder zurückgehen muss. Er kann mit seinen marsianischen Wünschen Ampeln umschalten und Gegenstände finden. Als Science Fiction Autor ist David Gerrold anfänglich von der aus seiner Sicht fiktiven Idee fasziniert, das sein Sohn wirklich vom Mars stammen könnte. In der Realität hat Sean Friedman niemals daran geglaubt, ein Marsianer zu sein.  Im Grunde geht es um die Phantasie, um die kindlichen Freiräume, die man sich sucht, um sich entweder vor der Umwelt zu schützen oder sich einfach aus der Masse herauszuheben. Interessant ist dabei, dass David Gerrold am Ende des Romans selbst zugibt, zu diesen Kinder gehört zu haben und vielleicht als Erwachsener sogar noch zu gehören. Beginnend mit der Science Fiction Literatur hat er sich anscheinend meistens in seinem Werk auch mit sich selbst auseinandergesetzt. Während im letzten Drittel die Adoptionsgeschichte auch ein wenig auf der Stelle tretend in den Hintergrund rückt, sind es die therapierenden Selbstgespräche unter anderem mit seiner Schöpfung HARLIE, die einen verstörend intimen Blick in das „Innenleben“ des Autoren und  seine Suche nach wahrer Liebe offen legen. Er spricht von seiner ersten homosexuellen Liebesgeschichte und dem Tod durch Erschießen seines Partners in jugendlichem Alter. Von der Katastrophe einer heterogenen Beziehung und schließlich von dem Stolz, Vater zu sein und damit im Verlaufe der Jahre sogar eine Art Seelenverwandten gefunden zu haben.

Wie es sich für diese Art von Geschichten gehört, muss die Beziehung zwischen Vater und Sohn in einer kleinen Katastrophe enden, welche die Beiden erst trennt und dann wieder vereint. Die Dialoge wirken teilweise zu zuckersüß und Eltern werden erstaunt feststellen, wie einfach es anscheinend David Gerrold manchmal fällt, trotz seiner anfänglichen Zweifel den Sohn mit einer Mischung aus langer Leine, Humor, Pragmatismus und manchmal auch zur Schau gestellter Gleichgültigkeit zu leiten und damit auch zu erziehen. Gerrold schildert die alltäglichen Katastrophen ausführlich.      

Und trotz der ergreifenden Thematik und vor allem den vielen autobiographischen Hinweisen beginnend mit Seans Abneigung gegen Star Trek und endend mit der offensichtlich Zerstörung des Raumschiffsmodells aus seiner potentiellen, vor als Bücher entworfenen „Starwolf“ Serie wirkt „The Martian Child“ auch ein wenig zu leicht. Immer wieder werden einzelne Abschnitte wie die scheinbar auch gerichtliche Auseinandersetzung mit den Nachbarn, ein fatales Erdbeben und schließlich sogar der Tod des Hundes aufgeregt bis ergreifend beschrieben, ohne dass diese Episoden entweder abgeschlossen werden oder emotional lange Zeit in den Figuren und damit auch dem Leser nachhallen. Vor allem hat der Leser kaum ein Gefühl für die vergangene Zeit und wenn David Gerrold davon spricht, dass er seinem inzwischen neunjährigen Sohn erziehungstechnisch auf dem Niveau eines Siebenjährigen hinterher läuft, dann müssen Monate, wenn nicht zwei Jahre ins Land gegangen sein. Auch wirkt der Umgang mit den Behörden relativ glatt. Einige Fragen, dann im Grunde die behördliche Abschiebung von „Sean“ in David Gerrolds Obhut, ein gestreifter Besuch und schließlich nach zwei Jahren die Erledigung des Papierkrams. Viele der wichtigsten Aspekte hat der Autor schon in seiner im Grunde stärker fokussierten Novelle angesprochen, so dass die Erweiterung zu einem Roman in der vorliegenden Form vielleicht nur erfolgt ist, um ein größeres Publikum positiv zu erreichen und die Problematik der Adoption von Problemkindern – wobei sich Sean in einem ausgesprochen positiven Rahmen bewegt – anzusprechen. In dieser Hinsicht ist die Lektüre des Buches im Gegensatz zum weich gespülten und wichtige Aspekte außer acht lassenden Film ohne Frage zu bevorzugen.

Auch wenn es romantechnisch an einigen angesprochenen Stellen durch die nicht immer nachvollziehbaren Sprünge und die zu wenig vorbereiteten, Insider und Kenner von David Gerrolds Werk in erster Linie ansprechenden Querverweise hapert, sind die offenen und ehrlichen Aussagen beginnend mit dem Verweis auf das größte Abenteuer eines Menschen – das Leben – und den besten Teil – Eltern sein – sowie endend mit sehr vielen auch selbstzweifelnden Aussagen David Gerrolds eine Lektüre wert. Wer sich vor allem mit David Gerrolds Werk seit seinem überzeugenden Start in den sechziger Jahren auseinandergesetzt hat, wird nicht nur die Altersreife vielleicht auch Milde erkennen, sondern die Eleganz bewundern können, mit welcher der Autor nicht nur in der ursprünglichen Novelle, sondern vielen Kurzgeschichten und mit Einschränkungen dieser Romanerweiterung Fiction und Realität zu einem kompakten Plot miteinander verbindet. Das zugrundeliegende Thema der Adoption von Kindern, die es in ihrem Leben schwer haben und durch viele Raster fallen, ist unabhängig davon sowieso die Lektüre wert.

  • Taschenbuch: 192 Seiten
  • Verlag: Tor Books (4. September 2007)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0765320037
  • ISBN-13: 978-0765320032