Mr. Standfast

Mr. Standfast, Titelbild, Rezension
John Buchan

“Mr Standfast” ist der dritte Richard Hannay Roman. Viele Kritiker sprechen vom ersten nach dem Ersten Weltkrieg veröffentlichten, aber die Ereignisse der letzten Kriegsjahre aus englischer Sicht auch ein wenig heroisierenden John Buchan Thriller vom Abschluss der Hannay Trilogie, während die beiden folgenden Romane mit ihm im Mittelpunkt, sowie wie nur thematisch angegliederte Arbeiten nichts mehr mit den beiden Grundthematiken Krieg und Spionage zu tun haben.  Im Gegensatz zum sehr geradlinigen Auftaktband „Die 39 Stufen“  sowie dem politisch noch aktuellen „Greenmantle“ ist „Mr. Standfast“ eine wunderbare Mischung aus Kriegsdrama und Spionagethriller, wobei Hannay noch mehr als in den ersten beiden Büchern leiden muss und sich der inhaltliche Rahmen über fast zwei Jahre mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten erstreckt.

Während „Die 39 Stufen“ noch vor dem Ersten Weltkrieg spielte und eine deutliche Warnung hinsichtlich der Aktivitäten von Spionen aussprach und „Greenmantle“ die Operationen im Nahen Osten inklusiv einer an Lawrence von Arabien erinnernden Figur vorwegnahm, blickt der 1919 veröffentlichte Roman „Mr. Standfast“ zurück. John Buchan geht sogar noch einen Schritt weiter.  Der Titel ist eine Anspielung auf John Bunyans „Pilgrim´s Progress“. Hannay nutzt dieses tatsächlich veröffentlichte Buch, um die codierten Botschaften zu entziffern.

Der Roman zerfällt im Grunde in zweite sehr unterschiedliche Handlungsebenen, die mit der Bestrafung des Spions auf eine effektive wie perfide Art und Weise sowie die Selbstopferung seines im Krieg verwundeten Freundes Peter Pienaar dramaturgisch dem Ende von „Die 39 Stufen“ zusammenlaufen.  Immer wieder wird der inzwischen mehrfach beförderte Hannay an die Front gerufen, um dort in den endlosen Grabenkämpfen seinen Mann zu stehen. Diese Kämpfe inklusiv des heroischen  Einsatzs gegen die Übermacht der deutschen Truppen, die dank geschickten Verschiebens und eines Ausschalten der Luftaufklärung nicht wissen, dass sie das restliche Kontingent der in der Mitte verteidigenden Briten aufgerieben haben nehmen vor allem im letzten Drittel einen breiten Raum ein. 

Daneben beschreibt Buchan die Folgen eines Luftangriffs auf London. In der als Schutzbunker ausgebauten U- Bahn Station trifft Hannay auf eine Figur aus „Die 39 Stufen“ und weiß deswegen, dass er auf dem richtigen Weg ist.  Dabei greift John Buchan aber auch mehrfach auf Versatzstücke zurück. Da sich Hannay in diesen Szenen undercover bewegt, wird er von der örtlichen Polizei eher festgenommen und an dem erfolgreichen Abschluss seiner Mission gehindert, als dass ihm jemand glaubt. Auch in der Romanvorlage, aber nicht den vier Adaptionen ist die Polizei immer ein Hindernis gewesen, wobei in dem ersten Hannay Roman sie davon ausgehen musste, es mit einem Mörder zu tun zu  haben.

Gespenstige Visionen von einer alten Frau mit einer Gasmaske, der Zerstörung des Verstecks der deutschen Spionage Gruppe und schließlich sogar der Fund von Anthrax Pulver, mit dessen Hilfe ein großer Anschlag verübt werden soll, schließen den Kriegshandlungsbogen zufriedenstellend, dunkel, brutal und für die Zeit ungemein realistisch ab.

Dazwischen liegt Hannays Mission, an dessen Ende er sich zum ersten Mal nach einem natürlich platonischen Leben unter Männern verlieben sollte.  In „Greenmantle“ schickt man ihm zum ersten Mal auch wegen seiner deutschen Sprachkenntnisse gen Berlin, um die Feinde zu infiltrieren und deren Pläne im Nahen Osten zu eruieren. Ein vergleichbarer Ausgangspunkt steht am Beginn des dritten Hannay Abenteuers. Sehr zu seinem Unwillen wird er von der Front abgerufen. Er soll als Cornelius Brand – ein anglisierter Hinweis auf sein Alter Ego im mehrfach angesprochenen „Greenmantle“ – als ein aus Südafrika stammender Pazifist agieren. Ein Grundgedanke, der ihm widerstrebt. Dabei sollen die deutschen Spione auf ihn aufmerksam werden, um ihn für ihre Sabotagemissionen zu rekrutieren.

Bevor dieser Handlungsbogen allerdings Schwung erhält vergehen erstaunlich viele Seiten, in denen John Buchan mit dem für diese Reihe typischen ironischen Humor eine Reihe von skurrilen Charakteren einführt, die bis Gresson als Mittelsmann zu den deutschen Spionen keine tragende Rolle spielen. Aus heutiger Sicht wirken die vor allem in der Künstlerkolonie Biggleswick spielenden Abschnitte fast surrealistisch. John Buchan kann sich mit dem Leben dieser Freidenker nicht anfreunden und zeigt dank seines literarischen Alter Egos Richard Hannay diese Meinung auch überdeutlich. 

Wie in „Greenmantle“ infiltriert Hannay die ein wenig arglosen deutschen Spione, wobei er nur vage Hinweise auf die Identität des Hintermannes erhält. Seine Flucht inklusiv der Unterbrechung von Dreharbeiten und vor allem die Flucht mit einem Fahrrad ist effektiv beschrieben, aber wirkt auch teilweise zu übertrieben. John Buchan unterminiert dabei die im Krieg spielenden Szenen.

Er lässt den ersten Teil auch offen enden. Der Bruch zwischen dem ersten und zweiten Teil wirkt zu stark. Hannay ist wieder an der Front, obwohl seine eigentliche Mission nicht abgeschlossen worden ist. Durch einen Zufall erfährt er, wo sich der von ihm gesuchte und verschwundene Gresson befunden hat. Mit einem Flugzeug landen sie in der Nähe des Chateaus.   Welch ein Zufall, dass sich das Gebäude in Reichweite der Front befindet. Noch größer wird der Zufall, dass er seine potentiell zukünftige Frau Mary wieder trifft, die das einzige schwache Glied des Kopfes der Spione ist. Der Handlungsbogen endet schließlich nach einem weiteren Abzug von Hannay von der Front in der Schweiz, wo es zu einer ersten direkten Konfrontation zwischen dem Chef der Spione- einem deutschen Sadisten namens von Von Schwabing – und Hannay kommt. 

Es ist vielleicht die größte Schwäche des ganzen Romans, dass das Netzwerk der Spione derartig ambivalent, allgegenwärtig und mächtig beschrieben wird, ohne das Buchan hinsichtlich ihrer Aktionen konkret wird. Vieles wird angedeutet, bleibt ambivalent und nicht selten unausgesprochen. Hannay findet immer wieder Hinweise und wenig konkrete Spuren, die er seinen Vorgesetzten dank Mittelsmännern bei der Polizei mitteilen möchte. Nur leider erreicht er in keinem Fall seine Vorgesetzten und muss mit Einschränkungen auf eigene Faust handeln, während eine Feinde aufgrund der Struktur ihrer Organisation viel eher zuschlagen als sich gegenseitig ihre Pläne verraten sollten. Es fehlen in unterschiedlicher Abfolge  Momente der Spannung, der Dringlichkeit und schließlich ein zeitliches Ultimatum, um die direkte Spionagehandlung weniger ambitioniert als wie in den ersten beiden Hannay Romanen für den Leser zugänglich erscheinen zu lassen. Buchan spannt ein zu weites Netz und hat irgendwo vergessen, sich zu fokussieren.

Inhaltlich hat der Ire allerdings inzwischen eine literarische Routine entwickelt. Wieder kommt es zu einer umfangreichen Flucht, in deren Verlauf Hannay sogar einen Schweizer Alpinisten und Führer rettet. Der Gegenschlag im Versteck der Spione kommt überraschend. Das Finale ist nicht besonders effektiv, da sich gleich die Auseinandersetzungen an der Front anschließen, die teilweise handlungstechnisch auch an eine Variation von „Die vier Federn“ ohne das Symbol der Feigheit erinnern.

Neben den dunklen brutalen Kriegsszenen entschließt sich John Buchan, auch einige der heldenhaften Nebenfiguren zu töten. Er zeigt damit deutlich, dass der Einsatz fürs Vaterland gefährlich ist. Auch wenn der Roman mit den letzten Kriegstagen und einer Fahrt in den Hafen der Ehe für Richard Hannay endet, bleibt die paranoide und bedrohliche Atmosphäre über die letzten Seiten hinaus bestehen.  Die Stärke des vorliegenden Buches ist ohne Frage, dass Buchan seine ohne Frage auch kontroversen politischen Ansichten mit einer klaren Positionierung in einen spannenden, leider auch teilweise an „Die 39 Stufen“ erinnernden Spionageplot eingebaut hat, der kontinuierlich an Tempo gewinnt. Die zeitlichen Brüche sind ohne Frage genauso gewöhnungsbedürftig wie der anfänglich Exkurs in die Welt der Kriegsignoranten, der weniger geplant erscheint als das Hannays Vorgesetzten auf die Gesetzmäßigkeiten des Zufalls hoffen, um einen oder zwei Schritte weiter zu kommen.  Politisch versucht Buchan die Spannungen zwischen Patriotismus und Pazifismus mit einer Tendenz zu Ersterem herauszuarbeiten, wobei es ihm in Klassenkampf mit sozialistischen Grundideen klar ist, dass selbst das siegreiche England strukturell durch den Verlauf des Krieges erschüttert und in Hinsicht auf seine antiquierten Klassengegensätze in seinen Grundfesten erschüttert worden ist.    

  • Taschenbuch: 318 Seiten
  • Verlag: Richard Hannay; Auflage: Reprint (29. Juni 2010)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 1846971551
  • ISBN-13: 978-1846971556
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