In die Dunkelheit

Evan Currie

“In die Dunkelheit” ist der erste von wahrscheinlich vier Romanen. Es handelt sich um die erste Veröffentlichung von Evan Currie. In den USA ist der Roman zuerst als Kindle Direct Publishing erschienen, bevor Heyne die deutschen Rechte erworben hat. Ob es an der Originalvorlage oder der sehr sperrigen, nicht fließenden Übersetzung von Usch Kiausch legt, ist schwer festzustellen, aber als Military Science Fiction Arbeit fordert Currie insbesondere auf den ersten zweihundert der sechshundert Seiten sehr viel Geduld vom Leser. Das liegt weniger an der sehr stringenten, aber klischeehaften Exposition oder dem starken Fokus auf der natürlich einzigartigen Technik der „Odyssey“, einem neuen, hoch technisierten Raumschiff, das „in die Dunkelheit“, also die Tiefen des Alls vordringen soll, sondern vor allem an den eindimensionalen, funktionalen Charakteren, mit denen Currie diesen Auftaktband bevölkert hat. Hinzu kommt, dass insbesondere im Vergleich zu anderen Serien – auch Andreas Suchaneks „Heliosphere 2265“ verfügt über eine vergleichbare Prämisse, verzweigt sich aber spätestens nach Ende des ersten E- Books auf ungewöhnliche und originelle Art und Weise – auch der eigentliche Plot schematisch und im zu langen Mittelteil phlegmatisch beschrieben worden ist

Die Menschheit hat es nicht ganz geschafft, sich in verschiedenen Kriegen aufzureiben. Mehr aus Notwendigkeit denn Überzeugung haben sich verschiedene Nationen zu Konglomeraten zusammengeschlossen, wobei die alten Feindbilder – Kapitalismus und asiatischer Kommunismus – noch zu erkennen sind. Die Bodenschätze sind auf der Erde erschöpft und die Nationen leiden unter diversen Wirtschaftskrisen. Um vielleicht auch ein Fanal hinsichtlich neuer Potentiale und neuer Grenzen zu setzen haben die als amerikanischer Block zu erkennenden Nationen die „Odyssey“ erschaffen. Ein modernes Explorerraumschiff mit einem einzigartigen neuen Antrieb. Als Kommandant wird der ehemalige Kriegsheld Eric Weston ausgesucht, der teilweise noch unter den Traumata seiner Einsätze leidet. Weston soll mit einer noch unerfahrenen und impliziert natürlich auch nicht aufeinander abgestimmten Crew das Sonnensystem verlassen und den neuen FTL Antrieb jenseits des letzten Planeten testen. Currie hat die schwierige, aber nicht unmögliche Aufgabe, sowohl das Raumschiff als auch eine Handvoll offensichtlicher Protagonisten mit einem leider schon früh zu einem traumatisierten Überhelden ausgestalteten Westen auf den ersten Seiten vorzustellen. Anstatt Dramatik, Pathos oder auch nur Weltraumkitsch zu entfachen, wirkt alles sehr distanziert, sehr steif und vor allem sehr umständlich. Immer wieder werden quasi nebenher noch Erklärungen nachgeschoben, kompakte Sätze unnötig erweitert und Fakten präsentiert, die in diesem frühen Stadion vor allem einer ganzen Serie unnötig sind. Das sich ein Kommandant und seine Crew aufeinander einschießen müssen, ist offensichtlich, aber selten hat der Leser ohne Not mit Weston einen Kommandanten vor die Nase gesetzt bekommen, der so wenig über seine Crew und sein Schiff weiß. Gäbe es zumindest eine ultimative Bedrohung, dann wäre die schleichende „Eile“ zu verstehen, aber diese Mission ist lange geplant worden. Insbesondere die Befehlsketten erscheinen unnatürlich und umständlich. Anstatt die Handlung mit kurzen, pointierten und gut geschrieben Dialogen, einigen wenigen Erklärungen voranzutreiben, schleppt sich die Exposition bis zum Start dahin. Und dieser erfolgt dermaßen unspektakulär, dass man ihn beinahe überlesen könnte.

In den Tiefen des Alls treffen sie auf zwei fremde Zivilisationen. Die eine ist offensichtlich „menschlich“, wie die an Bord genommene einzige Überlebende einer Schlacht überdeutlich demonstriert.  Und die Außerirdischen Drakin sind auf Silizium basierenden Insektoide. Huer mischt Currie eine Reihe von Ideen zusammen. Die neuen Menschen und die Drakon führen seit langer Zeit Krieg miteinander. Anscheinend sind – im Epilog wird dieses Szenario ein wenig relativiert – die Käfer die Angreifer, die Aggressoren, gegen die sich die Menschen wehren müssen. Die neuen Menschen sind in erster Linie Pazifisten. Wie gut, das die „alten“ Menschen in ihrer wechselhaften Geschichte hinsichtlich des Kriegshandwerks nichts verlernt haben und schnell in das Geschehen aktiv eingreifen können.  

Unabhängig von dieser unwahrscheinlich erscheinenden Konzeption des grundlegenden Plots greift Currie auf eine Reihe von schwarzweiß Schemata zurück, die „In die Dunkelheit“ zu einer simplen Pulpgeschichte werden lassen. Aufgebläht für die Gegenwart. Die Drakin dienen als klassische Feindbilder, deren Motive auf eine simple Gleichung reduziert worden sind. Anstatt dieser Rasse Persönlichkeit und Tiefe zu geben, dienen sie als klassische Feindbilder, an denen sich eine verweichlichte pazifistische Rasse natürlich mit den überlebensfähigen „Brüdern“ von der Erde aufrichten kann. Die Implikationen, das die Drakin die Feinde verspeisen, soll Kriegsgreul suggerieren, aber am Ende konzentriert sich die Handlung auf eine Abfolge von stereotyp erzählten militärischen Auseinandersetzungen.  In Bezug auf die zu menschliche Zivilisation, welche die „Odyssey“ in den Tiefen des Alls findet, ist es erstaunlich, dass Weston und seine Leute – nicht alle sind Militärs, verhalten sich aber entsprechend – keine weiteren Fragen stellen oder die spärlich präsentierten Fakten gut gläubig annehmen. Die Hinweise auf eine uralte Verbindung zwischen den Völkern wirkt bemüht. Wahrscheinlich wird Currie den Hintergrund in den folgenden Romanen weiter aufhellen, aber für einen Debütroman bleiben zu viele Flanken offen. Bei einer packenden Geschichte ist diese Oberflächlichkeit verzeihlich, aber in einem schon gedehnten und phasenweise langweiligen Roman sind diese wenig potentiell originellen Auslassungen im Grunde tödlich.  

An Bord der „Odyssey“ lernt der Leser im Grunde nur Weston kennen. Ein nicht ganz perfekter Kriegsheld, der bei einer lebensgefährlichen Mission Hilfe erhalten hat und sich jetzt revanchieren kann. Ein menschlicher Kommandant, der auf Disziplin wert legt, aber menschliche „Schwächen“ zwar nicht tolerieren, aber zumindest einschätzen kann. Über Weston hinaus wird die Besatzung der „Odyssey“ nicht nur so gut wie gar nicht charakterisiert oder beschrieben, sie bleiben schematisch und gesichtslos. Currie hätte sich zumindest an gängigen Fernsehserien orientieren können und müssen, in denen die markantesten Besatzungsmitglieder von einander abgegrenzt werden, um eine Identifizierung zu ermöglichen. Das ein Privatleben zu Beginn einer Mission, die sofort aus dem Ruder zu laufen droht und in dieser Form nicht beabsichtigt worden war, noch nicht statt finden kann, ist nachvollziehbar und verständlich. Bis auf Weston erfährt der Leser nichts über ihren Hintergrund und diese schematisch eindimensionalen Darstellungen rächen sich vor allem im Mittelteil des Romans, in dem die Actionszenen mit den Empfindungen der im Grunde mit der Situation überforderten Besatzungsmitgliedern harmonieren sollten. So funktioniert an Bord der „Odyssee“ alles prächtig und die Gesichter der einzelnen Mitglieder der Crew verschwimmen ineinander.    

Während auf der außerirdischen/ menschlichen Handlungsebene „In die Dunkelheit“ sehr schematisch, distanziert und leider viel zu oft klischeehaft daher kommt, ist Currie ein Techniker vor dem Herrn, der sich sehr viel, wahrscheinlich im ersten Viertel des Buches zu viel Zeit nimmt, um die Ausrüstung der „Odyssee“ zu beschreiben. Die Tachyonen sind der neue MacGuffin, mit dem die „Odyssee“ weiter vorstoßen kann, als jemals ein Raumschiff zuvor. Der Überlichtflug wird zumindest hinsichtlich der Relativität ins Verhältnis gesetzt, aber kaum ist die „Odyssee“ gestartet, sind die verschiedenen, ausführlich beschriebenen Thesen graue Theorie und die Action kann beginnen. Currie beschriebt anschließend die verschiedenen Raumschlachten dreidimensional und intensiv, aber wie viele andere Passagen des vorliegenden Romans ohne wirkliche Emotionen. Wenn die Besatzungsmitglieder in den Tiefen des Alls ein gigantisches Schlachtfeld voller Raumschiffwracks mit einem einzigen Lebenszeichen an Bord einer kleinen Rettungskapsel finden, dann zieht der Autor seine Leser nicht in den morbiden Bahn des Geschehens, sondern bleibt seltsam distanziert und viel zu sachlich. Zumindest kann er seinen Lesern die Dreidimensionalität des Alls und die Langsamkeit der Auseinandersetzungen gut beschreiben.         

So bleibt “In die Dunkelheit” in erster Linie ein oberflächliches Action Military Science Fiction Buch, das wenig originelle Handlungsteile – alleine der Ausblick im Epilog wirkt wie aus einem anderen Roman und soll die Aufmerksamkeit der Leser fesseln – eher schwerfällig zu einem Garn verbindet. Viele gute Ansätze wie die Verbindung der neuen Menschen mit den Insektoiden werde ignoriert und gar nicht vertieft. Die Charaktere an Bord der „Odyssee“ sind viel zu funktional und letzt endlich zeigt „In die Dunkelheit“ nicht nur die Schwächen eines Debütanten, angesichts einer vier Romane umfassenden Serie wäre eine spannendere Strukturierung empfehlenswert gewesen. Ein sehr durchschnittliches Debüt, das nicht der Sensationserfolg in den USA gewesen ist als der er angepriesen wird.