It came from 1957

Rob Craig

Rob Craig hat auf den ersten Blick eine faszinierende, interessante und ungewöhnliche Studie über die Science Fiction Filme der fünfziger Jahre in ihrem historischen Kontext verfasst. Auf den zweiten Blick befriedigt dieser Blick auf die Theateraufführungen des Jahres 1957 in den USA aber weniger. Als Text wirkt die Sammlung eher aus einzelnen Artikeln zusammengestückelt und ergänzt. Das ist auf den ersten Blick nichts schlechtes, aber wenn der Autor für einen Großteil der wirklich wenigen Zeilen – eine knappe Seite – bei „The incredible Shrinking Man“ den vielleicht historischen Hintergrund aus dem Vorwort wiederholt und das religiöse Ende durch Ignoranz abqualifiziert, dann wirkt das Buch nicht sorgfältig zusammengestellt. Viel schlimmer ist, dass das Jahr 1957 nur in der Theorie des Autoren im Vergleich zu den insgesamt siebenundzwanzig Atombombenversuchen weltweit 57 Science Fiction, Horror und eindeutige Fantasy  Filme in die amerikanischen Kinos und Drive In brachte. Durch die Auflistung von Double Features reicht das Spektrum bis zum Beginn der fünfziger Jahre in Bezug auf deren Erstausstrahlungen auf den großen Leinwänden. Zählt der aufmerksame Leser dann noch die Wiederveröffentlichungen als B- Picture mit einem potentiellen Kassenschlager hinzu, sind es noch weniger originale Debüts in einem trotzdem ungewöhnlichen Jahr. Nach Not sieht es aus, wenn Filme wie „Man of a thousend Faces“ ( Lon Chaneys fiktive Biographie) oder Irwin Allens biblisches Epos „Story of Mankind“ ebenfalls erwähnt werden. Dass es sich um Allen ersten, aber eher unfreiwilligen Desasterfilm handelt, fügt Rob Craig zumindest selbst ironisch hinzu. 

Viel schlimmer oder besser exzentrischer ist, dass der Leser keinen anderen Kritiker dieses Kalibers in der Gegenwart finden wird, der von seinem antiamerikanischen Vorwort ausgehend seine Liebe zu Roger Corman – „Attack of the Crab Monsters“ ist nicht nur Roger Cormans Meisterwerk, das Essay nimmt fast zehn Seiten im Vergleich zu anderen, bedeutenderen Streifen ein ! – und den nicht immer inhaltlich verständlichen B oder besser C- Filmen so expliziert darstellt und andere Arbeiten wie den schon angesprochenen „incredible shrinking Man“, „The Curse of Frankenstein“ oder die „Creature of the Black Lagoon“ Streifen nieder macht. Dabei verzichtet Rob Craig teilweise auf notwendige Begründungen und lobt das 400 Dollar Monster aus „Crab“ über den grünen Klee trotz der Schwierigkeiten, es überhaupt entstehen zu lassen, während Hammers Frankenstein im wahrsten Sinne des Wortes durch den Kritikerkakao gezogen wird. Würde Rob Craig seine Positionen nachhaltig begründen, dann wäre es akzeptabel. Sich im Vorwort als Monsterfreak und TV Junkie zu entlarven, reicht nicht aus. Craig macht keinen Hehl aus der Tatsache, dass er ein Querdenker und cineastischer Opportunist ist, der in erster Linie vor dem Fernseher der fünfziger Jahre geformt worden ist.

In seinem ausführlichen Einleitungsartikel „The Marvels of the atomic Age“ führt er den Leser mit teilweise beklemmenden Exkursen in die fünfziger Jahre zurück. Überdeutlich aus der Position und vor allem mit dem Wissen der Gegenwart geschrieben wirkt dieses Essay teilweise befremdlich. Neben der Kritik an der Verwendung der Atomwaffen gegen Zivilisten in Japan, die Tierversuche im Bikiniatoll oder die Menschen verachtende Politik der amerikanischen Militärs, Übungen unmittelbar in den Fall Out Zonen der amerikanischen Versuchsgelände abzuhalten entlarvt Rob Craig die fünfziger Jahre als politische Bushära, in welcher das Volk von zu alten Politikern wie Eisenhower ganz bewusst unter der heimlichen Führung der Militärs belogen und betrogen worden ist. Den kalten Krieg und das militärische Wettrüsten zwischen der UdSSR und den USA derartig abzuqualifizieren und vor allem zu implizieren, jeder hätte wissen und sehen können, das die UdSSR as kommunistisches Land mit dem Kapitalismus monetär nicht mithalten kann, wirkt wie eine These aus der Zeit nach dem Kalten Krieg. Die Kriege in Süd Korea und indirekt auch in Vietnam werden ausschließlich als Kriegstreiberei gesehen und die Verdummung der Menschen erreichte mit dem Eigenbau von unnützen Atombunkern einen perfiden Höhepunkt. Die politische Agitation ist befremdlich, aber Rob Craig hält seinen exzentrischen Standpunkt auch in zahlreichen Filmkritiken aufrecht, in denen das amerikanische Militär im Gegensatz zu den Vorankündigungen des Vorworts seltener als erwartet die Menschheit vor überdimensionalen Monstern retten muss. Interessant wird dieses Vorwort, wenn der Autor auf der veränderten Lebensgewohnheiten der Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg eingeht. Etwas überzeichnet ist die These, das der Baby Boom der Nachkriegszeit schon 1957 – das Jahr, um das sich alles dreht – einen nachhaltigen Einfluss dank der anderen Sehgewohnheiten der amerikanischen Teens hinterlassen hat. Hier liegt die Latte insbesondere für die Elf- oder Zwölfjährigen ohne Begleitung der Erwachsenen ein wenig hoch. Aber es spielt im Grunde auch keine Rolle, die Einführung überzeugt und informiert in den vielen kleinen Details, während der große historisch politische Überblick wie aus einem der vielen Filme zu stammen scheint, welche Robert Craig im zweigeteilten Hauptteil der Studie mehr oder minder ausführlich vorstellen wird.

Jeder Film ist neben einer kompletten Übersicht über die Schauspieler und die Crew mit einer kurzen Inhaltsangabe versehen, auf die der Autor je nach Laune – und die wechselt spürbar zwischen arrogant gelangweilt und himmelhoch jauchzend – in den nachfolgenden kritischen Betrachtungen noch einmal eingeht. Wie schon angesprochen erreicht das Buch gleich zu Beginn des Jahres 1957 zwei unabhängig von einander sehr unterschiedliche Höhepunkte, in dem der deutschen Nachkriegsfilm „Alraune“ – auf dem abgedruckten Plakat ist Hildegard Knef ohne „K“ geschrieben worden ! – neben Roger Cormans „Attack of the Crab Monsters“ gestellt wird. Die Betonung liegt auf neben, denn es finden selten Vergleiche statt und Plagiate gibt es angesichts des kurzen Zeitraums, in welchem die Filme ausgestrahlt worden sind, sowieso nicht. Im Grunde wird jeder Streifen einzeln analysiert. „Alraune“ und „Crab Monsters“ stehen dabei leider nicht für die Qualität des ganzen Romans. Ausführlich bis im Falle von Roger Corman unglaublich eindimensional/euphorisch werden die Filme ausführlich bis in die kleinsten Details vorgestellt. Roger Craig zieht hier noch Querverbindungen zu deutschen (bei „Alraune“) und amerikanischen (bei „Crab Monsters“) Öffentlichkeit und versucht den gegenseitigen Einfluss in einfachen, aber drastisch interessanten Bildern zu beschreiben. Wie gesagt, beide offensichtlich nicht für diese Sammlung geschriebene Essays ragen positiv aus dem Buch heraus. Überhaupt kommt Roger Corman neben einigen A.I.P. Produktionen im ganzen Buch am besten weg. Die größten Stärken der Studie sind die „kleinen“ Produktionen, in deren nicht selten tiefer gehender Analyse sehr viele neue Facetten aufgerufen und analysiert werden. Dagegen ist die eklatante Schwäche Rob Craigs Borniertheit, die in der Betrachtung des Remakes von „The Thing from another World“ gipfelt. John Carpenter als talentlos ohne Begründung abzukanzeln, ist eines Kritikers nicht würdig. Aber zu ignorieren, dass Carpenters Drehbuch wichtige Aspekte der Originalgeschichte nicht nur effektiver herausarbeitet und die Originalverfilmung dank und nicht trotz der „künstlerischen Freiheiten“ zu loben, erscheint engstirnig. Hinzu kommt, dass der Autor auf die politisch paranoiden Zwischentöne des am Ende des Kalten Krieges entstandenen Carpenter Remakes nicht eingeht, während diese propagandistischen Elemente in seiner Betrachtung des 1951 entstandenen und 1957 nur wieder aufgeführten (!!!) Films in den Himmel gelobt werden.

Aber Carpenter steht mit der Schelte nicht alleine. Bis auf „Quatermass II“, über dessen Verschwinden seit der Uraufführung bis zur DVD Veröffentlichung eher sinnfrei philosophiert als den bekannten Fakten zu folgen, kommt kein Hammer- Film ohne beleidigende Anmerkungen weg.     

 Viel Schelte erhält auch das Filmstudio Columbia, das auf der einen Seite als einfallslos und seit vielen Jahren weit weg vom Jugendtrend kritisiert wird, auf der anderen Seite aber mit "20 Million Miles to Earth" und "The 27th Day" eines der interessantesten Double Feature des Jahres am Start hat. Dabei kommt der Harrihausen Streifen sehr schlecht weg. Alleine die Tricks lobt er. Auch hier überrascht, dass Cormans Produktionen selbst in dieser Hinsicht überdurchschnittlich punkten. Die einzelnen Produktionen Columbias wirken wie mit einem Rassenmeer kritiktechnisch bearbeitet. Es sind diese Passagen, welche "It came from 1957" so erratisch erscheinen lassen. Das Buch wirkt nicht harmonisch, was bei einer gründlichen Überarbeitung des Materials ohne Probleme möglich gewesen ist.

Aber im Vergleich zu vielen anderen sekundärliterarischen Werken verfügt die vorliegende Jahresschau auch über eine Reihe von ungewöhnlichen Stärken. Denn neben dem gerade angesprochenen Columbia Double Feature sind aus Sicht des Autoren die besten echten aus in diesem Jahr produzierten Filmen bestehenden Kombinationen "The Man who turned to Stone/Zombies of Mora Tau" und "The Giant Claw/ The Night the World exploded". Bei diesen Streifen belässt es Robert Craig nicht bei Worten, sondern es folgten handfeste Tatsachen. Wie schon angesprochen ist es selten, dass der Leser über diese obkursen Filme längere und vor allem überdurchschnittliche faire (die Produktionsbedingungen als Hemmniss unter den Tisch fallende) Würdigungen finden wird. Ausführlich geht Craig nicht nur auf die Details der Filme ein, sondern sucht sie mit seinem einleitenden Artikel in einen Zusammenhang zu bringen. Es ist nicht zuletzt dieser positive Bogenschlag, der die Vermutung unterstreicht, dass "It came from 1957" ursprünglich deutlich kürzer gewesen ist und Rob Craig in erster Linie eine inhaltliche rote Linie für diese Filme suchte.

Die roten Linien beziehen sich allerdings auf vier Eckpunkte. Die Stellung der Frau in diesen Filmen im Vergleich zur damaligen Gesellschaft.  Die negative Extrapolation der Atomenergie. Die kommunistische Bedrohung insbesondere in den Paranoiafilmen wie "The 27th Day" oder dem wieder aufgelegten "Invasion U.S.A." und letzt endlich den Streifen an sich als Unterhaltungswert. Bei der Stellung der Frau gibt es für Rob Craig nur zwei Möglichkeiten, die mit den gesellschaftlichen Fehlentwicklungen - Karriere bedeutet gleichzeitig herzlos und beziehungsarm für die Frauen -  der fünfziger Jahre im Einklang stehen. Wenn die Frauen wichtige Rolle spielen, dann finden sie nur selten während der Handlung zum Helden. In seltenen Fällen passiert das auf den letzten Metern des Films. Geheiratet werden in erster Linie junge wie attraktive Töchter von Wissenschaftlern, die sich für die restliche Menschheit opfern.  Interessanterweise hat der Autor versucht, in seinem Vorwort ein etwas anderes Bild der Frau in insbesondere diesen Filmen zu zeichnen. Unabhängig davon, dass seine These nicht aufgeht, arbeitet er diese Problematik für den Leser jederzeit nachvollziehbar sehr gut heraus.

Die kommunistische Bedrohung findet in jeder Form statt. Es wird impliziert, dass manches Monster eher rot als tot sein sollte. Natürlich überspannt der Verfasser dieser kleinen Essays den Bogen und unterstellt bei mancher Filmbetrachtung, das alles gewollt und geplant worden ist, während die Drehbücher bis auf die Ausnahme Charles Griffith (natürlich der Autor von Roger Corman) in der damaligen Zeit für wenige Dollar herunter geschrieben worden sind. Das sie inzwischen vielfältig interpretierbar sind, ist eher Zufall als Absicht. Craig verwischt aber mit seiner willkürlichen Zuordnung auch manche Grenze. Mit den Produktionen der frühen fünfziger Jahre und ihrer propagandistischen Kriegshetze überdeckt der Autor einige sehr viel interessantere Tendenzen. An einer anderen Stelle wird das Militär in "The Deadly Mantis" von der Wissenschaft im Gegensatz zur damaligen Realität davon abgehalten, die Bombe gegen die gigantischen Insekten einzusetzen. Das Bild des den Kapitalismus fressenden Kommunismus spielt in den meisten Produktionen der späten fünfziger Jahre eher eine untergeordnete Rolle. Viel mehr geht es um die Bedrohung der amerikanischen suburbanen Gesellschaft, die sich interessanterweise bei den Jugendlichen - gleichzeitig das Zielpublikum - konzentriert. Damit weichen viele der Monsterfilme - egal welches Genre - auch von den klassischen Thrillern dieser Ära ab, in denen durchschnittlich deutlich "ältere" Menschen bedroht werden.

Hinsichtlich des Unterhaltungswertes wird der aufmerksame Betrachter eine Reihe von Filmen wie Cormans "The Undead", "The Vampire" oder "The invisble Boy" als Vorläufer zu "Colossus" finden, über die in den meisten Lexika wenig steht. Wie schon angesprochen auch die größte Stärke dieser Sammlung, das obskure und sonderbare zu goutieren, fannisch überzogen zu kritisieren und schließlich seinem Publikum zu präsentieren. Über diese Filme erfährt der Leser ausgesprochen viel. Dabei überwiegen natürlich die euphorischen Töne, während man andere höherklassige Produktion mit dem Attribut "langweilig" kurz abgehandelt wird. Bei seinen offensichtlichen Lieblingsfilmen geht Rob Craig von der Bedeutung der Musik über die Schauspieler - ein nicht selten unterschätztes Gut dieser B- Produktionen - bis zur Kameraarbeit unabhängig von der monströsen Qualität der "Gegner" ein und arbeitet auf diese detaillierte Art und Weise manchen kleinen Schatz heraus, der ohne Probleme und auch günstig zu heben ist.

Zusammengefasst verfehlt und trifft Rob Craig sein Thema zugleich. Er verfehlt es, wenn der Leser eine flüssig geschriebene, auf einander aufbauende Studie des Jahres 1957 im Kino und in der Realität erwartet. Das kann er aufgrund der Struktur des Buches - lange Einführung und dann 57 einzelne Filmbesprechungen - leider nicht leisten. Eine engere Verknüpfung, die Joe Dante insbesondere in "Matinee" so perfekt gelungen ist, hätte die Lesbarkeit der Sammlung erhöht. Wenn Craig allerdings über sein nicht uninteressantes, wie schon erwähnt Amerika kritisches Vorwort hinaus in die einzelnen Produktionen schaut und der Leser den Epilog mit der Rundumschlagkritik an allen phantastischen Filmen, die danach bis auf ganz wenige Ausnahmen gekommen sind, ignoriert, dann blüht das Buch teilweise auf eine sehr ungewöhnliche Art und Weise auf. Minutiös liebevoll ohne Pathos oder Melancholie stellt der Autor zahlreiche Filme vor, die 1957 zu einem sehr ungewöhnlichen Filmjahr machen, das nur in der Theorie die meisten amerikanischen Kinodebüts von phantastischen Filmen aufweisen konnte. Es lohnt sich, die vorliegende Sammlung als Nachschlagewerk der ausführlichen Art zu nutzen denn es als Zeitreise in ein besseres, unschuldigeres Amerika zwischen dem Zweiten Weltkrieg und Vietnam anzusehen. In dieser Hinsicht bleiben zu viele Flanken offen.  Wie die letzten McFarlands Bücher ist „It came from 1957“ reichhaltig illustriert. Die meisten Filme sind zumindest durch die einzigartigen Filmplakate allerdings in schwarzweiß vertreten.  Das ist ein Manko gegenüber der schreienden Werbung dieser Zeit. Vielleicht sollte der Leser sich "It came from 1957" am besten mit einem der vielen Bildbände durchlesen, in denen dieses Manko auf großformatigen Seiten ausgeglichen worden ist.  

  • Taschenbuch: 246 Seiten
  • Verlag: Mcfarland & Co Inc (25. September 2013)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0786477776
  • ISBN-13: 978-0786477777
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