The Astonished Eye

The Astonished Eye, Tracy Knight, Rezension
Tracy Knight

Auch wenn es sich wie ein Klischee anhört, ab und zu gibt es Romane, in denen die Handlung eine weniger wichtige Rolle spielt als die Zeichnung der Charaktere. Und trotzdem überzeugt das Gesamtwerk. Tracy Knight hat in einer kleinen Auflage beim englischen Verlag „Ps Publishing“ mit „The Astonished Eye“ eines dieser Bücher verfasst. Die Handlung lässt sich im Grunde in einem Satz zusammenfassen. Ein Reporter der Regenbogenpresse – er schreibt wie „The Astonished Eye“ – kehrt in seine kleine ländliche Heimatgemeinde zurück, in der ein UFO abgestürzt sein soll.

Im Grunde dient das Science Fiction Element auch nur als eine Art MacGuffin, um den Leser nicht nur in eine exzentrische, aber auch liebenswerte, von Realismus geprägte Gemeinde zu ziehen, sondern vor allem auch über das Leben an sich und die wenigen Momente nachzudenken, die ein Mensch in der Geschichte der Menschheit ausgestalten, vielleicht sogar prägen kann. Ohne zu philosophisch zu werden oder vielleicht zu sehr nur melancholisch schwermütig von der alten besseren Zeit der Jugend zu schreiben versucht der Autor zurück und gleichzeitig nach vorne zu schauen, wobei die Sprunghaftigkeit des Plots und der teilweise auch aufgesetzt erscheinende Schreibstil an einigen relevanten Stellen auch von der Gestaltung der Plots ablenken. 

Unabhängig von dem Außerirdischen treffen zwei „Fremde“ in einer kleinen Stadt in Illinois ein, deren Spitzname unter den Bewohnern treffender nicht sein könnte: „Forgottonia“.  Jeffrey Sprague ist ein jugendlicher Ausreißer, der nach dem Tod seiner Eltern von einem Pflegeheim zum Nächsten gereicht worden ist.  Er sucht ein neues Lebensziel, wobei er in erster Linie  geliebt werden möchte.  Zu einer Familie zu gehören.  Jeffrey ist nicht nur der erste zufällige Zeuge der UFO Landung,  er gewinnt und verliert in einer der tragischen, ans Herz gehenden Szenen auch einen Moment oder besser drei Tage später seinen einzigen Freund. Einen freilaufenden Hund, der der Jungen adoptiert, bevor der Hund von dem nicht auf den Verkehr achtenden zynischen Reporter Ben Savitch überfahren wird.

Im Grunde ist Ben Savitch genauso einsam wie einsam wie Jeffrey.  Während Jeffrey auf seine Umgebung nur reagieren kann, hat es Ben Savitch lange Zeit seines Lebens selbst in der Hand gehabt,  eine große Karriere als Reporter hinzulegen. Es wirkt fast wie ein Klischee, das die Reise zurück, der Versuch, das UFO zu finden und entsprechende Fotos zu veröffentlichen ihn natürlich in die kleine Stadt führt, die er mit sechs Jahren verlassen hat.  Die Story könnte noch einmal der große Durchbruch sein und vor allem sieht er sich als Insider, der Informationen von den Einwohnern bekommt, die anderen verschlossen sind.

Die zugrundeliegende Geschichte betrachtend beginnt der Leser sich nach der Exposition zu wundern, wann die Story wirklich spielen könnte. Handys sind vorhanden und selbst das Internet gibt es. Es fehlt aber auf der anderen Seite die Massenhysterie, die Selbstdarstellung und dadurch auch nur die Andeutung, dass  selbst die potentielle Idee einer UFO Landung unendliche Jünger in  das Städtchen locken könnte, um als erster im Internet Fotos zu präsentieren. Diese Hektik, diese im Grunde Hysterie geht der Geschichte ganz ab und lässt sie eher in den aus heutige Sicht fast beschaulichen achtziger und neunziger Jahren spielen, in denen vieles nicht unbedingt einfacher, aber noch differenzierter gewesen ist. Auch die emotionale Beziehung zwischen den einzelnen Figuren würde besser in diese Zeit passen.  

Die dritte allgegenwärtige, meistens nur beiläufig erwähnte Präsenz ist natürlich der Außerirdische selbst. Anscheinend hat Tracy Knight seinen erzähltechnischen Fähigkeiten nicht gänzlich vertraut, denn in bester „Twilight Zone“ Manier finden sich so viele Ideen in dem kurzweilig zu lesenden, aber auch fragmentiert erscheinenden Buch, das sie den eigentlichen Plot überdecken.

So versammelt sich die Gemeinde im Herbst vor einem bestimmten Baum, um den Fall des ersten Blattes ausführlich zu feiern. Der Gemeindevertreter behauptet, der letzte lebende Zwerg aus „The Wizard of Oz“ zu sein. Um es zu beweisen, zeigt er immer wieder ein Foto von Judy Garland und sich, obwohl deutlich zu erkennen ist, das es sich um eine Pappfigur handelt.  Die Zeitungsarchive haben keine Rubrik für Nachrufe. Anscheinend ist in dem Ort niemand gestorben, obwohl ein offensichtlich totes Mädchen auch tagsüber als Geistererscheinung durch die Straßen wandelt.  Ein Blinder, der unter seltsamen nicht mehr zu erklärenden Umständen sein Augenlicht verloren hat, möchte von jedem Menschen, den er anspricht, geführt werden, auch wenn er impliziert den Weg zu kennen scheint.

Im Wasser eines kleinen Tümpels finden sich Spuren von Kleidern, wobei diese Niemandem gehören. Kinder werden immer nur mit Augenbinden zu diesem kleinen See geführt.

Tracy Knight fügt so viele seltsame und doch interessante Phänomene aneinander, dass die grundlegende Idee mit dem Außerirdischen ohne Anspielungen auf „E.T.“ fast verloren geht. Es ist interessant, dass am Ende der Autor aber auch für diesen Aspekt eine zufriedenstellende, angesichts der drohenden Klischees sogar überraschende Lösung parat hat. 

Am Ende dreht der Autor auch das Schicksal seiner Figuren.- Jeffrey steht vor einer schwierigen Entscheidung, nachdem er in dem kleinen Ort bei einer im Grunde perfekten wie hübschen potentiellen Stiefmutter Obdach gefunden  hat. Ben dagegen wird im Grunde plötzlich positiv gesprochen verwaltet.  Er hat auch durch die Freundschaft mit Jeffrey beginnend unter den schwierigsten Umständen eine Art inneren Frieden gefunden, der ein wenig hingebogen und fast vorweihnachtlich zuckersüß erscheint, sich aber in den teilweise exzentrischen Hintergrund dieser in sich selbst verliebten Geschichte einpasst.

Tracy Knight versucht die positiven Eigenschaften der Menschen, eine gewisse Lebensbejahung auch unter schwierigen Umständen in den Mittelpunkt seines Textes zu stellen.  „The Ashonished Eye“ lebt dadurch von den schnell vertraut werdenden Protagonisten und den einzelnen Situationen, die selbst den Ausgangspunkt der Handlung mit der Landung des UFOs in den Hintergrund bis zur Vergessenheit drängen. Das ist die Stärke des Autoren und mit seinem teilweise humorvollen, aber auch aus der Zeit gefallenen Erzählstil -  Nick Mamatas lässt grüßen – präsentiert sich der Kurzroman beginnend mit Philip Jose Farmers allerdings zu euphorischen Vorworts als ungewöhnliches, ein wenig provokantes, nachdenklich stimmendes Lesevergnügen, das so weit wie es geht von den typischen „First Contact“ Geschichten entfernt ist.      

 

The Astonished Eye
PS Publishing

156 Seiten

EDITION: eBook
ISBN: 978-1-848633-97-1