Dr. Who- Paradox Lost

George Mann

George Mann hat sich neben seiner in Deutschland beim Pieper veröffentlichten Steampunk Trilogie aufgrund der Mitarbeit an der „Warhammer“ Serie als eines der interessantesten britischen Talente der letzten Jahre etabliert.  Mit „Paradox lost“ liegt sein erster „Dr. Who“ Roman vor, der trotz einer ausgesprochen stringenten Handlung und einigen interessant pointierten Dialogen als begleitender Roman der Serie aber einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Und das liegt nicht nur daran, dass George Mann die Steampunk Ansätze – es wird in London des Jahres 1910 ein Maschinenmensch aus der Themse gefischt – nicht weiter extrapoliert, sondern vor allem weil er nur eine der zahlreichen, inzwischen die Neuauflage der „Dr. Who“ Serie dominierenden Zeitreisegeschichten mit einer außerirdischen Bedrohung der Erdbevölkerung – dieses Mal die Squall, die an eine genetisch modifizierte Abart der Borgs erinnern und ähnlich gestelzt kommunizieren – kombiniert hat.    

Zu Beginn wird die Tardis" im 28. Jahrhundert zur Erde gelenkt. Der Doctor mit seinen verheirateten Gefährten Amy und Rory findet wie schon angesprochen einen Maschinenmenschen, der aus der Themse geborgen worden ist. Anscheinend hat der Torso seit fast eintausend Jahren dort gelegen. Wie es sich für einen Cliffhanger der Fernsehserie gehört, wird der Doktor natürlich vor einer Bedrohung gewarnt, die - wie sich später herausstellt - aus einer anderen Quelle initiiert worden ist. Vordergründig soll der Doktor die Zeitexperimente von Gradius verhindern. In deren Labor finden sie die Forscherin ermordet und in einem Versteck eine Kopie des Maschinenmenschen, den sie gerade aus der Themse gefischt haben. Der Doktor beschließt, in das Ausgangsjahr 1910 zurück zu reisen, um nach der Quelle der potentiellen Bedrohung zu suchen. Er ahnt natürlich nicht, dass nicht die Vergangenheit die Zukunft bedroht, sondern die Zukunft droht, die eigene Vergangenheit zu verschlingen.

Wie schon angesprochen legt George Manns Roman auf den gut voneinander abgetrennten Handlungsebenen ein rasantes Tempo vor, dass der Fernsehvorlage entspricht. In der Serie ist das Tempo teilweise so hoch, dass insbesondere die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Zeitreise sowie den möglichen Paradoxen von Actionszenen förmlich erdrückt werden. Diese Jagd nach inhaltlicher Geschwindigkeit funktioniert in einem umfangreicheren Roman weniger gut. Zumal George Mann den sicheren, aber literarisch schlechtesten Weg geht, in dem der Doctor die berechtigten Fragen seiner Gefährten förmlich ignoriert und ihre Bedenken wegwischt. An dieser Stelle verschenkt der Autor unglaublich viel Potential und macht es sich als Autor mit dieser Vorgehensweise seltsam bis leider befremdlich einfach. Dabei werden alle Fakten von Rory angesprochen: die Bedrohung entsteht anscheinend in der Zukunft und wird in die Vergangenheit transportiert. Sie taucht drei Tage vor dem ersten Eintreffen des Doctors auf. In der Zukunft können sich die Gefährten selbst beobachten, wie sie - wie der Doctor in der Vergangenheit - vor den körperlich unterentwickelten Sqall fliehen. Die Tardis scheidet als Rettungsmöglichkeit aus, da sie selbst bei der Aktion vernichtet werden könnte, was gleichbedeutend mit dem Untergang des Universums ist. Es kommt nur eine Alternative in Frage: Gradius Zeitschiff, dass zumindest in einem der vielleicht auf Parallelwelten hindeutenden Handlungsarme bei der Materialisation in einer Wand stecken bleibt. Nur welche Sqall werden im überhasteten, ebenfalls rein cineastisch gestalteten Showdown vernichtet? Die Sqall der Zukunft oder die Sqall der Vergangenheit. Oder bedeutet die Vernichtung des Hive gleichzeitig ein Verschwinden aller Ableger? Es ist schade, dass George Mann auf diese einzelnen, aber relevanten Aspekte des Plots nicht weiter eingeht und sich mit einem allerdings gut beschriebenen Ideenfeuerwerk während des Showdowns verabschiedet.

Wie schon erwähnt wären viele dieser Szenen aber unnötig gewesen, wenn der Doctor nur ein einziges Mal Rory zugehöert hätte. Auf ihn hören wäre schon des Guten zu viel gewesen.

Unter vergleichbaren Plotschwächen hinsichtlich der Gesamtkonzeption haben auch seine "Steampunk" Romane gelitten, wobei aber bei dieser Trilogie die Vorbereitung des Showdowns sehr viel intensiver und nuancierter gewesen ist. Ignoriert der Leser diese markante Schwäche, die sich auch durch zahlreiche der Fernsehepisoden trotz oder gerade wegen der exzentrischen Hintergrundideen zieht, dann ist "Paradox Lost" in mehrfacher Hinsicht trotzdem eine interessante unterhaltsame Lektüre.

Das liegt in erster Linie daran, dass George Mann anscheinend ein Fan der Serie ist und möglichst viele Querverweise einbauen wollte. Er siedelte seine Geschichte unmittelbar vor der gewaltigen Sonneneruption an, die im 29. Jahrhundert weitreichende Spuren auf der Erde hinterlassen hat. Verschiedene Abenteuer haben diese Umweltkatastrophe schon vorher angesprochen. In der Vergangenheit findet der Doktor bei Professor Angelchrist Hilfe, dessen frühzeitliches Auto an John Pertwees bevorzugten Roadster Bessie erinnert. Auf der anderen Seite hat George Mann sich auch einen Bärendienst mit dem Professor Angelchrist Epilog erwiesen. Angelchrists Lieblingsbuch soll H.G. Wells "Kampf der Welten" gewesen sein, das er seit seinem Entstehen und dank einer Begegnung mit dem Autoren immer wieder gelesen hat. Wenn Angelchrist ein Wells Fan ist, dann hätte er bei der ersten Begegnung mit dem Doktor, seinen Gefährten und den Fremden auch umgehend an Wells "Die Zeitmaschine" denken müssen, da der Doktor in Angelchrists Arbeitszimmer aus verschiedenen herumliegenden Teilen zweimal die rettenden Maschinen zusammenbaut und mehrfach den Eindruck hinterlässt, auch über die Zukunft bescheid zu wissen. Weitere Hinweise auf diverse Konfrontationen mit Außerirdischen sowohl aus der alten wie auch der neuen Serie sind dezent, aber sehr viel effektiver über den ganzen Roman verstreut.

George Mann ist ein Londonfan, wie aus seinen verschiedenen Werken überdeutlich hervorgeht. Während er in seiner Steampunk Trilogie mehr als eine Schneise der Verwüstung in der britischen Haupstadt hinterlassen hat und sich zusätzlich in diesen Büchern ein wenig an den Sherlock Holmes Abenteuern orientierte, wirken seine Beschreibungen der britischen Hauptstadt inklusiv der zahllosen Anspielungen auf die britischen Marotten im vorliegenden "Doctor Who" Roman deutlich dezenter, aber nicht weniger effektiv. Nur schade ist, dass die britische Zivilbevölkerung vor allem des 20. Jahrhunderts dank der unheimlichen Eindringlinge quasi aus den relevanten Vierteln vertrieben worden ist. Da der Autor wenig von der britischen Polizei im Vergleich zu den zivilen Ermittlern hält, verzichtet George Mann auf störende Ordnungskräfte, was diese Menschen leeren Straßen allerdings unwahrscheinlich erscheinen lässt. Ebenfalls schade ist, dass George Mann keine echten Steampunkelemente in die Handlung integriert hat. Vergleicht man diesen Roman mit den Arbeiten eines Stephen Baxters oder Michael Moorcocks, dann fällt insbesondere der Hintergrund der Geschichte im Vergleich zur soliden, aber zu bodenständigen Charakterisierung der handelnden Personen deutlich ab.

George Mann gibt sich Mühe, die einzelnen Figuren sehr gut zu zeichnen. Viele Kritiker haben Professor Angelchrist als einen Vorläufer der UNIT Mitglieder gesehen. Viel eher erinnert er an eine frühe Professor Quatermass Inkarnation, die Nigel Kneale in den BBC Fernsehspielen so exzentrisch britisch charakterisiert hat. Das Geschenk des Doctors - eine zweite Zeitanomalie, da neben den Gefährten jetzt auch der Maschinenmensch zumindest einen längeren Zeitraum zweimal in der gleichen Stadt zur gleichen Zeit existiert - im Epilog wirkt allerdings ein wenig zu kitschig, während Angelchrist als tapferer überforderter Wissenschaftler ein sehr guter Kommentator des Geschehens ist. Das Zusammenspiel zwischen dem natürlich dominierenden, aber im Grunde planlos improvisierenden Doctor und dem eher ruhigen Wissenschaftler funktioniert nicht nur gut, es ist unterhaltsam zu lesen. In der Zukunft mit Zielpunkt Vergangenheit sind auch Amy und Rory gut gezeichnet, wobei die Mischung aus Intellekt und Kraft teilweise klischeehaft erscheint und die Fans der Serie nicht immer lesen möchten, dass Rory sich immer noch wundert, warum ihn seine Frau geheiratet hat. Auf der anderen Seite fühlt sich insbesondere Rory für seine Handlungen verantwortlich und leidet so lange, bis der Doctor den metaphorisch gemeint Tag rettet. Die Zeichnung der nicht selbst entwickelten Charaktere der zweiten Reihe ist ausgesprochen gut und Mann hat sich schon in seinen ersten serienunabhängigen Romanen als Meister des pointierten und hintergründigen Dialogs erwiesen. In dieser Hinsicht hat er in "Paradox Lost" überzeugend viele starke Szenen, welche die Handlung niemals vorantreiben, den Leser aber hintergründig und an keiner Stelle wirklich billig amüsieren. Alleine enttäuschend sind allerdings die Sqall, die in den vielen Jahren nichts gelernt haben und wie Lemminge auf einen der ältesten Tricks der Welt hereinfallen. Mit etwas mehr Mühe und einigen Ideen hätte George Mann wirklich überzeugende Antagonisten beschreiben können, die dem Doctor mehr als einige Minuten in fremden Arbeitszimmern Schwierigkeiten gemacht hätten.

Zusammengefasst ist "Parodox Lost" eine unterhaltsame Zeitreisegeschichte, die allerdings weniger mit einem überzeugenden roten Faden gestrickt worden ist, sondern aufs Tempo drückt. Damit könnten im Fernsehen viele Schwächen übermalt werden, im Buch funktioniert das weniger gut, so dass der Leser die gleichen berechtigten Fragen stellt wie Rory und sehnsüchtig auf die nicht kommenden Antworten wartet.

 

  • Taschenbuch: 256 Seiten

  • Verlag: BBC Books (7. November 2013)

  • Sprache: Englisch

  • ISBN-10: 1849907935

  • ISBN-13: 978-1849907934