Sylvej

Axel Kruse

„Sylvej“ ist eine direkte Fortsetzung zu „Kirkasant“ und dient mindestens als Mittelband einer Trilogie. Der vermutlich die Abenteuer Sam Kors  abschließende Roman „Derolia“ ist inzwischen verfasst worden und harrt der Veröffentlichung.

 Neben einigen einleitenden Worten Karlheinz Steinmüllers fasst Axel Kruse einige seiner Gedanken zu dieser Serie im Nachwort zusammen. Dabei geht er auch auf die Kurzgeschichte „Monster“ ein, die überarbeitet ein Kapitel dieses Romans bildet. Darin werden die Abenteuer Simon Piggots auf einer primitiven Welt inklusiv der Rettung den jungen Hams beschrieben. Axel Kruse zitiert aus einer Rezension des früh verstorbenen SF- Dinosauriers, in welcher er nicht nur den Finger in die Wunden von „Monster“ legt, sondern auch die Stärken und Schwächen „Sylvejs“ treffend zusammenfasst. Auch wenn Axel Kruse die Kurzgeschichte überarbeitet hat, sie ist eher provisorisch in den Handlungsverlauf eingebaut worden. Sam Kors ist mit einer Handvoll Getreuer gerade einem barbarischen Sklavenlager entkommen. In der Nacht ums Lagerfeuer wird die Geschichte der Begegnung zwischen dem Raumfahrer Piggot und einer primitiven, feudalistisch mittelalterlichen Welt beschrieben. Keine neue Idee, keine wirklich überraschende Wendung, aber unterhaltsam geschrieben. Mit diesem viel zu langen Einschub bringt Axel Kruse positiv die Geschichte auf eine komprimierte Romanlänge. Negativ dagegen stoppt er die bis dahin vertraute, aber auch sehr temporeich verlaufende Handlung, ohne das wirklich Sam Sors neue Informationen gegeben werden.

 Axel Kruse spricht davon, irgendwann die immer wieder genutzte Nebenfigur Ham mehr in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen Gelegenheiten hätten sich schon zu Hauf in „Sylvej“ ergeben.

 Samuel Kors ist mit brisanter lebender Fracht in letzter Sekunde am Ende von „Kirakasant“ entkommen. Sein Weg führt ihn aus mehreren Gründen in das Derolianische Reich. Sylvej ist nicht nur der Sitz des Vizekönigs, es ist auch eine opportune Welt. Zwischen der faschistischen und aggressiven Erde sowie dem Reich Derolia herrscht ein schwelender Konflikt. Passend zu seinem Eintreffen flammt diese Konfrontation direkt in dem Sonnensystem auf. Irdische Raumschiffe stehen vor den Planeten und der Vizekönig scheint sein eigenes perfides Spiel auszufechten. Hinzu kommt, dass Samuel Kors trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Rückkehr einer möglichen entfernten Thornerbin und ihres noch ungeborenen Kindes zumindest eine Seite zu einem schnelleren Handeln zwingen könnte.

 Das Plot ist wie angesprochen sehr stringent. Eine rasante Abfolge von potentiell tödlichen Fallen, die isoliert voneinander betrachtet alle nicht neu sind. Neben dem Gefangenenlager und der Sklavenarbeit, die aus unterschiedlichen Gründen nach einer gewissen Zeit tödlich ist, die Flucht in unwegsames Gelände mit dem Sumpf, schließlich die Gefangennahme durch Seeleute dank ihres unvorsichtigen Verhaltens und schließlich die finale Befreiung in letzter Minute vor der Galgen. Axel Kruse erzählt konzentriert, fokussiert. Seine einzelnen Sequenzen sind spannend und intensiv, aber als Ganzes betrachtet weder wirklich originell noch innovativ. Wahrscheinlich ist es dieses aus Äonen von Abenteuerbüchern vertraute Gefühl, in der Hand eines guten Erzählers den Ereignissen aus einer Distanz folgen zu können. Das Vertrautsein mit dem literarischen Partnern.

 Axel Kruse präsentiert keine literarischen Experimente oder ganz besonders originelle Momente. Ihm geht es darum, ein abenteuerliches Garn flott zu erzählen und seine Protagonisten in eine gute Ausgangsposition für den in dieser Hinsicht hoffentlich interessanteren Abschlussband zu bringen.

 Zu den weiteren Stärken des Autoren gehört ein sehr ambivalenter Stil. Die Beschreibungen sind sachlich, konzentriert und trotzdem ein wenig exotisch. Das Flair der Pulpära zieht sich durch die ganze Geschichte. Dagegen sind die Dialoge vor allem in den intensiveren Abschnitten des Buches doppeldeutig, pointiert und teilweise voller Selbstironie. Besonders Sam Kors weiß immer wieder, dass er sich ohne Not in extreme Schwierigkeiten gebracht hat. Ohne das übertriebene Machogehabe ist er allerdings auch eine Art Held wider Willen, der bis auf die extrem körperliche Auseinandersetzung – hier wird ihm eine der interessantesten und ausbaufähigen Nebenfiguren elegant an die Seite gestellt – seinen Ehrenmann steht. Nicht selten lockert ein flotter, aber nicht alberner Spruch die vertraute Szene auf und zeigt dem Leser, das Axel Kruse auch aus den bekannten Bahnen ausbrechen kann.

 Am Ende lernt der Leser zusammen mit dem schockierten Sam Kors noch die Brutalität dieser feudalistischen Kultur kennen. Es ist eine dunkle Szene, mit welcher die eigentliche Geschichte abgeschlossen wird. Sie passt eher in ein archaisch mittelalterliches Sword & Sorcery Szenario, auch wenn keine entsprechenden Waffen, sondern moderne Strahler zum Einsatz kommen. Diese Szene kommt im Grunde zu spät. Andere Autoren wie Farmer oder Jack Vance haben unterwegs dem Leser ein wenig vertraute und doch exotische Welten mit ihren kulturellen Eigenheiten erschaffen, vor deren Hintergrund sich nicht selten aus bekannten Versatzstücke bestehende Dramen abgespielt haben. Die Konzentration der Geschichte geht zu Lasten dieser Extrapolationen, so dass Sylvej als Welt ein wenig zu karg daherkommt. Vor allem, weil Sam Kors durch seine Beobachtungen hinsichtlich der Evolution des Lebens den gemeinsamen Wurzeln verschiedener Welten passiv auf die Spur kommt. Es bleibt abzuwarten, ob Axel Kruse diesen Faden im folgenden Roman wieder aufnimmt.

 Ansätze sind ausreichend vorhanden, aber Sylvej bleibt dem Leser irgendwie fremd. Anstatt das Füllkapitel „Monster“ derartig umfangreich zu gestalten – ein Rückblick mit Dialogen wirkt immer wie ein Füllsel – hätte sich Axel Kruse mehr auf seine Welt konzentrieren können. Ausführlichere Beschreibungen, vielleicht nicht derartig hektische Brüche in der Handlung und ein wenig mehr Muse ohne das grundlegende Tempo zu verringern.

 An einigen anderen Stellen merkt der Leser aber auch, dass Axel Kruse sich dieses Mal als ein sehr bequemer Autor erweist. Es kommt zu Wiederholungen hinsichtlich der einzelnen gefährlichen Situationen. Dieser werden dann überraschend durch Rettung von außen oder eine Befreiung dank der Naivität der Wächter aufgelöst. Alleine aber die Tatsache, mit welcher sprichwörtlicher Dummheit sich Sam Kors und die Seinen in diese Situationen begeben – alleine die Sequenz im Wirtshaus mit den Glühsteinen sei stellvertretend erwähnt – entwertet diese Abschnitte noch mehr. Spannungstechnisch hätte der Autor aus diesen Situationen entweder mehr machen können oder vor allem müssen. Oder er wäre den anderen selbstironischen Weg gegangen, in dem er die Reaktionen seiner Helden weiter überzeichnet hätte. Mit dieser Auflockerung wären die manchmal ein wenig stereotype Vertrautheit der Szenen entschärft und der Leser folgerichtig abgelenkt worden.

 Auch ohne diesen selbstironischen Hang liest sich „Sylvey“ nicht einmal negativ gesehen flott auf dem Niveau der alten „Terra Astra“ oder „Zauberkreis“ Abenteuer.  Axel Kruses Erzählstil ist unauffällig unterhaltsam. Wie eingangs erwähnt sind die Protagonisten durchaus sympathisch mit nur wenigen Ecken und Kanten, aber ausbaufähig. Antagonisten erscheinen eher schematisch pragmatisch gestaltet. Hier agiert der Autor viel zu oberflächlich und nimmt einigen solide geschriebenen Actionszenen die innere Dramatik, das durchaus vorhandene Konfliktpotential.

 Im Vergleich aber zu einigen anderen Axel Kruse Geschichten oder im direkten Vergleich zum Beispiel zu Matthias Falkes „Der Terraformer“, die ein vergleichbares Pulp Konzept deutlich origineller und flotter präsentieren, wirkt „Sylvej“ eher wie eine notwendige Brücke, um erst mit dem nächsten Band den roten Faden wieder nachhaltig aufzunehmen oder abzuschließen. Bis dahin verbringt man einen kurzweiligen Nachmittag mit der Geschichte, aber wie bei Fast Food leider auch nicht mehr.

 

    • Taschenbuch: 166 Seiten
    • Verlag: Atlantis Verlag (20. Oktober 2018)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10: 3864026385
    • ISBN-13: 978-3864026386

Sylvej