Die Herren des Krieges

Gerard Klein

Gerard Kleins „Die Herren des Krieges“ ist zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung in Frankreich 1980 als einer der wenigen nicht deutschen oder angloamerikanischen Bände im Rahmen der Terra Taschenbücher erschienen.

Es handelt sich um ein ausgesprochen komplexes Werk, das auch hinsichtlich der verschiedenen Vor- und Rückgriffen in der Zeit, einer möglichen herrschenden Rasse von Überwesen und einem menschelnden Helden an einige der besseren Patch Up Werke Alfred van Vogts außerhalb der bekannten Zyklen und Miniserien erinnert.

Interessant ist, dass Gerard Klein klassischen amerikanische Science Fiction Themen verfremdete und mit diesem nicht unbedingt einfach strukturierten Band eine Art Gegenbewegung zum New Wave initiieren wollte. Dabei spielen bedingt auch einige evolutionäre Themen des New Wave eine Rolle, aber sie gehören zu den schwächsten Passagen des ganzen Buches, da Klein zu viele Probleme aufwerfen, aber nicht lösen wollte. Das Ende dagegen erscheint wie ein klassischer Dick, in welchem der Überprotagonist im Grunde nur an der ihm gestellten Aufgabe trotz eines Erfolges in einem Universum oft in Parallelwelten scheitern muss. Aber es ist auch nicht wichtig, die Herausforderung zu lösen, sondern sich der Aufgabe überhaupt zu stellen.

Die Geschichte beginnt und im Grunde endet auch auf dem Planeten Uria. George Corson ist ein Soldat im Grunde auf einer Selbstmordmission. Die Menschen befinden sich in einem Vernichtungskrieg mit Uria. Auf dem Planeten soll die ultimative Waffe ausgesetzt werden. Eine Art Monster, das sich nicht nur unglaublich schnell vermehrt und deswegen nach kurzer Zeit jeden Planeten überrennt, sondern das neben der Aggressivität einige Sekunden in einer Gefahrensituation in die Zukunft springen kann, um sich zu schützen. Dabei kann es auch einen Menschen mit sich tragen.

Es ist eine Selbstmordmission, weil derartige biologische Waffen anscheinend vor einem ambivalent beschriebenen, im Laufe der Handlung aber vergessenen Sternengerichtshof geächtet worden sind. Alle Spuren, dass Menschen das Monster auf die Welt gebracht haben, müssen vernichtet werden. Beim Absturz seines Raumschiffs über Uria sind bis auf Corson alle Menschen ums Leben gekommen und der würde sich am liebsten auch spurlos entsorgen. Nur gibt es keine Schlucht, in welche er sich stürzen kann.

Auch wenn die Ausgangslage an eine Reihe von Military Science Fiction Bücher vor allem nach amerikanischen Vorbildern erinnert, gibt es auch Abweichungen. Die Selbstmordmission entspricht nicht unbedingt dem heroischen Charakter amerikanischer Helden und Corson findet sich auch fatalistisch damit ab. Die biologische Allzweckwaffe wird vielleicht ein wenig rudimentär beschrieben, erfüllt aber als eine Art MacGuffin durchaus seinen Zweck.

Nach den ersten Seiten wird die Handlung aber surrealistischer. Corson wird quasi aus dem Nichts heraus in eine utopische Zukunft gerissen, wo Menschen und Urianer friedlich zusammenleben. Es ist ein sozialistisches Paradies direkt aus der Feder einiger New Wave Autoren, in welcher es Geld in Hülle und Fülle gibt, aber nicht die Möglichkeit, für dieses zu arbeiten. Corson lernt nicht nur eine hübsche Frau kennen und lieben, er trifft unter anderem auf ehemalige Kameraden einer anderen Einheit, die anscheinend direkt aus ihrem Konflikt herausgerissen worden sind.

Corson hat immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er nicht weiß, ob in dieser fernen Zukunft sich jemand an seine Mission erinnert. Bei seinen Reisen lernt er die Urianer nicht nur kennen, er gewöhnt sich an eine Friedliche Zukunft.

Kaum hat Gerard Klein dieses Szenario etabliert, dreht er den Spieß ein weiteres Mal um. Corson wird von den ominösen Herren des Krieges auserwählt, ein wichtiger Baustein in einem komplexen, an einigen Stellen eher komplizierten Plan zu sein, den Krieg als solches generell zu „besiegen“.

Gerard Klein schickt seinen geläuterten Protagonisten durch unterschiedliche Zeiten, wobei die Spannen im Grunde ambivalent sind. Am Ende nimmt er eine Idee aus Robert A. Heinleins berühmter Kurzgeschichte „All you Zombies…“ wieder auf, in welcher der zeitreisende Protagonist im Grunde zu seinem eigenen Führer wird und jede Handlung eine entsprechende Reaktion von potentiellen Alter Egos hervorruft. Am Ende beginnt Corson nicht nur seine Pläne und Aktionen, sondern die eigene Existenz zu hinterfragen. Allerdings endet der Roman in dieser Hinsicht leider auf einer viel zu offenen Note.

Interessant ist, das mit der Humanisierung Corsons Gerard Klein einen entsprechend notwendigen Antagonisten in Person den Söldneranführer Veran etabliert.  Aber auch hier baut der Autor eine Reihe von Schwächen bis zu einem melancholischen Hang zur Selbstzerstörung ein. Es ist kein Zufall, dass Veran am Ende des Buches nicht unbedingt besiegt, sondern eher eingenordet werden muss.

Auf der Reise durch die Zeiten finden sich aber auch aus anderen Werken bekannte Ideen. Der Kriegsplanet Aergistal – anstatt eine Variation von Uria zu nehmen, wird die Reise durch den Raum eher dürftig erläutert – betrieben von den im Titel angesprochen Herren des Krieges ist ein Spielfeld, auf dem die Soldaten immer wieder kämpfen, sterben und wieder erweckt werden. Auf den einzelnen an Schachbretter erinnernden Schlachtfelder werden unterschiedlichste Kriege ausgefochten, wobei sich die Soldaten des ewigen Kreislaufs durchaus bewusst sind. Gerard Klein übertreibt abschließend ein wenig, wenn es selbst eine Ebene für Raumschlachten gibt.

Auch wenn Klein Corson weder als Aggressor noch als im Verlaufe der Handlung Pazifisten mit der Idee, das ein allumfassender, aber auch streng kontrollierter Frieden eine Art Heilmittel ist, beschreibt, wirkt die Charakterisierung teilweise eindimensional bis pragmatisch. Das wirkt sich vor allem in den wenigen emotionalen Passagen negativ auf und selbst die Liebesgeschichte mit der wie eine Chiffre erscheinenden Frau aus der Zukunft ist klischeehaft. Im Grunde dienen Frauen nur als willige Objekte oder notfalls als Gesprächspartner, um Corson mit Informationen zu versorgen und seinen Monologen zu lauschen. Dadurch gehen einige wichtige Aspekte der Geschichte verloren.     

Diese Eindimensionalität wirkt sich auch auf Kleins berechtigte Kritik nicht nur an der militärischen Science Fiction, sondern indirekt dem damaligen Sendungsbewusstsein der Amerikaner aus. Viele Punkte werden angesprochen und kurz skizziert, im Laufe der immer konfuser werdenden Handlung dann aber zur Seite geschoben. Klein verzichtet zu Gunsten des hohen Tempos auf hintergründige Erklärungen und steht sich vor allem in Bezug auf das ambivalente, aber leider nicht ambitionierte Ende selbst im Weg.

Corson denkt auch nur bedingt über die Folgen seiner Zeitreisen nach. Immerhin hätte Uria nach sechs Monaten von der von ihm ausgesetzten Bestie entvölkert worden sein. Ein Ereignis, das in der fernen Zukunft eigentlich kein schlechtes Gewissen hervorrufen sollte, da der Planet ein blühendes Paradies ist und anscheinend entweder etwas schief gegangen ist oder der Plan nicht funktionierte. Stattdessen schleppt der Autor immer wieder Corsons schlechtes Gewissen mit sich herum und übertüncht damit eine Reihe von strukturellen Problemen seiner Zeitreisegeschichte.    

Das zeigt sich auch während des mehrfach angesprochenen Endes, in dem die Konfrontation mit Veran als greifbarer verlängerter Arm der Herren des Kriegs zwar abgeschlossen, aber im Grunde keine der hintergründigen Fragen beantwortet wird. Alleine die Idee einer Zeitschleife stellt für Klein eine Möglichkeit da, den Handlungsverlauf bemüht abzuschließen. Auch van Vogt litt vor allem in den aus seinen Kurzgeschichten zusammengestellten Romanen unter dem gleichen Problem, das anfängliche Feuerwerk an Ideen zu ordnen und koordiniert abzuschließen.

„Herren des Krieges“ ist trotz der eindimensionalen Charakterisierung und der abschließend nicht zufriedenstellenden Handlungsführung ein ungewöhnlicherer Beitrag zu den „Terra“ Taschenbücher. Gerard Klein ist für sein ambitioniertes, theoretisches Konzept zu loben, in dessen Entwicklung der Franzose eine Reihe von Klischees elegant umschifft, aber nicht ganz hinter sich lassen kann.    


Moewig Terra Tb. Nr.: 330 - Klein, Gerard: Die Herren des Krieges Z(1-2)

Terra Taschenbuch 331

Pabel Verlag

160 Seiten