Forever Magazine 65

Neil Clarke (Hrsg.)

Auch das Juni Vorwort wird von Covid 19 dominiert. Neil Clarke beschreibt die Teilnahme an Online Cons und die alltägliche Arbeit. Viele der Anmerkungen betreffen allerdings eher das Schwestermagazin „ Clarkesworld“ als das Nachdruckebook „Forever“. 

Im Mittelpunkt der Ausgabe steht Harry Turtledoves "Audubon in Atlantis". Sie erschien 2005im „Analog“ Magazin. Sie wurde inzwischen mehrfach auch in Year´s Best und „Atlantis and Other Places“ nachgedruckt. Es ist die erste Geschichte um John James Audubon, der auf dem Miniaturkontinent Atlantis in dieser Parallelweltgeschichte nach einer seltenen Tiergattung sucht. Später hat Harry Turtledove mit „Opening Atlantis“ einen Roman geschrieben, der vor insgesamt zwei Kurzgeschichten bzw. Novellen spielt.

Atlantis ist eine Insel vor der Küste Amerikas. Im Grunde eine Art ökologische Nische, auf der sich Flora und Fauna vor allem erhalten haben, die sowohl in den USA als auch auf dem europäischen Kontinent ausgestorben sind. Vom Zeitraum her könnte die Geschichte eher Anfang des 20. Jahrhunderts als in der Gegenwart spielen, denn die Protagonisten reisen mit einem Raddampfer an.

Aber auch Atlantis sind die einzelnen Tierrassen vom Vordringen des Menschen und dem Raubbau an Bodenschätzen bedroht. Audobon ist dadurch weniger ein Forscher, sondern im Grunde ein Bewahrer einer zum Untergang verurteilten ökologischen Nische. Dabei reicht das Spektrum nicht nur vom angesprochenen Abbau der Bodenschätze zur Besiedelung der Insel, sondern Hunde, Katzen oder Ratten finden einen natürlichen Vermehrungsraum

Der Leser folgt dem kaum vorhandenen Plot immer auf Augenhöhe Audobons und seines Begleiters. Die Figuren sind eher eindimensional gezeichnet und vor allem agieren mit einer fast ermüdenden Geschwindigkeit. Natürlich ist Reisen in diesem fiktiven späten 19. Oder frühen 20. Jahrhunderts von anderen Aspekten geprägt, aber angesichts der Länge der Novelle entwickelt Harry Turtledove die Geschichte zu langsam und zu schwerfällig.

Weiterhin wirkt die Geschichte wie der Auftakt eines ganzen Zyklus von Romanen und Kurzgeschichten. Da es noch eine Prequel gegeben hat, ist das nicht abschließend der Fall. Aber diesen Roman hat Turtledove erst später geschrieben. Historisch bemüht sich der Autor, sein Atlantis in die dem Leser bekannte Geschichte zu pressen und nur eine Abweichung zu ermöglichen. Da Atlantis aber anscheinend seit Jahrhunderten als Insel vorhanden ist, haben sich andere politische Konstellationen ergeben. Diese werden angerissen, aber nicht weiter entwickelt. Dadurch wirkt die Novelle unabhängig von Turtledove sehr gleichbleibenden, fast schwerfälligen Erzählstil und dem Versuch, Stimmungen zu erzeugen, aber die Spannungskurve zu minimieren sowie den Text fast wie eine Sachbeschreibung einer Expedition erscheinen zu lassen, lektüretechnisch ermüdend.

Turtledove verschenkt aufgrund seiner Vorgehensweise extrem viel Potential.  

Zwei Kurzgeschichten schließen sich an. Beide stammen aus Anthologie, die Jonathan Strahan publiziert hat. In "Weather Girl" von E. J. Swift benutzt Lia Hurricanes gegen die Feinde der Amerikaner, in dem sie Wetteraufzeichnungen und Satellitenbilder fälscht, um die Angreifer im Argen hinsichtlich der richtigen Bewegungen von Stürmen zu lassen. Immerhin kostet diese Art von Kriegsführungen neben den Billionen von Schäden auch unzählige Menschenleben und die Art, wie Lia die Bilder manipuliert, kann man auch von einem aktiv betriebenen Krieg sprechen. Ob es sich um ein gezieltes Kriegsverbrechen handelt, wird nicht klar herausgearbeitet. Aber die Pointe impliziert, dass es eher zur Selbstverteidigung genutzt wird, was an keiner Stelle der Fall ist. 

Zwei Geschichten werden miteinander verbunden. Lia erzählt über ihre ersten Schritte und vor allem ihre Vorgehensweise. Hinzu kommt Nicholas Geschichte, welcher ihr lange vermisster Liebhaber ist. Nicholas hat sie  verlassen. Über diese Trennung ist sie nicht weggekommen, wobei er ihr immer wieder Bilder von den Orten schickt, an denen er sich aufhält. Er hat anscheinend ein schlechtes Gewissen, wobei das oberflächlich herausgearbeitet worden ist. Beide scheinen noch Gefühle füreinander zu haben, aber den Weg, den sie geht, um ihm zu helfen, wirkt konbstruiert.  

Am Ende präsentiert der Autor eine Art Pyrrhussieg. Lia "siegt" für ihr Land, muss aber das wichtigste Elemente in ihrem Leben gehen lassen. Nicholas dagegen erkennt, welchen Job seine Freundin hatte und hat. Er gibt sich dadurch quasi auf. Auf der emotionalen Ebene versucht der Autor durch Lias Träume dem Leser einen besseren Zugang zu ihrer empfindlichen Seite zu geben, es wirkt allerdings nicht gänzlich überzeugend, weil E.J. Swift keinen Schurken als Protagonisten stehen lassen möchte. 

"Travelling into Nothing" von An Owomoyela ist einer dieser Science Fiction Kurzgeschichten, welche jeglichen wissenschaftlichen Hintergrund ignoriert. Auf dieser Art und Weise lässt sich nicht überzeugend ein Raumschiff bauen. Die Protagonistin Kiu Alee ist zum Tode verurteilt. Ihr Hintergrund ist eher vage entwickelt. Sie übernimmt allerdings im Gegenzug einer Begnadigung einer besondere Mission in den Tiefen des Alls.

Zwei Probleme helfen nicht dabei, die Geschichte unterhaltsam zu finden. Kiu Alee ist charakterlich eine schwierige, uneinsichtige Persönlichkeit. In dieser emotional schwierigen Situation soll sie auf einer Art Selbstmission ein Raumschiff steuern und eine wichtige Mission erfüllen. Sie hat keinen Ort, an den sie zurückkehren kann, sie hat aber auch keine Zukunft auf der zu besuchenden Welt. Im Laufe der Geschichte wächst sie als Persönlichkeit und der Leser kann sie besser einschätzen. Aber es wird sehr viel Geduld vom Betrachter verlangt. 

Die Auflösung der Geschichte ist ambitioniert, aber nicht gänzlich zufriedenstellend. Anscheinend ist die Reise wichtiger gewesen als die Ankunft bzw. die Erfüllung des Auftrages. Das wirkt bemüht und abschließend auch konstruiert. Es sind die ersten Szenen, in denen die Kurzgeschichte aus der Masse herausragt und das Interesse der Leser weckt.

Zusammengefasst überzeugt die Juni „Forever“ Ausgabe nur bedingt. Die Kurzgeschichten bieten allerdings die bessere Unterhaltung, während die Novelle zu viel Potential für einen derartig routinierten Autoren zu einfach  wegwirft. 

 

Forever Magazine Issue 65 cover - click to view full size

E Book, 112 Seiten

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