Kara Ben Nemsi Band 13: Die Reise zum Toten Meer

Ralph G. Kretschmann

Mit „Die Reise zum Toten Meer“ beginnt eine neue „Kara Ben Nemsi“ Trilogie. Ralph G. Kretschmann ist nicht nur für die Titelbilder und die Gestaltung des Innenteils zuständig, er hat auch die Geschichte verfasst.

Gleich zu Beginn besucht Kara Ben Nemsi zusammen mit seinem treuen Diener Hadschi Halef Omar Heinrich Schliemann, der in der Türkei nach Troja sucht.  Hier stellt sich der Erzähler ganz bewusst als Karl May vor, während Kara Ben Nemsi/ Old Shatterhand zum Beispiel in der Parallelreihe „Im Welden Westen Nordamerikas“ den Namen Karl May vermeidet wie der Teufel das Weihwasser.

Angesichts einiger Längen im Mittelteil des Buches hätte die Begegnung mit Schliemann und dessen Arbeiten durchaus umfangreicher ausfallen können.

Aber Ralph Kretschmann führt einen weiteren Protagonisten ein. Samuel Clemens alias Mark Twain. Der berühmte Schriftsteller befindet sich ebenfalls in der Türkei, weil er dort vor Ort ein Medikament für seine schwerkranke Frau abholen möchte. Aber die türkischen Behörden vertrösten ihn immer wieder.

Samuel Clemens und „Karl May“ zollen sich auf den folgenden Seiten gegenseitig Respekt, wobei vor allem Karl May den berühmten Mark Twain gelesen, während Clemens eher von den Legenden um Old Shatterhand und natürlich Winnetou gehört hat.

Mark Twains Reisebericht „Bummel durch Europa“  aus dem Jahr 1880 kannte Karl May anscheinend nicht, denn der Amerikaner bereiste mit seiner Familie und seinen Freunden vor allem Süddeutschland, die Schweiz, Italien und Frankreich, aber nicht Südosteuropa oder wie hier impliziert das vordere Asien.  Passend wäre es, das Abenteuer um 13 Jahre nach vorne zu verlegen. Im Jahre 1867 besucht Mark Twain Europa und den Nahen Osten allerdings per Schiff.  Schliemann begann erst 1871 mit der Suche nach Troja, nachdem er ausgerechnet in Russland und dem kalifornischen Goldrausch ein Vermögen gemacht hat.

Auch bei der Einführung Samuel Clemens wird entsprechendes Potential verschenkt. Zwar greift der Amerikaner am Ende noch einmal aktiv in das Geschehen ein und rettet sogar Old Shatterhand das Leben, aber das intellektuelle Zwiegespräch zwischen den beiden Reiseschriftstellern entweder mit Sendungsbewusstsein oder dem humorvollen Schalk im Nacken versandet ebenfalls nach wenigen Seiten in Belanglosigkeiten.

Da Clemens auf dieser fiktiven Reise mindestens zwei Wochen „tot“ schlagen muss, entschließen sich Kara Ben Nemsi und Samuel Clemens, am Toten Meer nach einer anderen legendären im Sand versunkenen Stadt zu suchen. Auch dies wirkt ein wenig bemüht, denn erstens ist angesichts der Entfernung schwer abzusehen, ob man rechtzeitig wieder in der Türkei ist und zweitens wird die Idee, nach Vorderasien zu reisen, um ein seltenes Medikament wieder in die USA zur Rettung der eigenen Frau zu bringen, nach dem entschlossenen Aufbruch kaum noch Aufmerksamkeit geschenkt. Nur im Epilog wird Samuel Clemens aus Dankbarkeit großzügig eine Hand gereicht.

Die Handlung besteht vor allem aus der Reise zu dieser geheimnisvollen sagen umwobenen Stadt mit den typischen üblichen Herausforderungen. Die kleine Gruppe weckt die Aufmerksamkeit von einer Diebesbande, die anscheinend wertvolle Antiquitäten stehlen und im Ausland verkaufen. Allerdings gibt es eine Art Hintertürdeal, der Kara Ben Nemsi wahrscheinlich in den nächsten Bänden beschäftigen wird.

Wechselnde Fronten inklusiv des Anschleichens und beschatten nehmen einen breiten Raum an. Das Tempo zieht merklich an und vor allem arbeitet Ralph Kretschmann die verschiedenen Motive der Verbrecher überzeugend heraus.

Zwischen den einzelnen Actionsequenzen etabliert der Autor die Möglichkeit, dass ein Verräter in den eigenen Reihen steht. Im Gegensatz allerdings zu Karl May nutzt er dieses Klischee nicht aus und präsentiert eine weitere überraschende Wendung dieses von internationalen Protagonisten gespickten Abenteuers. Allerdings muss Ralph Kretschmann seine Leser auch ein wenig manipulieren, da der potentielle Verräter sich erst auffällig, aber rückblickend auch erklärbar verhalten muss, um dann in letzter Sekunde quasi sein wahres Gesicht zu zeigen.

Weiterhin positiv ist, dass Kara Ben Nemsi mit seinen wenigen Getreuen die Verbrecher nicht in der erwarteten Form zur Strecke bringen kann, sondern allerhöchstens einen Pyrrhussieg erringt.  Natürlich ist er nicht selbst Schuld, sondern Hadschi Halef Omar, aber Ralph Kretschmann unterstreicht noch einmal nachhaltig, dass ihre Gegner nicht aus Pappmasche bestehen und proaktiv in der Lage sind, ihre Positionen mit aller Rücksichtslosigkeit mindestens zu festigen, wenn nicht sogar auszubauen.

Ralph Kretschmann verzichtet den ganzen Roman betrachtend auf ausführliche Hintergrundinformationen, Diese fließen fast ein wenig spärlich, Während andere Karl May Hommages aus teilweise seitenlangen Beschreibungen von Land und Leuten bestehen, die Thomas Ostwald nicht belehrend, aber informierend auf die Spitze getrieben hat, reduziert der Autor die nicht den Plot treibenden Informationen auf das Wesentliche und lässt den Auftaktband dieser Trilogie dynamischer erscheinen.     

 Nach der Lektüre des ersten Bandes ist schwer, schon ein Urteil zu fällen. Wie angedeutet wirkt die ein wenig freie Nutzung von historischen Persönlichkeiten zu oberflächlich und zu sprunghaft.  Der grundlegende Plot – aus einer Erkundungsreise wird wieder ein Kampf gegen Unrecht und Unterdrückung – ist solide strukturiert und bietet vor einem von Karl May nicht genutzten Hintergrund weiteres Potential.

Die Zeichnung der Hauptfiguren ist zufriedenstellend bis gut. Vor allem drängt sich Kara Ben Nemsi nicht immer wieder in der Vordergrund, sondern legt auf Teamwork Wert.  Ralph Kretschmann nimmt sich aber auch sehr viel Zeit, die einzelnen Nebenfiguren dreidimensionaler und vielschichtiger zu charakterisieren als einige seiner Mitstreiter in beiden Fortsetzungen.

Es ist nur schade, dass die beiden sehr populären Reiseschriftsteller des 19. Jahrhunderts Karl May alias Kara Ben Nemsi und Samuel Clemens alias Mark Twain bis auf den dynamischen Reiseantritt sich so wenig zu sagen haben.

 

H. W. Stein (Hrsg.)
DIE REISE ZUM TOTEN MEER

Band: 13, Abenteuer-Roman
Seiten: 166 Taschenbuch
ISBN: Exklusiv nur im BLITZ-Shop
Preis: 12,95 €

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