Shills Can´t Cash Chips

Erle Stanley Gardner

Hard Case Crime beendet mit „Shills Can´t Cash Chips” (auf deutsch als Lockvögel erschienen) die kleine Reihe mit Fällen von Bertha Cool und Donald Lam.  Zusammen mit „The Count of Nine“ handelt es sich bei „Shills Can´t Cash Chips“ um einen der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Fälle.

Unabhängig davon, dass sich selbst zweiundzwanzig Jahre und dreiundzwanzig Fälle nach dem Erscheinen des ersten Buches zwischen der resoluten Chefin und ihrem besten wie einzigen Detektivangestellten nicht viel im persönlichen Umgang geändert hat.

Der Plot folgt den etablierten Stereotypen, aus denen Erle Stanley Gardner nur selten ausbricht. Damit soll nicht gesagt werden, dass die Romane langweilig sind, aber die markanten Strukturen verhindern insbesondere in der ersten Hälfte, durch viele Dialoge getriebenen Eröffnung einen nachhaltigen Spannungsaufbau.

Wie immer kommt ein Klient in die Kanzlei und Bertha ist vor allem angesichts der im Hintergrund stehenden Versicherung begeistert. Sie sieht monetäres Potential für die Zukunft. Donald Lam ist deutlich skeptischer und fragt sich berechtigterweise, warum die Versicherung nicht auf die angestammten Kräfte zurückgreift.

Es geht um einen Auffahrunfall. Der Verursacher meldet den Schaden der Versicherung. Die beim Unfall ausgerechnet an einem Schädeltrauma leidende Frau dagegen hat einen windigen Anwalt eingeschaltet, der die Forderungen so stellt, als wenn sie mit den unbestimmbaren gesundheitlichen Folgen solcher Unfälle sehr viel Erfahrung hat.  Es ist weniger die Schuldfrage, welche die Versicherung verunsichert, sondern die doppelte Tatsache, wie die Forderungen gestellt werden und das die Verunglückte plötzlich verschwunden ist und auf keine Rückfragen reagiert.

Donald Lam versucht über eine Freundin an das Opfer heranzukommen. Auffällig ist, dass viele der miteinander bekannten Personen in einem besonderen Wohnkomplex für Singles wohnen; der Unfallverursacher eine Art Immobilienprojektentwickler und Makler ist und in der Zeitung eine Anzeige zweimal erscheint, in welcher Zeugen für den eigentlich geklärten Unfall eine wachsende Belohnung versprochen wird. Lam meldet sich als Zeuge und wird vorher eindringlich von der Freundin eingenordet, wie der Unfall abgelaufen sein soll.

Relativ schnell wird Donald Lam Hauptverdächtiger in einem Mordfall. Während er von der Polizei quasi bei jedem Schritt beobachtet wird, muss er nicht nur den Mord aufklären, sondern den seltsamen Unfall, der sich zu dieser Zeit an diesem bezeichneten Ort nicht so ereignet haben kann.

Konzentrierten sich die bisherigen Erle Stanley Gardner Roman vor allem auf Donald Lam als Ermittler vor Ort und Bertha Lam als dominante Frau im Hintergrund, die nur während des Showdowns mit allen Verdächtigen in Erscheinung getreten ist, führt der Autor mit der attraktiven, natürlich in Donald Lam unsterblich verliebten Sekretärin Elsie Brand einen in diesem Fall fleißigen, wie gewichtigen Charakter ein.

Sie hat das Chaos mit ausgeschnittenen Zeitungsartikeln geordnet und ein Archiv angelegt, auf das Lam zumindest in diesem Fall positiv zurückgreifen kann und muss, um einen weiteren roten Faden zu finden.

Die große Stärke sowohl der Perry Mason Romane als auch der Lam& Cool Abenteuer ist Erle Stanley Gardners Fähigkeit, simple Geschichten im Verlaufe überzeugend auszuweiten und dem Leser nicht die Möglichkeiten zu geben, die Auflösung zu erraten. Frustrierend liegen wie im vorliegenden Fall nicht alle Fakten auf dem Tisch oder der Autor führt eine abschließende Wendung ein, die auf neue Verdächtige hinweist.

Ein markantes Zeichen der Serie ist die Tatsache, dass sich Lam aufgrund fehlender Fakten auch irren darf. Während des rasanten Showdowns folgt der Detektiv zwar der richtigen, weil einzigen Idee, aber fehlende Informationen bedeuten für ihn, dass er quasi die falschen Puzzlestücke zusammensetzt und sich daraus kein Muster ergibt. Mit der Polizei im Nacken macht das ihn noch verdächtiger, wobei Erle Stanley Gardner hier ein Klischee wieder und wieder bedient. Beginnend mit dem ersten Buch wird Donald Lam immer wieder verhaftet und zumindest eines Verbrechens beschuldigt, in dem er selbst ermittelt. Im ersten Roman „rettete“ sich der ehemalige Anwalt Donald Lam mit einem juristischen Kniff, der in den dicken Gesetzestexten der Bundesstaaten vergraben worden ist.

Im vorliegenden insgesamt 23. Abenteuer scheint es unwahrscheinlich, dass vor allem vertraute Polizisten ihn immer wieder verhaften und so sehenden Auges in die Niederlage schreiten. Eine Leiche im Kofferraum des Firmenwagens reicht nur bedingt aus. Viel zu oft haben Schurken und Verbrecher absichtlich versucht, Donald Lam verdächtig zu machen. Das ist auch hier der Fall.  Aber trotzdem hofft sein Nemesis bei der Polizei, dass ihm Lam irgendwann in die Finger fällt.

Spannungstechnisch soll mit diesem Kniff Druck auf Lam aufgebaut werden, aber viele zwischenzeitliche Wendungen kommen dem Leser aus den Vorgängerbücher vertraut vor.

Aufgrund des einige Zufälle zusammenführenden Falls ragt dieser Roman aber aus der Masse der Cool & Lam Abenteuer sehr positiv heraus.  

Es gibt mehrere Wendungen und Erklärungen, die dem individuellen Wissensstands geschuldet sogar plausible sind. Zusätzlich führt Erle Stanley Gardner mit dem Geschäftspartner des Unfallverursachers eine Art radikales Element ein. Er interessiert sich für den Unfall, aber die Hintergründe über die gemeinsame Zusammenarbeit hinaus sind eher schwammig. Während des Showdowns wird nicht nur hier eine weitere Idee hinzugefügt, die Sinn macht.

Auch bei den eigentlichen Täter(n) ist das Motiv erst zu erkennen, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Vor allem dreht sich abschließend die Lage ein wenig und der Leser erkennt wie die Protagonisten, das hinter der Ausgangssituation ein doppeltes Interesse steckt. Wobei keiner der Beteiligten seinem jeweiligen Partner alle Informationen gibt.

Der Roman kann plottechnisch nur in der Vorinternetzeit funktionieren. Einen Teil seiner Spannung bezieht er aus den nach und nach einfließenden Informationen. Natürlich wirken einzelne Szenen auch konstruiert. Zweimal am gleichen Tag mit der fast gleichen Ausgangsprämisse in einem eng begrenzten örtlichen Raum ist wahrscheinlich einmal zu viel. Hinzu kommt, dass ein Zufall es den Ersttätern ermöglicht, Spuren ihres Verbrechens auf der einen Seite zu verbergen, auf der anderen Seite kriegt mindestens ein Teilnehmer den Hals nicht voll genug und sprengt dadurch ein wirklich perfektes Alibi. Es sind diese kleinen menschlichen Eitelkeiten, welche Gardners Romane auf der emotionalen Ebene so zeitlos machen.

Dabei streift er auch menschliche Schwächen wie das Interesse von älteren Herren an jüngeren Damen. Der Running Gag mit dem Schriftzug auf deren Unterwäsche ist zensurtechnisch fast grenzwertig für die damalige Zeit. Das Donald Lam ein attraktiver Schwerenöter ist, der mit Hundeblick und ein wenig aufmerksamen Zuhören nicht nur das Interesse attraktiver Frauen erweckt, sondern eine Art mütterlichen Beschützerinstinkt in ihnen weckt, ist ein Merkmal, das Erle Stanley Gardner allerdings im Umkehrschluss zu oft in der Reihe nutzt und Donald Lam vor allem in den ersten Auftaktkapiteln die klassische Ermittlerarbeit zu sehr abnimmt.

Der Roman ist vielleicht nicht der ideale Einstieg in die ganze Serie. Aber er präsentiert alle Mechanismen der über dreißig Fälle in einem ausgesprochen stringenten Licht und verfügt über einen deutlich mehr verschachtelten Plot als viele der Bücher, die Erle Stanley Gardner wie am Fließband in den Jahren davor unter dem Pseudonym A.A. Fair für diese immer im langen Schatten von Perry Mason stehende Reihe verfasst hat.  

 

Shills Can't Cash Chips (Hard Case Crime, Band 145)

  • ISBN-10 : 1785656368
  • ISBN-13 : 978-1785656361
  • Abmessungen : 13 x 1.5 x 19.79 cm
  • Taschenbuch : 219 Seiten
  • Herausgeber : Titan Publ. Group Ltd.; Reprint Edition (15. September 2020)
  • Sprache: : Englisch
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