Homo Sapiens 404- Band 12 : Die ganze Scheisse

Claudia Kern

Mit „Die ganze Scheiße“ schließt Claudia Kern die zweite Miniserie ab. Wobei das Wort Abschluss vorsichtig behandelt werden muss, denn im Grunde präsentiert sie einen langen Roman. Der Cliffhangar hinterlässt angesichts der Ereignisse ein mulmiges Gefühl im Leser, denn zum ersten Fall im Verlauf der Handlung sterben auch Mitglieder der „ELIOT“ und scheinen trotz Zombies und der überlegenen Technik der Jockeys wirklich tot zu sein.

Im Vergleich zu den vorangegangenen sechs Romane konzentriert sich die Autorin auf einen einzigen Schauplatz: die von Menschen bzw. der „Better Life Solutions“ entworfene Raumstation SCANIA. Aus dem großen Filmfundus hat sich Claudia Kern augenzwinkernd, aber immer die Vorlagen respektierend mit „The Most Dangerous Game“ und „CUBE“ zwei weitere bislang unzitierte Arbeiten herausgesucht. Neben den Menschenjagden der Hai Jockeys dienen die verschiebbaren Wände – allerdings leicht und nachhaltig zu durchbrechen – als Hilfsmittel der Fremden, wobei die Mannschaft der ELIOT eine brachiale, aber zu leichte Methode findet, um den eigenen Weg zu markieren. Es erscheint ein wenig unwahrscheinlich, dass es erstens auf der Station so etwas wie „Sperrholzwände“ geben soll, deren Langlebigkeit eher begrenzt ist. Über die SCANIA im Allgemeinen erfährt der Leser allerdings frustrierend wenig. Nach den Andeutungen aus dem elften Abenteuer und dem etwas erweiterten Umfang hätte die Autorin den Hintergrund besser und effektiver aufhellen können und vielleicht auch sollen. Es bleibt zu hoffen, dass der Plot noch einmal zu dieser wahrscheinlich nicht einzigartigen Station zurückkehrt. Im gleichen Zusammenhang steht der ALBANER, dessen Hintergrund wie Zukunft erläutert wird. Auch hier stellt sich die Frage, wie es möglicherweise die Menschheit angesichts der Zombie Problematik geschafft hat, noch einen drauf zu legen, aber als Figur und Gegenspieler zu John Auckland ist dieser Charakter ohne Frage ausbaubar.

Weitere Hintergrundinformationen erhält der Leser dank Arnest und Lazlos letzten irdischen Einsatz in Nordkorea. Arnest wird von Lazlo gerettet, während die beiden der Gefahr eines Millionenheeres von Zombies, aus China kommend, ausweichen müssen. Die Rückblicke geben nicht nur einen dreidimensionalen Einblick in die einzelnen Charaktere, sie schließen die auf der Erde spielende Handlung interessant ab. Nur teilweise wirken diese Abschnitte zu kompakt beschrieben. Dadurch wird indirekt das Geschehen vereinfacht. Alleine dieser Rückblick hätte auch spannungstechnisch einen ganzen eigenständigen Roman verdient.  Während im Rückblick das Verhältnis zwischen der lebendigen Zeitbombe Arnest und dem eher kühl überlegenden Lazlo intensiv und überzeugend beschrieben wird, muss Arnest in der Gegenwartshandlung ohne seinen Bruder auskommen. Ein Psychopath, der am Ende kurz vor der Explosion steht. Das Ende des Romans mit dem mehrfach angesprochenen Arnest ist eine der beiden offenen Flanken, mit denen Claudia Kern in die am Sommer erscheinende dritte Miniserie gehen möchte.

Die beste Nebenhandlung vor dem Hintergrund einer drangvollen örtlichen Enge beschäftigt sich mit dem Jockeys. Auckland wird durch den Albaner mit seiner Vergangenheit und der damaligen Zukunft gleichzeitig konfrontiert. Auch sein Verhältnis zu Ama´Ru ist weiterhin vom Misstrauen geprägt. Ama´m Ru gibt ihm widerwillig Informationen zu den „Reittieren“, dem „Anderen“, wobei diese Fakten nicht nur subjektiv sind, sie ermöglichen es dem Leser, die bislang zu irdisch gehaltene – Gottesanbeterin, Haie – Jockey Kultur besser zu verstehen. Hinzu kommen weitere Daten über die auf der Station lebenden alternden Haie. Claudia Kern versucht diese Hinweise mit entsprechenden Actionszenen und „zwischenmenschlichen“ Spannungen zu untermauern, aber wie beim Rückblick hat der Leser manchmal das Gefühl drangvoller plottechnischer „Enge“, die sie zwingt, Fakten zu hektisch und zu wenig dramaturgisch vorbereitet zu präsentieren. Das tut der Spannungskurve keinen Abbruch, lässt aber einige der „Homo Sapiens 404“ Romane unrund erscheinen.     

 Zusammenfassend überzeugt auch die zweite Mini Staffel. Claudia Kerns leicht zu lesender, teilweise selbstironischer Stil in Kombination mit einer sehr intensiven, sehr kompakten Handlung sowie der Mischung aus respektvoll verwandten Altbekannten bis an die Grenze des Klischees und guten Hintergrundideen überzeugt. Der sich über sechs Romane hinziehende Spannungsbogen wirkt mit dem Höhepunkt an Bord der „Scania“ positiv gesprochen deutlich kompakter, besser strukturiert und durch den entwickelten Hintergrund sehr viel stringenter als in den ersten sechs Romanen, in denen Claudia Kern ihr Universum förmlich erschaffen und gleichzeitig die ambivalenten, sich noch formenden Charakteren am Leben erhalten musste. Positiv für die ganze Serie wäre aber, den Umfang der Romane mehr am Plot zu orientieren, denn einige der zweiten sechs Bände hätten umfangreicher sein können. Dadurch wird der über den Inhalt hinausgehende Eindruck der „Hetze“ vermieden und einzelne, sehr interessante Sequenzen hätten besser vorbereitet und beschrieben werden können.

 

 


Veröffentlichung: 07. April 2014
ISBN: 978-3-95662-024-9

E Book, 87 Seiten