Phantastisch! Phantastisch!

Monika Niehaus, Jörg und Karla Weigand (Hrsg.)

Zum 70.s Geburtstag Thomas le Blanc haben sich Monika Niehaus, Jörg und Karl Weigand etwas Besonderes ausgedacht. Nicht die inzwischen populären Geburtstagsbücher, in denen Freunde und Weggefährten gemischt mit einzelnen, nicht immer thematisch wie die Faust aufs Auge passenden Kurzgeschichten in Erinnerungen schwelgen und alles Gute wünschen. Das findet auch im vorliegenden Buch „Phantastisch! Phantastisch“ statt, aber es ist selten, dass eine Inspiration des Geburtstagskindes und damit einer der auch zahlenmäßig am längsten laufenden deutschsprachigen Anthologiereihen die Grundlagen eines Geburtstagsbuches bildet.

Neben seiner langjährigen Tätigkeit als Kurzgeschichtenautor und Herausgeber von Anthologien wie zum Beispiel den „Planeten“ Bänden im Goldmann Verlag ist Thomas le Blancs Namen untrennbar mit der phantastischen Bibliothek in Wetzlar verbunden. So untrennbar, das nur wenige, aber dafür auch die inhaltlich besten Miniaturen in und um das berühmte Gebäude in Wetzlar spielen oder Thomas le Blanc mittelbar als Protagonisten ihr Eigen nennen können.

Aber auch für die Phantastische Bibliothek hat sich Thomas le Blanc als Herausgeber engagiert. In seinen einleitenden Worten ergänzt durch ein interessantes Interview mit dem Jubilar erläutert Jörg Weigand die Entstehung des Konzeptes der phantastischen Miniaturen, von denen zum Zeitpunkt der Publikation dieses Bandes fünfzig Heft erschienen war. Die fünfzigste Ausgabe bezeichnend unter dem Titel „Wir“. Inzwischen sind fast sechzig Ausgaben erschienen.

Die Geburtsstunde war ein Satz: „Ihr Haar zersprang wie blauen Glas“. Falko Löffner und Thomas le Blanc spornten einen kleinen Kreis von Autoren an, in ihren Geschichten zu einem breiten Themenspektrum von der Science Fiction über Fantasy bis zu modernen Märchen diesen einen Satz im Text zu verwenden. Die Geschichten sollen nicht umfangreicher als siebenhundert bis neunhundert Worte sein, also innerhalb von höchstens fünf Minuten zu lesen sein. Es sollte eine einmalige Geschichte sein.

Jörg und Karla Weigand sahen aber die fast einmalige Chance, den deutschen Kürzestgeschichten einen neuen Rahmen und mit der Phantastischen Bibliothek eine neue Heimat zu schenken. Dabei sollte jeder Anthologie ein grundlegendes Thema haben. Kein neues Konzept, mit Einschränkungen hat Thomas le Blanc auch bei seinen Planetenanthologien schon mit roten Fäden, aber nicht sklavisch umgesetzten Themen gearbeitet. Der zweite Band „Invasion der Gnurks“ führte dann auch noch eine neue außerirdische Rasse die, die in den verschiedenen hier gesammelten Texten wieder für Unruhe sorgten.

Bis auf zwei Ausnahmen mit Miniaturen eines Autoren – Alexander Röder und Sabine Frambach – und einem Experiment – der Anfang einer längeren Geschichte wurde den dieses Mal deutlich weniger vertretenen Autoren vorgegeben – bestehen die zwischen 72 und 88 Seiten umfassenden Miniaturen auch mindestens zwanzig bis dreißig Miniaturen verschiedener Autoren, wobei es nicht nur kontinuierliche Wiederholungstäter gibt, sondern Monika Niehaus den Großteil ihrer Geschichten aus „Donnas Kaschemme“ genau in den Miniaturen veröffentlichte wie Alexander Röder einen durchgeknallten Professor immer wieder auftreten ließ.

„Phantastisch! Phantastisch!“  präsentiert wie der zeitgleich publizierte Band „Staubkornfee trifft Ich Maschine“ zu Gunsten der Phantastischen Bibliothek insgesamt fünfzig exklusiv geschriebene Miniaturen. Die Autoren hatte wie Jörg Weigand süffisant anmerkt eine freie Themenwahl…. Aus den Titeln/ Inhalten der bisherigen fünfzig Veröffentlichungen, wobei die beiden Soloabenteuer wie auch die angesprochene Anthologie mit vorgegebenen Storyauftakten aus dem Rahmen fallen. Auch die beiden wirklich empfehlenswerten Phantastischen Miniaturen zu Geschichten Jules Vernes, aber auch Karl Mays – der Startschuss für die neue Reihe Karl Mays phantastischer Orient - finden keinen Eingang in diese Geburtsnummer.

Der Charakter der Phantastischen Miniaturen ist nicht sklavisch auf eine durchschlagene Pointe ausgelegt. Im Laufe der Jahre haben sich die auch immer routinierter werdenden Autoren an den Druck der Kompression von Handlung und eine Skizzierung der Protagonist mit nur wenigen Worten statt einigen Zeilen fokussiert.  Daher sind die klassischen „Ich schlage alles im letzten Satz tot“ Geschichten nicht nur in der Minderheit, es sind nicht selten die schwächsten Geschichten dieser Anthologie.

Viele Autoren konzentrieren sich in ihren Texten auf das Zwischenmenschliche. Manchmal auch nur im übertragenen Sinne, denn auch Aliens haben Bedürfnisse wie die geheimnisvolle dritte Toilette in der Phantastischen Bibliothek zu unterstreichen sucht. Oder es geht um die Unfähigkeit, mit der direkten Umwelt in Kontakt zu treten. Populär sind auch die Texte, in denen exzentrische Wesen wie die angesprochenen Gnurks entweder direkt als Protagonisten oder indirekt nur als Teil des Hintergrunds in Erscheinung treten. Zum zwischenmenschlichen Bereich gehört aber auch, wenn die künstliche Intelligenz das perfekte Date einfach anders gestaltet als es ihr Schöpfer wünscht. Natürlich mit den richtigen Folgen.

Wie in den einzelnen Miniaturen sind die Themen breit. Das reicht Zauber der Magie oder besser dem Schicksal der Zauberer bis zu verflochtenen Wortspielen, in denen allerdings die jeweiligen Autoren sich mehr selbst verwirklichten als auf die Leser zuzugehen.

Aber diese Miniaturen sind auch auf einer Anderen Eben schwer zu knacken. Die drei Herausgeber wollen auch eine gewisse Interaktion mit dem Leser. So finden sich keine Hinweise außerhalb der publizierten Geschichten/ Miniaturen, in welcher der fünfzig ursprünglichen Bände dieser Text auch Platz gehabt hätte. Wieder ist es bei einigen der Texte relativ simpel, das entsprechende Pendant zu finden. Bei anderen Miniaturen erscheint es fast unmöglich. Auch wenn die Herausgeber die Titel und Nummern als bis dato publizierten Phantastischen Miniaturen im Anhang aufgelistet haben.

Der finale Coup ist eine Miniatur des Geburtstagskindes. Thomas le Blanc wurde unter falschen Voraussetzungen angestiftet, ebenfalls eine Kurzgeschichte zu schreiben. Auch wenn sie nicht zu seinen besten Texten gehört, ist es elementar, in einem derartigen Jubiläumsband natürlich auch den geistigen Vater zu verewigen. Als aktiver Teilnehmer.

Grundsätzlich sind auch zur Unterstützung der Phantastischen Bibliothek Direktinvestitionen in die sorgfältig herausgegebenen Miniaturen elementar. Sie bieten ein frisches experimentelles Lesevergnügen, eine wirklich erschlagene Bandbreite von Variationen zu einem Oberthema/ Überbegriff und könnten in die heute hektische Zeit passen, in welcher Leser nur wenige Minuten Zeit haben, um sich ablenken zu lassen.

Wer die einzelne Investition (noch) scheut, kann mit diesem Jubiläumsband und seinem Begleiter nichts falsch machen. Er bekommt fast alle Themen dieser seit vielen Jahre mehrfach im Jahr erscheinenden Heftreihe quasi auf dem Silbertablett serviert und kann sich durch die Vielzahl der Texte (alle geschrieben von regelmäßigen Miniaturautoren) einen guten Eindruck von der Qualität, der Originalität und vor allem der Vielfalt machen. Und außerdem gratuliert der Käufer/ Leser auch noch einer der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Science Fiction Szene herzlich zu seinem 70. Geburtstag. Meistens natürlich nachträglich.   

 

Thomas Le Blanc zum 70. Geburtstag
AndroSF 146
p.machinery, Winnert, 13. August 2021, 188 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 248 5 – EUR 13,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 849 4 – EUR 3,99 (DE)