Lemons never lie

Richard Stark

Der Titel “Lemons never lie” dieses unter dem Pseudonym Richard Starks veröffentlichten Donald Westlake Romans bezieht sich auf das Spiel am einarmigen Banditen, das seine Figur Alan Grofield zu Beginn des Romans immerhin vierzehn Nickel beschert. Während des offenen Endes dieses stringenten Romans wäre der Protagonist froh, zumindest die zwei Handvoll Münzen sein Eigen nennen zu können.

Auch wenn die überfällige Neuauflage im Rahmen der Reihe Hard Case Crime es nicht expliziert ausdrückt, handelt es sich um das inzwischen nach „The Damsel“, „The Dame“ und „The Blackbird“ vierte Abenteuer um den Kollegen Parkers, der wiederum in insgesamt vierundzwanzig eigenständigen Romanen aus Westlakes Feder aufgetreten ist.  Kritisch gesprochen haben aber die vierGrofield Abenteuer nur wenige sich auf den Namen konzentrierende Ähnlichkeiten mit der populären Parkerserie, die deutlich brutaler und nihilistischer ist.

Für Fans der Hard Case Crime Serie ist es ebenfalls möglich, die Grofield Abenteuer mit diesem vierten, in sich bis zum offenen, aber vorgezeichneten Ende geschlossenen Band zu beginnen und sich dann langsam im Grunde in beide Richtungen vorzuarbeiten. Richard Stark ist Autor genug, genügend Hintergrundinformationen über seinen ambivalenten Charakter mit festen Regeln – keine Unschuldigen während krimineller Aktionen zu töten – in laufende Handlung einzufügen, ohne den Spannungsbogen zu unterwandern. Auf der anderen Seite ist es nicht zum ersten Mal allerdings frustrierend, in dieser sehr empfehlenswerten Reihe von „Hard Case Crime“ Büchern auf einen Roman zu stoßen, der manchmal ein wenig lieb- und wahllos einer ganzen Reihe von Storys dieses Protagonisten entnommen worden ist. Um dem Herausgeber zur Seite zu stehen, muss allerdings auch erwähnt werden, dass dieser vierte und letzte eigenständige Grofield Roman als einziger einen Hardboiled Charakter in sich trägt, während die anderen Abenteuer ein wenig an einen Westentaschen James Bond auf verschiedenen kriminellen Missionen rund um die Welt erinnert haben. Alle vier Grofield – Romane sind auch in Deutschland während der siebziger Jahre veröffentlicht worden, wobei insbesondere die doppeldeutigen Originaltitel leider verzerrt wieder gegeben worden sind.

Grofield tauchte das erste Mal in dem Buch „The Score“ – einem Parker Roman – auf, in dem er auch seine spätere Kollegin auf der Bühne und Ehefrau Mary Deegan kennenlernte, die während des Überfalls als Geisel genommen worden war. In „Lemons never lie“ hat sie einen größeren Auftritt als Grofields Partnerin auch hinsichtlich der Leitung des Sommertheaters und es ist das einzige Mal in dieser kurzlebigen Serie, dass Grofield seine Gefühle ihr gegenüber äußert und keine Ambitionen hat, sie während eines Job zu betrügen. Wie sagt Grofield so passend, er nimmt niemals – „Lemons never lie“ ist die tragische Ausnahme – einen „Job“ quasi nach Hause mit. Auch wenn der vorliegende Roman der mit einem größeren Abstand düsterste dieser kleinen Reihe ist, beschreibt Richard Stark seinen Helden als professionellen Dieb, der nicht nur ein typischer Frauenheld und charmanter Charmeur ist, sondern das Theater liebt. Weder Fernsehen noch Film sprechen ihn an. Die meisten seiner Raubzüge dienen dazu, ein kleines Sommertheater am Leben zu erhalten. Er spielt selbst mit, sieht sich aber ansonsten eher als Organisator. Anscheinend ist er regelmäßig vor Beginn der Saison in Geldnöten, so dass er sich spektakuläre Ideen anderer Gangster anhört, um auseichend liquide zu sein.  Zusammen mit seinem zeitweiligen Partner Dan Leach verlässt er aber eine Runde illustrerer Gangster, als bei der Planung des Überfalls Unschuldige erschossen werden sollen. Dan Leach gewinnt an einem Spielautomaten eine ordentliche Summe, bevor die beiden die Stadt verlassen wollen. Nur ist der Organisator des Überfalls Myers ärgerlich und will sich insbesondere an Grofield rächen.    

Es beginnt mit einem Überfall auf Leach, der offensichtlich von Myers Handlangern verübt wird. Als Leach allerdings wenige Tage später bevor Grofield zu einem neuen Coup aufbrechen kann mit dem entführten Myers im Kofferraum bei seinem Partner auftaucht, beginnt eine Spirale aus Gewalt und Neid, die schließlich nicht nur den Überfall auf einen Geldtransport gefährdet, sondern vor allem auch Grofields Frau und seine bürgerliche Tarnexistenz unterminiert. 

Im Gegensatz zu den ersten Grofield Abenteuern und sich den Parker Abenteuern anlehnend wird Grofield deutlich ernster, zurückhaltender und vor allem treuer beschrieben. Es fehlen die erotischen Eskapaden der ersten Bücher und das Verhältnis zu seiner Frau ist „normaler“. Sie weiß von seiner Geldbeschaffung und akzeptiert sie als Notwendigkeit, um das Sommertheater zu erhalten. Im Gegensatz zu ihrem Mann ist sie weniger davon überzeugt, dass er alle Arbeit von zu Hause weg halten soll. So pflegt sie einen Freund und wird für kurze Zeit in die Ereignisse negativ einbezogen. Interessant ist, dass Grofield vielleicht zu distanziert, zu stoisch und zu wenig emotional auf das Zusammenbrechen seiner Welt bis zum Diebstahl von Geldern eines Freundes reagiert. Hier hätte sich der Leser mehr Ausbrüche, mehr Selbstreflektion sich gewünscht. Grofield beginnt in diesem Moment wieder aktiv zu werden, während er ansonsten ausschließlich vom Verlassen der Myers Gruppe ausschließlich reagieren konnte. Aber auch hier umschifft Richard Stark einige Klischees des Genres, in dem er auf eine typische Rachegeschichte verzichtet, sondern auf der einen Seite er in erster Linie seine eigenen Interessen schützen muss, auf der anderen Seiten aber auch ein berechtigtes Interesse hat, zumindest sein gestohlenes Geld wieder zu haben. Im Verlaufe seiner Jagd und/ oder seiner eigenen Verfolgung wird der Plot immer dunkler, wobei Richard Stark auf brutale Exzesse verzichtet. Seine Gewalt und schnell, effektiv und kommt aus dem Nichts heraus. Es ist ein klassischer Ablauf innerhalb einer Außenseitergesellschaft, die „normale“ Menschen als Schafe sieht. Mit dem opportunistischen und feigen Myers verfügt das Buch über einen typischen Antagonisten, der mit einer Mischung aus arroganter Selbstüberschätzung und winselnder Unterwürfigkeit in den wenigen Situationen, in denen ihn Männer stellen. Wie sein teilweise von Grofield gestohlener Plan schließlich scheitert, ist eine dieser doppeltironischen Szenen eines was die Identifikation mit dem Verbrechen/ den Verbrechern angeht intensiven, aber nicht exzessiven Romans.

Interessant ist, dass Richard Stark aber auch Quentin Tarantino vorweg nimmt. Der größte Teil der eigentlichen Action findet im Off statt. Für ein Buch ungewöhnlich wird dem Leser die Planung der beiden Coups ausführlich beschrieben, der Ablauf aber eher rudimentär und nebenbei dargestellt. Ohne dabei die Spannungskurve zu verletzen – Grofield stolpert noch siegessicher quasi blind in die gestellte Falle -  kann man die Folgen hautnah verfolgen. Diese Vorgehensweise betrifft  nur die beiden Überfälle, während die Auseinandersetzungen zwischen Myers und seinen Handlangern sowie Dan Leach/ Grofield auf der anderen Seite detaillierter beschrieben werden. Das offene Ende ist in doppelter Hinsicht frustrierend. Niemand glaubt, dass sich Grofield zweimal von dem von ihm verdienten Geld trennen wird. Auch sein Gegner stellt trotz oder vielleicht sogar gerade wegen dessen kurzzeitigen Triumphs und dem zweimaligen Begehens des gleichen Fehlers auf Grofields Seite eher ein Ärgernis denn eine Herausforderung dar. Aber zumindest hätte der Plot abgeschlossen werden können und vielleicht müssen. Es ist nicht nur das offene Ende, sondern die Tatsache, dass Westlake/ Stark keinen weiteren Grofield Band verfasst hat, das enttäuscht. Zu viele übergeordnete Handlungsarme bleiben in der Luft hängen.

Zusammenfassend ist aber aufgrund der eigenständigen „Hard Boiled“ Struktur und der im Vergleich zu den anderen Romanen nicht vorhandenen oder befremdend wirkenden Anlehnung an die James Bond Abenteuer “Lemons never lie“ der beste Grofield Roman. Inhaltlich passt er genau zur „Hard case Criome“ Reihe. Es ist ein stringenter, im Gangstermilieu für den Leserfaszinierend und abschreckend zu gleich spielender Thriller mit einem bodenständigen, sympathischen Antihelden, dessen Motive nicht entschuldbar, aber nachvollziehbar ist. Für ihn stellt das Verbrechen weniger die Befriedigung niederer Instinkte dar, sondern ein Job wie das Leiten des Sommertheaters. Und beide möchte er perfekt machen. Im Vergleich zu eher holprig übersetzten und sprachlich antiquierten deutschen Veröffentlichung empfiehlt es sich, die Originalausgabe zu lesen, um mit Donald Westlakes umfangreichen, aber nicht zu unterschätzenden Werk zu beginnen.                 

 

 

 

July 2006
ISBN: 978-0857683328
Cover art by Richard B. Farrell

Hard Case Crime, 221 Seiten

Kategorie: