The Magazine of Fantasy & Science Fiction Januar/ Februar 2014

Gordon van Gelder (Hrsg.)

Andy Stewart eröffnet wie das zu keiner der Geschichten gehörende Titelbild die erste “The Magazine of Fantasy & Science Fiction” Ausgabe des Jahres 2014 – nach den Monatsangaben und nicht dem eigentlichen Erscheinungsdatum – mit einer klassischen “First Contact” Science Fiction Geschichte. „The New Cambrian“ beschreibt eine Expedition auf den Mond Europa, wo Ty mit Dr. Schneider ihren Geliebten verliert und gleichzeitig eine Erklärung für die aufgefundene, offensichtlich fremde Lebensform finden muss. Auch wenn die Erzählperspektive intim ist und sich Andy Stewart um die zwischenmenschlichen Beziehungen inklusiv einiger grotesker Bilder kümmert, wirkt das Ende zu wenig originell und ist zu offen gestaltet.  

Der Idee der Gestaltwandler neues Leben und vor allem auf einer emotional ansprechenden Ebene positiv gesprochen viel philosophischen Ballast mitzugeben ist Seth Chambers im besten Beitrag dieser Ausgabe „In Her Eyes“ gelungen. Ein Mann trifft auf eine interessante, aber nicht gut aussehende Frau, die sich als „polymorph“, als einer der wenigen perfekten Gestaltwandler entpuppt, der unter Aufsicht der Regierung ein kontrolliertes Leben führt. Seth Chambers betont, das sich der Mann im Grunde nicht in eine Frau verliebt, sondern in unzählige Variationen einer „Seele“, die selbst nicht nur aufgrund ihrer Fähigkeit, sondern wie es im bitteren Ende doppeldeutig beschrieben wird aufgrund ihrer Herkunft nicht weiß, wo sie hin gehört. Neben einigen erotischen Szenen verfügt die Novelle über dreidimensionale, sensible gezeichnete Figuren, eine wie schon angedeutet interessante Variation eines bekannten Plots, der für erwachsene Leser ambitioniert und intim zu gleich präsentiert wird.   

Zu den schwächsten Science Fiction Geschichten dieser Sammlung gehört ohne Frage Robert Reeds “We don´t mean to be“, in der es um die Gefangennahme eines verrückten intergalaktischen Diktator und sein Schicksal auf nur fünf Textseiten geht. Die Figuren sind eher rudimentär entwickelt und vor allem baut Reed in seiner schwerfälligen Variation dieses Thema weder Interesse noch Spannung auf. Alex Irvine macht es in „For All of Us Down here“ deutlich besser. Die meisten Menschen leben als „Singulars“ verbunden mit Computern in einer eher vage ausgestalteten virtuellen Welt. Als ein Enkel seinen Großvater ebenfalls an einen trinkenden Singular verliert, ahnt er nicht, auf welche Art und Weise er wieder eine Familie finden wird. Auch wenn das Thema eine deutlich nuancierte und vor allem ambivalentere Behandlung verdient, schafft es Irvine mit seinem lockeren Erzählstil und einem im Grunde logischen, aber fragwürdigen Ende den Leser zumindest gut zu unterhalten.  

Paul Di Filippo und sein italienischer Partner Claudio Chilemi präsentieren mit “The Via Panisperna Boys in ‘Operation Harmony’” eine interessante Alternativweltgeschichte, in welcher eine Erfindung, die eher aus Comics stammt den Lauf der Geschichten des 20. Jahrhunderts verändert. Während anfänglich der Tonfall ernst und die Extrapolationen überzeugend sind, verlieren sich die beiden Autoren in der zweiten, relevanten Hälfte in extravaganten Ideen und verzichten darauf, die anfänglich sehr kompakte, eher für eine Novelle gedachte Handlung auch wirklich zufrieden stellend abzuschließen. Die gute Grundidee hätte eine deutlich bessere Ausführung verdient. 

„Out of the Deep“ aus der Feder Albert E. Cowdreys ist eine dieser Geschichten, die von einer stilistisch sauberen Ausführung, gebrochenen aber interessanten Protagonisten, einem Hauch melancholischer Wehmut eher zusammengehalten wird als von dem semiphantastischen Plot. Auch ohne diese Beimischung hätte die Story als Hardboiled Krimi gut unterhalten. Im Jahre 1954 lernt der Protagonist Mac McAllister kennen, den gleichaltrigen Sohn eines reichen Mannes. Zwanzig Jahre und Vietnam später bittet er ihn um Hilfe gegen den Mob, der an der „Redneck Riviera“ des mexikanischen Golfes sein Grundstück annektieren will. Das Ende ist vielleicht zu hektisch und die Geschichte hätte ein wenig mehr Raum verdient, aber Cowdrey ist ein unterschätzter, sehr guter Autor, der aus dem Nichts heraus die angesprochene Stimmung erzeugen und den Leser fast vierzig Jahre in die Vergangenheit versetzen kann. Die Abschlussgeschichte „The Museum of Error“ lädt wie „Warehouse 13“ ein, den Hintergrund vor die eigentliche Handlung zu stellen. Autor Oliver Buckram verrät die Pointe zu früh und liefert in dieser aus pointierten Einzeilern und guten warmherzigen Beschreibungen bestehenden Story keine Erklärung. Das Museum selbst reicht angesichts der zahllosen Hinweise für eine ganze Novelle aus und rückblickend möchte der Leser mehr über die Besonderheiten und Artefakte erfahren als die verschwundene Katze.

 Am Rande phantastisch setzt sich Bruce Jay Friedman in einer der besten Geschichten dieser Ausgabe “The Story- Teller” mit dem Leben nach dem Tod auseinander, das einen Englischlehrer und potentiellen Schriftsteller vor eine fast unmögliche Aufgabe stellt. Er soll eine Geschichte schreiben, nachdem sein eigener Roman im Leben mehr als siebzig mal aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt worden ist. Das bitterböse, aber passende Ende, die literarischen Anspielungen und der humorvolle Ton machen die Story zu einem Lesevergnügen, auch wenn der aufmerksame Leser das Ende erahnen kann. In die gleiche Richtung zielt "The Man Who Hanged Three Times" aus der Feder C.C. Finlays. Jeremiah Pritchard soll wegen des Mordes an seiner Lebensgefährtin gehängt werden. Er leugnet die Tat. Finlay nimmt diese anfänglich ironisch erscheinende Ausgangssituation und fügt aber der Mitte der Geschichte eine Geisterhandlung bei, um nicht nur die Perspektive zu verzerren, sondern die Möglichkeit anzubieten, die dunklen Geheimnisse aufzulösen. Solide geschrieben mit einem selbstironischen Unterton kann der Autor aus dieser eher bekannten Prämisse erstaunlich viel machen. Betrachtet der Leser Moira Crones Geschichte „The Lion Wedding“ als Metapher und vor allem Wegweisung für alle Hochzeiten und Lebensgemeinschaften, so liest sie sich kurzweilig ohne belehrend zu wirken. Sollte sich dann Frau wünschen, einen Löwen im Bett zu haben, wirken Teile der Story unfreiwillig doppeldeutig.   

David J. Skal geht neben “Elysium” noch auf “Europe, Report” ein und versucht die inzwischen nicht mehr originellen “Cloverfield”, “Blair Witch Projekt” Filmemacher in ihre Schranken zu weisen, während „Elysium“ seine markanten Schwächen minutiös aufgezählt bekommt. Charles Lint stellt verschiedene, in erster Linie phantastische Bücher vor, von denen er unkritisch eher schwärmt als das er sie analysiert, während Elizabeth Hand mit einer feineren Auswahl sehr viel eher auf die Stärken und Schwächen der von ihr rezensierten Bücher eingehen und damit Leser ein differenziertes Bild anbieten kann. Neben dem Kuriosum am Ende jeder Ausgabe geht Paul Di Fillipo neben seinem Storybeitrag in seiner Kolumne „Plumage from  Pegasus“ auf die Themen der modernen SF- Literatur ein, die bissig die typischen Klischees wälzen und das sehenden Auge nicht abwenden möchten.  Abschließend wird in der Wissenschaftskolumne der zukünftige Superhund pointiert ironisch vorgestellt.

Zusammengefasst eine gute bis teilweise überdurchschnittliche Ausgabe des „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ mit einer zurückkehrenden Fokussierung auf die Science Fiction Geschichten, welche das Magazin in den vierziger und fünfziger Jahren so berühmt machte. Statt Hardtech wie bei „Asimov´s“ oder „Analog“ geht es Herausgeber Gordon van Gelder um die emotionalen Zwischentöne. Seine Mischung aus Newcomern mit provozierenden Geschichten und einer Handvoll Stammautoren stimmt weiterhin, wobei das antiquiert erscheinende Titelbild den variablen Inhalt dieser Ausgabe eher verzerrt als unterstützt.

 

 

The Magazine of Fantasy & Science Fiction

Januar/ february 2014, Paperback, 256 Seiten