Heliosphere 28 "Nemesis"

Andreas Suchanek

Mit „Nemesis“ atmet Andreas Suchanek ein wenig durch und komprimiert die einzelnen Handlungsstränge. Wie er in seinem Nachwort schreibt, hat die Aktualität mit den Flüchtlingsströmen, aber auch den damit verbundenen politischen Implikationen seine Science Fiction Serie fast eingeholt. Die Parliden haben den Menschen ihre Gefangenen übergeben. Immer wenn ein Mensch eines der Raumschiffe betritt, lösen sich die Panzerungen um die Menschen auf und die traumatisierten, gebrochenen und körperlich geschwächten Menschen brauchen umgehend Hilfe. Im Grunde steht die Solare Republik dadurch vor einem fast unlösbaren Dilemma, da sie auf der einen Seite nicht allen Menschen gleichzeitig helfen kann, auf der anderen Seite der Druck da ist, relativ schnell zumindest an Bord der Schiffe nach dem Rechten zu schauen. Während der Autor den Konflikt Geldgier/ Profitsucht und Unmenschlichkeit anprangert, fehlt allerdings diese Komponente im vorliegenden Band. Es geht um eine reine Hilfe für die Gefangenen der Parliden. Interessant ist, warum die Menschen die Raumschiffe nicht relativ schnell in ihre bewohnten und damit hinsichtlich der Hilfsaktionen besser ausgerüsteten Gebiete schleppen. Nicht jedes zivile Raumschiff kann zur Abwehr der attackierenden von Tess Kensington angeführten „Alten“ benötigt werden. In einem engen Zusammenhang steht ja auch die Befreiung von Michalew, dem letzten bzw. hinsichtlich seiner Befreiung ersten Gefangen der Parliden. Die Präsidentin Shaw muss sich mit dem immer noch sehr präsenten Michalew auseinandersetzen. Interessant ist dabei zusätzlich, dass Andreas Suchanek mit einem längeren, aber aus einer anderen Perspektive erzählten Rückblick auch Neueinsteiger auf den neusten Stand bringt, ohne gleichzeitig die Stammleser zu langweilen. Ebenfalls aus der Vergangenheit der Serie wird mit Alexis Cross eine Puppenspielerin aktiviert, wobei sich Andreas Suchanek in dieser Hinsicht ambivalent bedeckt hält. Nicht selten agieren diese solide gezeichneten Nebenfiguren im zweiten Versuch ganz anders als während ihres ersten Auftretens. Die Konzentration auf die politischen Wechselspiele erinnert an die stärksten Passagen vor allem in der ersten und weniger in der zweiten Miniserie, in denen die Solare Republik sich innenpolitisch stärken, aber außenpolitisch sich gegen Sjöberg und seine Wunderwaffen zur Wehr setzen musste. In dieser Hinsicht schließt sich auch ein Kreis, denn eine der Sonnenbomben wird dieses Mal effektiv und progressiv eingesetzt. Mit Michalew ist das politische „Gleichgewicht“ des Schreckens wieder hergestellt und nach dem Vakuum, das Sjöberg hinterlassen hat, wirken insbesondere die pointierten politischen Diskussionen nach.

Auf der zweiten, sich im Jaydon Cross drehenden Handlungsebene hat Andreas Suchanek nicht nur die Crew der HYPERION wieder vereint – das bedingt allerdings auch eine Einschränkung der weiteren Handlungsorte – und am Ende des Buches fast per Generalerlass befördert. Interessant ist ein weiterer Aspekt hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Tess Kensington. Dieses Mal versucht man es über die persönliche Vergangenheit der inzwischen als „Stimme“ bekannten Antagonistin, die mit ihrer arroganten selbstironischen Art sich bislang als die beste, vielschichtigste aber vor allem auch planerisch effektivste Gegnerin in der Serie erwiesen hat. Im Gegensatz zu Sjöberg und Michalew sind ihre abschließenden Motive nicht gänzlich klar. Natürlich will sie mit den alten Feinden die Menschheit angreifen und vielleicht sogar die Zukunftsebene endgültig überschreiben, aber ihre Vorgehensweise ist in dieser Hinsicht noch angesichts der im Grunde technischen wie zahlenmäßigen Überlegenheit ein wenig ambivalent, zu direkt und der Menschheit Atempausen ermöglichend. Mit ergänzenden, auf der Homepage verfügbaren Kurzgeschichten und Episoden baut Andreas Suchanek diesen Part weiter aus. So interessant das Bonusmaterial auch sein mag, manchmal wünscht sich der Leser, dass diese Passagen effektiv und nahtlos in die laufende Handlung mit eingebaut werden. Das dürfte angesichts der E- Book Struktur auch ohne Probleme möglich sein, wenn es nicht die Nachdrucke zweier Romane als Buchausgabe geben würde, die wahrscheinlich auch logistische wie preisliche Grenzen setzen. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, diese Passagen entweder per Download oder über die Homepage ebenfalls zu lesen.

Zusammengefasst ist „Nemesis“ – der Titel ist doppeldeutig und kann sich sowohl auf Michalew als auch Tess Kensington beziehen – ein solider „Heliosphere 2265“ Roman, der in erster Linie die in den letzten Bänden aufgegriffenen Themen inhaltlich verstärkt und die Ausgangssituation extrapoliert. Sowohl mit der zumindest impliziert erfolgreichen „Rettung“ eines ebenfalls Stammmitglieds der HYPERION  Besatzung, der Beförderung und Wiedervereinigung der Crew und dem Beginn einer weiteren Mission sind die Grundlagen für eine spannende und auf verschiedenen Ebenen sich gut ergänzende Fortsetzung der Serie gelegt worden. 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 3955 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 121 Seiten
  • Verlag: Greenlight Press; Auflage: 1 (7. Mai 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00X9R1JBU