Perry Rhodan Neo 92 "Auroras Vermächtnis"

Kai Hirdt

Mit Kai Hirdt betritt ein neuer Autor die „Neo“ Bühne. Neben seiner Tätigkeit als PR- Berater hat er unter anderem als Texter an den Comics aus der Alligator Farm mitgearbeitet. Im Mittelpunkt seines Bandes steht weiterhin der Widerstand der Menschen gegen die Arkoniden.

Simon Freeman lebt mit seiner Schwester Aurora in Washington. Sie arbeitet in der arkonidischen Sektoratsverwaltung, er als Verkäufer. Kai Hirdt bemüht sich, aus der tristen Gegenwart momentan in den USA lebender Farbiger ein exotisches, nicht übertriebenes, aber realistisches Alltagsbild der Gegenwar zu extrapolieren. Als Simon eines Tages nach Hause kommt, ist seine Schwester tot. Anscheinend ist sie überfallen und von einem Arkoniden ermordet worden. Die Ermittlungen der Polizei laufen ins Leere, da diese sich nicht mit der herrschenden Rasse anlegen wollen. In dieser Hinsicht folgt Kai Hirdt den engen Grenzen der Rhodan Serie, kann aber diesem bekannten Plotelement wenig Innovatives oder Neues hinzufügen. Alleine Simon Freeman Alter Ego Identität als Satiriker Harlequin bei einem Video- Podcast könnte für Abwechselung sorgen. Er demaskiert sich, zeigt das Bild des Arkoniden aus der Überwachungskamera und fordert für den Tod seiner Schwester Rache. Natürlich hat der Racheaufruf eine extrem hohe Resonanz und es bilden sich Proteste auf der ganzen Welt. Ähnliche Fälle werden gezeigt. Als dann auch noch eine versprengte Gruppe von Militärs auf Simon Freeman zutritt und den Täter als Arbeitskollegen seiner Schwester Asech Leange identifiziert, der ebenfalls ein kleines Licht in der Sektorverwltung ist, eskaliert die Situation. Die Militärs fordern die Auslieferung Kelanges, ansonsten würden 12 Gefangene Arkoniden von dem Anführer dieser militanten Gruppe, dem Ex-General DeSoto, hingerichtet werden.

Ab diesem kritischen Moment muss Kai Hirdt als Autor zurückrudern. Es wirkt ein wenig unglaubwürdig, dass Simon Freeman aus den Überwachungsvideos entsprechende Informationen herausgefiltert hat, aber hinsichtlich des Privatlebens seiner Schwester so oberflächlich agiert. Das die Arkoniden ihn agieren lassen, kann mit Chetzkels eher ambitioniert geplanter Zurückhaltung in einem engen Zusammenhang stehen. Warum allerdings die Arkoniden auf der Erde nicht ihr übliches Unterdrückungsprogramm durchziehen, bleibt bislang unausgesprochen und wirkt auch eher wie eine Art MacGuffin, um diese angesichts der technologischen Überlegenheit sinnfreie Handlungsebene weiter am Leben zu lassen. Auch die Problematik, zwölf Arkoniden für die Auslieferung eines Mannes töten zu wollen, wird politisch zu wenig nachhaltig erläutert. Hier stößt Kai Hirdt als Autor an seine Grenzen und versucht das Szenario eher actionreich am Leben zu erhalten, als die verschiedenen Positionen ambivalent und vor allem überzeugend zu analysieren. Wenn sich später herausstellt, dass Aurora und Asech Kelange eine Liebesbeziehung hatten und das sie an einem anaphylaktischen Schock in Reaktion auf mitgebrachten Arkon Wein verstorben ist, scheint sich Simon Freemans Einstellung zu wenig zu verändern.  Viel schlimmer ist, wie Kai Hirdt diese Situation absolut unglaubwürdig angesichts der bislang vorliegenden Fakten auflösen muss. Während Simon mit seinen Militärverbündeten bricht, hießt Satrak im übertragenen Sinne eine Art weiße Fahne und verkündet, dass Asech Kelange der irdischen Gerichtsbarkeit überstellt wird. Schlimmer ist, dass es eine Generalamnestie für alle Aufständischen gibt. Dieses Vorgehen macht keinen Sinn. Vor allem widerspricht es jegliches arkonisches Taktik, die Rhodan auf seiner Expedition in das riesige Reich kennen gelernt hat. Selbst die Gespräche mit Atlan haben die brutale Vorgehensweise der Arkoniden nicht widerlegen können. Natürlich können die Autoren immer wieder Erklärungen nachschieben. Aufgrund der intergalaktischen Sondersituation der Erde als Sprungbrett zur Welt der Unsterblichen oder potentieller noch zu eruierender kosmischer Ereignisse sollen die Menschen nicht unterdrückt, sondern geschont werden. Dann macht aber die ganze Besetzung der Erde wenig Sinn. Angesichts der Naivität der bisher beschriebenen Menschen und ihrer militärischen Unterlegenheit wäre es sinnvoller gewesen, sie mittels Handelsabkommen und dem Vorgaukeln von technischen Geschenken zu versklaven und an die Erde zu binden, die sie sowieso aus eigener Kraft und mittels eigener Techniker gar nicht verlassen können. Bedenkt man, dass Satrak naiv und seiner bisherigen Charakterisierung widersprechend alle Widerstandsgruppen der Erde mit seiner Generalamnestie gestärkt und seine eigenen Landsleute unendlich geschwächt hat, kann der Leser nur mit dem Kopfschütteln. Anstatt „Neo“ deutlich dunkler zu entwickeln und vielleicht tatsächlich in die Ecke von „V“, „Fallen Skies“ oder anderen Invasionsserien zu bugsieren, werden einzelne Szenarien angerissen und dann wieder aus im Grunde aussichtslosen Situationen frustrierend konstruiert aufgelöst. Die im ersten Drittel des Romans aufgebaut Spannung verpufft im wahrsten Sinne des Wortes.  Selbst wenn Homer G. Adams Antrag auf den Status einer offiziellen Kolonialwelt – nur eine weitere politische Taktik ohne nachhaltigen Wert – nicht weiter geleitet hat, wirkt das Geplänkel zu statisch.

Deutlich schwächer ist die zweite Handlungsebene um Conrad Deringhouse. Er ist mit seiner Flotte ins Kepler- System geflohen, wo sie sich auf New Earth erst einmal niederlassen. Die Naats, die Ferronen und die Menschen versuchen mit einem politischen Dreigestirn über die Runden zu kommen. Es gibt deutlich unterschiede hinsichtlich der zukünftigen Taktik. Die Naats wollen aggressiv vorgehen – wobei sie am wenigsten zu verlieren und sich am meisten vor den eindringenden Arkoniden gefürchtet  haben -, während die Menschen vorsichtig und zurückhaltend agieren wollen. Hier arbeitet Kai Hirdt die unterschiedlichen Positionen heraus, wobei es sich um eine Quadratur des Kreises handelt. Keinen Moment stellen die wenigen Raumschiffe eine wirklich nachhaltige Bedrohung des arkonidischen Imperiums dar. Alleine eine Guerilla- Taktik käme in Frage. Die an Bord der NAS´TUR zurückgebrachten arkonidischen Gefangenen wollen die Naats umgehend hinrichten.  Diese Spiegelung der Haupthandlung endet schließlich in einem Kommandoeinsatz, während die Leser aus Chetzkels Perspektive erfährt, dass die Suche nach dem Versteck der Menschen intensiv fortgesetzt wird. Das Deringhouse als ein Mitglied dieser kleinen politischen Führung einer Mission zustimmen muss, die vielleicht das ganze Versteck gefährdet, dient als Cliffhangar gegenüber den folgenden Romanen.  Diese „Nebenhandlung“ ist deutlich besser geschrieben worden. Kai Hirdt gibt sich Mühe, die Actionszenen solide und spannend zu beschreiben. Wie schon erwähnt wirken die Diskussionen zwischen den einzelnen Parteien zu sinnfrei, da die Menschen/ Naats keine wirklichen Alternativen haben. Auch hier scheint es einen Bruch zur Ausgangsposition des Handlungsbogens zu geben. Da wurden die zu Rhodan übergelaufenen Naats eher als passiv, nicht unaggressiv, aber auch ängstlich hinsichtlich des Widerstandes gegen ihre Unterdrücker beschrieben worden. Hier wirken ihre Vorgehensweise weder taktisch überzeugend noch sorgfältig genug geplant. Kai Hirdt schafft es auch nicht, diese Widersprüche aufzulösen und die einzelnen Positionen überzeugend zu beschreiben. Das offene Ende bietet noch ausreichend Potential, aber hinsichtlich der ganzen Miniserie wird der Plot kein bisschen weiter vorangetrieben. Da der Roman auf die typischen Hauptfiguren verzichtet und vor allem neben dem anfänglich dreidimensional charakterisierten Freemen mit Deringhouse über einen bekannten Namen aus der Erstauflage verfügt, der aber in „Neo“ deutlich nuancierter und vor allem dreidimensionaler beschrieben wird, kann der Leser zumindest ein wenig um sie zittern. Kai Hirdt verfügt über einen angenehmen Schreibstil und kennt sich im „Neo“ Universum ausreichend gut aus, um auf einen zufrieden stellenden Niveau einen soliden, aber wie eingangs erwähnt hinsichtlich der beiden relevanten Grundausrichtungen nicht gänzlich überzeugenden Band zu verfassen. Und „Auroras Vermächtnis“ basiert leider auf einem Missverständnis und/oder einer „Lüge“, so dass hier die geweckte Erwartungshaltung nicht befriedigt werden kann.        

Pabel Verlag, Taschenheft

160 Seiten

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