Rettungskreuzer Ikarus 59 "Generalprobe"

Rettungskreuzer Ikarus 59, Generalprobe, Rezension, Thomas Harbach
Holer M. Pohl

Eigentlich sollte der „Rettungskreuzer Ikarus“ in seinem neuen Konzept Trilogien mit abgeschlossenen Handlungsfäden präsentieren. Holger M. Pohl geht allerdings einen Schritt weiter. Einige wichtige Aspekte werden nicht abgeschlossen, sondern wie die Büchse der Pandora wird eine neue nicht auszuschließende, aber im Vergleich zu den Bedrohungen aus der tiefsten Vergangenheit durch irgendwelche Superwaffen originelle „Bedrohung“ etabliert, die vielleicht von Sylke Brandt in ihren sich anschließenden Bänden extrapoliert wird. Eine weitere Idee – die Ausgangsmission bestand ja darin, dass Admiral Nicol M`Guda die Crew der „Ikarus“ gebeten hat, nach seiner als Agentin verschwundenen Frau auf dem Planeten Valeran zu suchen – wird nur bedingt abgeschlossen. Dass der Admiral von Beginn an Hintergedanken gehabt hat und die Mission vielschichtiger erschienen ist als ursprünglich geplant, ist mehrfach in den ersten beiden Romanen der Serie angesprochen worden. Am Ende wird diese These auch bestätigt, ohne dass abschließend alle Hintergründe wirklich vor den außenstehenden Leser nachvollziehbar auf dem Tisch liegen. Das ist angesichts des teilweise nicht immer wirklich dynamischen Plots enttäuschend und ist es schade, dass der Autor die Erwartungshaltung seiner Leser nicht befriedigen kann.  

Mit der Bedrohung durch eine unbekannte Waffe, die anscheinend vom Mond ausgehend den Menschen im Allgemeinen und Frauen im Besonderen ihren Willen nimmt, verfügt der Autor über ein Instrument, auf dem er gegen die gesellschaftlichen Klischees und vor allem mit seiner Amazonengesellschaft im Rücken deutlich spielen kann. Vieles wirkt ein wenig unentschlossen. Nach dem ersten Drittel des vorliegenden letzten Bandes fragt sich der Leser unwillkürlich, um mit dem aus dem fast Nichts erfolgenden abschalten der Maschine dieser langsam bis teilweise phlegmatisch aufgebaute Spannungsbogen wirklich zu Ende ist. Kein Knalleffekt, keine wirkliche Überraschung. Dazu wird mit dem MacGuffin „Darkwood“ auch eine entsprechende Figur in die Handlung eingebaut, der sich nicht nur der Beeinflussung, sondern mehrfach der Gefangenschaft entziehen kann. Das er Teil der mehrfachen Generalproben dieses Bandes ist, wirkt dabei wie eine nachträgliche Entschuldigung.

Interessant sind dagegen die Entführung der „Ikarus“ mit ihrer geheimnisvollen Fracht sowie der potentielle Abschuss durch Raketen der besonderen Art. In dieser kurz beschriebenen wie einigen anderen Szenen kann Holger M. Pohl wirklich Spannung aufbauen und einen Moment denkt der Leser wirklich, dass der Autor den Mut wie in anderen Serien – siehe „Enterprise“ oder „Raumpatrouille“ – hat, das Raumschiff endgültig zu entsorgen. Auf der anderen Seite endet die Sequenz mit der bekannten Prämisse, dass echte Helden eben auch hohe Kosten und lange Reparaturzeiten bei ihren Raumschiffen verursachen.    

 Hinsichtlich der ganzen Handlungsführung strapaziert Holger M. Pohl den Faktor Glück in Kombination mit Improvisation ein wenig zu oft. Vor allem, wenn man alle drei Romane nebeneinander legt, hätte ein wenig mehr geistige Anstrengung den ganzen Handlungsbogen und nicht nur einzelne Szenen dreidimensionaler und spannender erscheinen lassen. Die Auflösungen/ Rettungen kommen teilweise zu sehr aus dem Nichts und unterstreichen die ein wenig unglückliche Struktur des vorliegenden Romans. Der Mittelband wirkte zu gedehnt und in „Generalprobe“ überschlagen sich zu sehr die Ereignisse, so dass sich der Leser am Ende ein wenig aus dem Buch gedrängt fühlt. Da zu viele Fragen offen sind, die anscheinend Holger M. Pohl in weiteren Romanen aufgreifen möchte, muss die ganze Struktur dieser Trilogie hinterfragt werden. Zwei Romane hätten für den vorliegenden Plot ausgereicht. Wahrscheinlich wäre es zu viel verlangt gewesen, nach dem ersten hier vorliegenden „Entwurf“ die drei Romane noch einmal grundsätzlich zu überarbeiten und als Doppelband neu zu schreiben, aber das wäre entweder der faire Weg gewesen oder das Lektorat/die Herausgeber hätten sich mit Holger M. Pohl zusammengesetzt, um der Geschichte mehr nebensächliches, aber griffiges, vielleicht auch angesichts der Prämissen provokantes Fleisch zu geben. Es sind viele Szenen, bei denen der Leser frustriert im Stich gelassen wird, während die roten Fäden rechts und links offensichtlich auf dem Boden liegen. Schade um diese in der Theorie gut gezeichnete Welt mit ihren ausbaufähigen, aber in der vorliegenden Form ausschließlich eindimensionalen Bewohnerinnen. 

 Auch wenn am Ende die meisten Fragen beantwortet und vor allem viele Handlungsbögen zufriedenstellend zusammengefasst worden sind, zeigen sich einige Schwächen überdeutlich. Mit der fremden weiblichen Kultur kann der Autor zu wenig anfangen und bleibt oberflächlich. Ein Dirk van den Boom in Hochform hätte mit den Rollenklischees gespielt und vor allem das Verhältnis Männer/ Frauen ordentlich durch den Kakao gezogen. Holger M. Pohl schreibt in dieser Hinsicht bieder. Auch die grundsätzliche Auflösung des ganzen Handlungsaufbau kommt zu wenig überraschend und da nicht alle Punkte angesprochen und beantwortet werden, nicht zufriedenstellend genug strukturiert. Zusammenfassend handelt es sich um Holger M. Pohls Trilogie um eine zumindest stilistisch lesenswerte, aber leider nur durchschnittliche „Ikarus“ Trilogie, die als Fundament gesehen noch viel Potential in sich trägt, dass der Autor hoffentlich mit seinen nächsten Arbeiten besser heben kann.   

Atlantis Verlag
Titelbild: Lothar Bauer
Paperback, ca. 114 Seiten, ISBN 978-3-86502-256-2