Perry Rhodan Neo 96 "Kampf um Derogwanien"

Perry Rhodan Neo 96, Kampf um Derogwanien, Michelle Stern, Rezension
Michelle Stern

Ursprünglich sollte dieser zwölfte Band „Kampfzone Erde“ das Ringen um Terra zu einem Ende bringen. Schon die letzten Zwölfer Packungen haben die kleinen Nebenhandlungen nicht zu den entsprechenden Enden geführt, sondern vielmehr dienten sie eher als lose Orientierung, da die Handlungsbögen teilweise mittels Cliffhanger einfach fortgeführt worden sind. Das ist auch bei „Kampf um Derogwanien“ der Fall, wobei Michelle auch noch mit dem Problem kämpft, nicht zu viel sagen bzw. schreiben zu dürfen.  Ein typisches Beispiel wäre die Auftaktsequenz. Das Ernst Ellert in quasi letzter Sekunde einen Zeitbrunnen zur Verfügung stellt, durch den das Perry Rhodan Team rechtzeitig und passend auf einer höflich gesprochen schwierigen Situation fliehen kann, wirkt schon wie eine „Deus Ex Machina“ Handlung.  Der Zeitbrunnen wirkt wie eine Droge auf Rhodan, der Visionen nicht nur von einem Goldenen hat, sondern in einem nicht unbedingt notwendigen Exkurs von einer alternativen Mondlandung seinerseits hat. In diesem Fall lässt Crest Perry Rhodan nicht an Bord des Raumschiffes.  Michelle Stern greift dabei nur bedingt auf eine vergleichbare Sequenz aus dem ersten „Neo“ zurück, sondern zeigt Perry Rhodan ein wenig überheblich und rechthaberisch.  Das Potential dieser Vision wirkt vor allem dadurch verschenkt, weil in vielen anderen Szenen der fast einhundert Taschenhefte die Autoren vordergründig die Zukunft weniger von vorne oder neu erzählen wollten, sondern auf Umwegen und leider mit zahlreichen nicht unbedingt effektiven Ablenkungsstrategien im Groben Scheers  und Ernstings Saga nur klassisch nacherzählten. Diese Szene zu Beginn der „Neo“ Serie wäre ein Paukenschlag gewesen. So muss so unter verschenktes Potential verbucht werden, zumal Ernst Ellert ihn väterlich belehrend aus seinen Visionen reißen muss.  Als wenn Perry Rhodan diese bewusst gesteuert hätte. Auf Derogwanien erwartet sie die nächste Überraschung. Callibso berichtet Perry Rhodan von dem Konflikt mit den Anderen. Diese Humanoiden haben – vielleicht ein Hinweis auf die alte Serie als Seitenhieb auf die scheer´sche Offensivpolitik – bei ihrer stürmischen, nicht koordinierten, aber erfolgreichen Expansion zahlreichen Völkern Schaden zugefügt oder sie ausgelöscht. Die Allianz wurde gegründet, um vor allem diese Humanoiden zu bekämpfen, Es gab schließlich nach einigen Kämpfen einen stillschweigenden Waffenstillstand und die Allianz verzichtete auf die Zerstörung des Sonnensystems, weil sie auch die ERSTEN fürchteten. Die Arkoniden sollen Abkömmlinge der ERSTEN sein.  Derogwanien wollte mit Mondlandung Rhodans verhindern, um die Allianz nicht auf die Erde aufmerksam zu machen.  Er ist quasi ein vorbeugender Guter. So sehr sich Michelle Stern auch bemüht, diese Ausführungen machen wirklich wenig Sinn. Die Abkömmlinge der ERSTEN wären damit die Feinde der Allianz. In doppelter Hinsicht. Erstens als Nachkommen der Humanoiden und zweitens, weil sie genau die Politik anscheinend seit Jahrtausenden durchführen, für welche die Humanoiden bestraft werden sollten. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass die Humanoiden anscheinend ungestüm und vorwärtsdrängend manchmal unabsichtlich andere Völker ausgelöscht haben, während es die Arkoniden mit ihrer Unterdrückungspolitik und vor allem ihrer hierarchischen Ordnung absichtlich machen. Der Leser kann bis auf das Verschwinden der eigentlichen ERSTEN und das zögerliche bis nicht vorhandene Agieren keinen Unterschied zwischen dem Verhalten der Arkoniden oder Humanoiden erkennen. Hinzu kommt ein weiterer Faktor. Auch die Methanatmer haben anscheinend eine vergleichbare Politik, wurden oder werden aber von der Allianz nicht zur Kenntnis genommen. Wirkte schon mancher Überbau in der alten Serie bedenklich, so erscheint dieses Konstrukt erstens mit der heißen Feder gestrickt, zweitens für einen sich etablierenden Kosmos viel zu früh erdrückend und zweitens in sich nicht wirklich logisch.

Das erklärt vielleicht auch die Besonderheit der Erde, wobei die Arkoniden als mögliche Nachkommen der ERSTEN dann sich extrem unaufgeklärt verhalten. Nicht jeder Mensch/ Arkonide muss alles wissen, aber diese schwammige Befehlskette beginnend mit der neuen Regentin, die ja umgehend die Flotte zur Erde ausgeschickt hat, um sie zu besetzen und nicht wirklich zu schützen. Der Goldene Pranav Ketar steuert Derogwanien mit einer kleinen Flotte an, obwohl sein Hauptziel weiterhin die Zerstörung der  Erde ist. Den inneren Zwiespalt zwischen den  Anweisungen der Allianz und seinen eigenen Ambitionen beschreibt die Autoren überzeugend. Er verfügt über ein Gerät, mit dem er die Flucht Callibsos von der Welt der Puppen zu verhindern sucht.  Unvorbereitet greift er an. Die Idee, alte Aspekte der irdischen Geschichte wie das mittelalterliche Dorf mit der neuartigen Technik – reflektierende Schutzschirme – zu kombinieren, ist nicht schlecht und wird auch gut extrapoliert, aber die sich überstürzenden Ereignisse lassen den Roman weniger dynamisch, sondern vor allem hektisch erscheinen. Angesichts der verschiedenen Längen einiger anderer Taschenhefte dieses Minizyklus ist das besonders enttäuschend.

Anschließend arbeitet die Autoren eine Reihe von Zufällen ab. Sowohl Callibso als auch Ernst Ellert haben auf Derogwanien kleine Raumschiffe versteckt, die für eine Flucht genutzt werden könnten. Callibso entscheidet sich allerdings nach dem Aufruf des Goldenen zu einem Trick, den auf den Boden zu locken und direkt überwältigen zu können. Angesichts der guten Position des Goldenen agiert dieser wieder naiv und hektisch. Auch wenn es manchmal interessant ist, ein potentielles Überwesen voller Schwächen zu beschreiben, wirkt Ketar zu ambivalent beschrieben und dient weniger als Faktor in diesem komischen Ringen, sondern als eine Art Katalysator von kleineren Katastrophen oder wie bei der letzten Flucht Rhodans aus einer unmöglichen Situation  als MacGuffin. Am Ende der Auseinandersetzung erhält Gucky die Möglichkeit, mit seinen überlebenden Ilts erst einmal in die Tiefen des Alls zu verschwinden und Perry Rhodan einen wichtigen Schlüssel zur Venusfestung. Keine Spur mehr von der Möglichkeit, dass diese Menschen vielleicht auch in der Galaxis Schaden anrichten könnten. Da Perry Rhodan bislang keine positive Präsenz bis auf das Retten Callibsos aus einer Situation, die er sich selbst eingebrockt hat, in der Galaxis hinterlassen hat, erscheint das Vorgehen des Herren der Puppen eher zufällig opportunistisch als Teil dieser gewaltigen, über Jahrtausende im Hintergrund ablaufenden komischen Pläne, von denen immer wieder geflüstert wird, die aber niemals wirklich besprochen werden.

Positiv ist, das die Autorin auf das Enteron und seine allgegenwärtigen Einsatzmöglichkeiten bis auf einen verbalen Exzess am Ende verzichtet. Negativ ist, dass anscheinend Perry Rhodan die Arkoniden jetzt aus dem Sonnensystem wieder mittels einer Deus Ex Machina Methode und keiner nachhaltigen Taktik vertreiben kann, so dass diese ganze Besatzung und der Kampf um die Erde wieder dank des Eingreifens komischer Mächte zu Ende sein scheint. Zumindest in der Erstauflage haben die Menschen mittels militärischer Taktik, ihrem ausgesprochenen Mut zum Partisanenkampf und einigen aus heutiger Sicht wahrscheinlich auch naiv zu lesenden Aktionen, mit denen wichtige Raumschiffe entliehen worden sind, es geschafft, im Kosmos Fuß zu fassen. Nach der Lektüre von „Kampf um Derogwanien“ ist der Leser ein wenig schlauer, einige Hintergrundinformationen werden präsentiert, aber angesichts des bisherigen angeblich so langfristig geplanten Handelns aller „übermenschlicher“ Figuren wirkt das Konstrukt sehr hohl und leider unbefriedigend befestigt, so dass das kosmische Schachspiel eher wie eine freie Interpretation verschiedener Exzentriker in einem Hoftheater erscheint. Titel des Stückes „Viel Lärm um Nichts“.              

Pabel Verlag, Taschenheft 160 Seiten

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