Die Generäle

Martin Kay, die Generäle, Rezension, Thomas Harbach
Martin Kay

„Die Generäle“ ist der dritte Teil einer fortlaufenden Serie nicht nur um die fahnenflüchtige – dieser Begriff ist inzwischen relativ geworden, da es in Martin Kays USA soviele Organisationen mit unterschiedlichen Interessen gibt, da man nicht mehr davon sprechen kann, dass Eileen Hannigan wirklich gegen die USA kämpft -  Ex Agentin Eileen Hannigan, sondern seine Weltverschwörungsthese geht hinsichtlich der manipulierten Geschichte mindestens dreitausend Jahre in die Vergangenheit. Selbst die „Saarbrücken“ aus Dirk van den Boom „Kaiserkrieger“ Serie ist nicht zufällig in der Vergangenheit gelandet, sondern Teil eines Experiments gewesen, das eine seit Generationen im Hintergrund operierende Gruppe durchgeführt hat. Mit diesem Seitenblick auf die Alternativweltserie übertreibt es aber Martin Kay und reist den Leser endgültig aus der Welt seines brutalen und temporeich erzählten High Tech Thrillers. Spätestens wenn es in der zweiten Hälfte des Buches an die Erklärungen und Hintergründe im Konflikt zwischen zwei mächtigen paramilitärisch organisierten Gruppen um das technologisch hochstehende Erbe einer längst bis auf anscheinend einen Überlebenden untergegangenen Rasse geht, dann verschwimmen nicht nur die Grenzen zwischen Realität und Fiktion mit Klons, überlichtschnell fliegenden „Bäumen“ oder gigantischen Hovercraft Festungen, es fehlen die wirklich schlüssigen Erklärungen. Natürlich ist der Kampf um die Weltherrschaft verführerisch, aber dazu liefert Martin Kay auf den ersten Ebenen zu wenig und agieren seine Köpfe – die Generäle seien nur stellvertretend genannt – nicht immer entschlossen oder zumindest logisch genug.

Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag, den Anhänger der ganzen Serie relativ schnell einschätzen können. Der amerikanische Präsident wird bei einem Besuch einer abgelegenen Fabrik in Tschechien ermordet. Schwer bewaffnete Männer greifen seine Schutztruppe und sein Team an. Nur der Agent Vigilante überlebt verletzt. Da seine Kollegin ein Video mitgeschnitten hat, versucht er es seinen Behörden zu Hause zu beweisen, die ihn mit einer Liveberichterstattung eines Treffens des gerade anscheinend ermordeten Präsidenten schockieren. Während Vigilante nicht nur von örtlichen Behörden gejagt wird, ermordet man gleichzeitig seinen einzigen Vertrauten in der Behörde, um die losen Zöpfe abzuschneiden. Der Auftakt ist rasant, auch wenn sich der Leser fragt, wie die Presse anscheinend den Präsidenten bei einem Staatsbesuch so außer Augen verlieren kann. Auch wird nachträglich diese Aktion zu wenig erläutert. Martin Kay bietet Antworten an, aber wenn das Komplott der Generäle derartig mächtig und vor allem deren Technik so ausgefeilt ist, dann wäre es sinnvoller gewesen, den Präsident mit einer kleinen Einheit beseitigen/austauschen/ verschwinden zu lassen, als erstens weit weg von den besser gesicherten Operationswegen eine auch noch so wenig abgeschlossene Aktion zu versuchen. Von dieser nur kurz über dem Plot stehenden Prämisse abweichend, schickt die stellvertretende Direktorin des Secret Service auf die Ungereimtheiten aufmerksam geworden mit Eileen Hannigan quasi eine Trumpfkarte aus, die gedeckt vom ambivalenten alten Mann nicht nur dem Agenten helfen soll, sondern gleichzeitig einigen alten Bekannten aus den ersten Romanen begegnet.

Im Vergleich zu den ersten beiden Büchern dieser Serie hat sich Martin Kay mehr bemüht, das Tempo auszubalancieren und vor allem nicht immer Vollgas zu geben, so dass die aufeinander aufbauenden Actionszenen irgendwann auch hinsichtlich ihrer Unglaubwürdigkeit ermüden könnten. Es sind immer noch ausreichend Szenen vorhanden, wobei insbesondere die 20 Minuten andauernde Selbstzerstörungssequenz am Ende des Buches mit einem spektakulären Finale keinen echten Sinn macht. Warum sollten die Generäle Interesse haben, beim eigenen Tod dem Gegner noch ausreichend Zeit zur Flucht zu geben? Auf Menschen haben sie bislang keine Rücksicht genommen und angesichts der hunderte von Toten dieses Buches werden sie das auch nicht. Ihre paranoide Sicherheit, der Schutz ihres Geheimnisses ist ihnen wichtiger und das ist wie Hannigan beweist bei diesem Zeitablauf nicht mehr sicher. Der finale Showdown beinhaltet eine weitere Problematik. Mehr und mehr verfällt Martin Kay der Überheroisierung seiner Protagonisten. Einen wichtigen Aspekt insbesondere des ersten Bandes hinsichtlich des Projektes und den zwanzig Namen auf einer Liste relativiert er ohne Not und verschenkt einen nicht unwichtigen Handlungsbogen vor allem es mittleren Buches. Hinzu kommt, dass mit den ambivalenten wie oberflächlichen Hinweisen, das sie schon das richtige Tun wird und indirekt zu einer Art Erbin erkoren wird, sich Hannigan von der bislang gejagten Verräterin zwar einen Schritt weiterentwickelt, aber zu viele Lasten auf ihren Schultern geladen werden. Anstatt sie als kleines, aber effektives Rädchen weiter zu verwenden, schubst sie Martin Kay indirekt die Spitze dieser ominösen Organisation mit subjektiven Welterhaltungsvisionen. Ob die Idee, das alles vom Zweiten Weltkrieg über die Ermordung Kennedys bis zum 11. September wirklich geplant ist, überzeugt, muss jeder Leser selbst beurteilen, aber wenn sich Martin Kay vor allem hinsichtlich seiner Theorien ein wenig tiefer in die Geschichte eingearbeitet hätte, dann wären andere Verläufe wie den Erhalt der diktatorischen Macht einiger Häuser auch hinsichtlich der indirekten Ausbeutung der Bodenschätze effektiver gewesen als das angeblich so absichtlich geplante Chaos. Mit vielen Ideen bleibt der Autor an der Oberfläche und nimmt sich wie gesagt durch überambitioniertes Vorgehen selbst rückblickend die Effektivität.  Natürlich werden diese politischen Variationen überdeckt durch viele sehr gut geschriebenen, von technischen waffenfetischistischen Beschreibungen modernster Tötungsmaterialien überdeckt. Neben Verfolgungsjagden beginnend in Prag mit der attraktiven Irina über die Flucht mit einem vorhandenen Jet – Hannigan kann ja alles fliegen – bis zum Kampf gegen die angreifenden Spezialtruppen des Gegners ist alles nicht nur einmal, sondern mehrfach vorhanden. Wie bei den amerikanischen High Tech Thrillers mag es der Autor laut. Vergleiche zu den handlungstechnisch fokussierteren „Olympus has fallen“ oder „White House Down“ bieten sich ohne Frage an. Aber im Vergleich zu den ersten beiden Büchern nimmt Martin Kay teilweise das Tempo zwischen den einzelnen Actionszenen zurück und bemüht sich, irgendwie auch auf seine Figuren einzugehen. Dabei ist niemand bis auf Hannigan – ihre neue Denkweise wird wieder erschüttert – vor dem Tod sicher, was die Spannungskurve hochhält. Es gibt Verräter und Gegenspionage. Die Fronten werden gewechselt und nicht selten wird in der zweiten Hälfte des Buches auch mehr gemordet, während die gerade in Position gebrachten Charaktere in den Auftaktkapiteln eher bemüht im Grunde unmöglichen Szenen noch einmal entkommen können. Da wird geblufft oder in letzter Sekunde kommt die Rettung wie beim spektakulären Einbruch in das Pentagon inklusiv der unterbewussten Nutzung des gigantischen, vor dem Bau schon etablierten Transportsystems aus dem Nichts heraus. Die Balance zwischen Zufällen und geplanten Aktionen droht immer wieder zu kippen, aber Martin Kay schafft es, den Leser bei der Stange zu halten. Dabei setzt er konsequent auf seine Stärken in der reinen, aber gut übersichtlichen Beschreibung von Actionszenen.

Eine Schwäche ist wahrscheinlich noch die Charakterisierung der Protagonisten. Ihnen fehlt manchmal die notwendige menschliche Komponente, um die sich der Autor im zweiten Band der Serie besser gekümmert hat. Seine Menschen sind zu agil, zu erotisch und zu wenig von den immerhin ihre Welt erschütternden Ereignissen schockiert. Natürlich sind es meistens Profis, die extrem gut ausgebildet worden sind, aber ein wenig mehr Gefühl hätte der Handlung gut getan. Zusätzlich muss Martin Kay manchmal auch auf die so typischen James Bond Momente zurückgreifen, in welchen die Schurken ausführlich, aber vom Autor mit dem Hinweis auf „Moonraker“ gut eingeordnet, der angeblich hilflosen Gefangenen ihre Weltpläne offenlegen müssen, damit der Leser wieder auf Augenhöhe ist. Zumindest findet sich ab und zu in dieser Hinsicht ein Augenzwinkern im Text, auch wenn einige Dialoge weiterhin steif und vor allem aus der jeweiligen Situation heraus unnatürlich erscheinen. Dafür sind die Actionszenen wieder sehr rasant, aber auch für den Leser übersichtlich geschrieben worden.  

Zusammengefasst ist „Die Generäle“ ein weiterer oberflächlich kurzweilig zu lesender Roman der Hannigan Serie, der aber im Gegensatz zu den ersten beiden Bänden auch beginnt, Fragen zu beantworten und damit mehr in den Bereich der Science Fiction abdriftet und das klassisch wie klischeehafte Geheimagentengenre langsam in den Bereich der Paranoia Literatur verlässt.           

 

Titelbild: Mark Freier
Atlantis Verlag
A5 Paperback,
502 Seiten, ISBN 978-3-86402-286-9.
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