Cotton Reloaded 9- Todesspiel

Alfred Bekker

Mit „Das Todesspiel“ debütiert der in allen Genres gewaschene Alfred Bekker in der Neuinterpretation von „Jerry Cotton“. Wie es sich für seine zahlreichen Arbeiten auch für die alte laufende Serie gehört, präsentiert Bekker einen soliden stringenten Fall, der sich aus zwei anfänglich nicht in einem engen Zusammenhang stehenden Verbrechen zusammensetzt. Keine erzkonservativen Verschwörungen rechter amerikanischer Randbereiche und vor allem keine „Killer Apps“, auch wenn moderne Technik eine wichtige Rolle spielt.

Von Korea ausgehend hat die Computerspielszene inklusiv anspruchsvoller Teamturniere die Welt erobert. In New York sollen die „Counterstrike“ Starspieler um ein Preisgeld von 500.000 Dollar spielen. Der koreanische Starspieler Park Dae- Young als charismatischer Frontmann der Favoriten wird in der Menge aus größerer Entfernung niedergeschossen. Da das weiße Haus potentielle politische Probleme mit Korea befürchtet, da Dae- Young in seinem Heimatland einen ungeheuer populären Status eingenommen hat, wird die Spezialeinheit um Cotton eingeschaltet. Die ersten Hinweise zielen auf einen koreanischen Paten, der ein umfangreiches Netzwerk in New York unterhält. Bislang konnte man dem Mann nichts beweisen. Anscheinend hat Park Dae- Young in seiner Heimat an illegalen und lukrativen Wettturnieren teilgenommen. Auf der anderen Seite ist überraschend, das ein Nachfolger für den Ermordeten noch engere Beziehung zu den Familien unterhält.

Cotton und Decker folgen diesen Hinweisen ausgesprochen stringent. Es werden die üblichen Verdächtigen – Teammitglieder, Management und Konkurrenten – verhört. Die erhaltenen Hinweise ergeben ein komplexes und auf den ersten Blick überzeugendes Bild einer von der Mafia unterwanderten Spielewelt, die ihre gigantischen Gelder dort waschen. Interessanterweise hat Neal Stephenson in seinem ungleich komplexeren „Error“ eine ähnliche Theorie entworfen, wobei es in seinem Fall weniger um illegale Wetten als eine engere Verbindung zwischen der Realität und wirtschaftlicher Virtualität geht. Der Leser ahnt allerdings spätestens beim zweiten Mord an einem Starspieler, dass wahrscheinlich nicht die Mafia hinter den Taten steht. In der zweiten Hälfte des Romans muss Bekker im Grunde aus dem Hintergrund einen einzigen weiteren Verdächtigen ziehen, dessen Motive simpler, vielleicht sogar ein wenig zu simpel sind.

So zerfällt der Roman auch in zwei unterschiedliche Hälften. Bekker wandelt anfänglich auf einem schmalen Grad und unternimmt zu wenig, die bodenständigen Cotton und Decker, welche während des ganzen Falls bis auf hochnäsige Kommentare über die bekannten Soloritte ihres Partners nicht viel zu tun hat und inzwischen zu einer Art Staffage nach ihren anfänglich überzeugenden Auftritten verkommen ist, in diese futuristisch erscheinende, aber doch eine Extrapolation der bekannten Gruppenspiele darstellende Welt einzuführen. Es gibt spärliche Hinweise auf die Schwierigkeiten, sich als Team auf dieses Turnier vorzubreiten und kontinuierlich an der Effektivität der „Einheit“ zu arbeiten. Dann wird Park Dae- Young zu einer Art „Primus Inter Pares“ gemacht, der aus der Gruppe herausragend inzwischen seine „Seele“ an die Industrie verkauft hat, um für Artikel Werbung zu machen, die unter dem Standard der Starspieler sind. Cotton und Deckers Realität und die Irrealität der Spielerszene berühren sich nur leicht. Auch die Ermittlungen gegen den Wettpaten und seine Helfer laufen vielleicht ein wenig zu glatt ab. Während der erste potentielle Kronzeuge rechtzeitig ums Leben kommt, findet sich schließlich Freiwillige, die unter Polizeischutz aussagen. Und wie es sich für einen derartigen Roman gehört, sind es wieder die Frauen, die mit guten Beispiel vorangehen. Wie schon angesprochen ist für die „Cotton Reloaded“ Arbeiten positiv typisch ein zweiter Fall eingebunden, auf den Cotton und Decker durch fehlende Puzzleteile und nachhaltige Motive stoßen. Dieser wirkt rückblickend ein wenig zu einfach angelegt und stiefmütterlich entwickelt. Auf den letzten Seiten laufen diese beiden Fallebenen aber sehr zufrieden stellend zusammen.

Wie schon angesprochen ist Decker seit einigen „Cotton Reloaded“ auf eine Stichwortgeberin reduziert. Mit den eigentlichen Ermittlungen, die Cotton viel zu sehr auf seine eigene direkte Art und Weise zu lösen sucht, hat sie bis auf einige Hinweise nicht mehr viel zu tun. Damit verlieren die neueren „Cotton Reloaded“ Romane einen Teil ihres modernen Charmes, in dem klar und deutlich gemacht worden ist, dass die Allein-gegen-Alle Vorgehensweise in der technokratischen Gegenwart nicht mehr funktioniert. Als Charakter war Cotton in den ersten Abenteuern, welche der BASTEI Verlag so liebevoll nachdruckt, ein dominanter Teamplayer, der zusammen mit einer Handvoll Spezialisten gemeinsam und doch in den entscheidenden und nicht wie in der vorliegenden Neuinterpretation in fast jeder Szene alleine agiert. So erscheinen die „Cotton Reloaded“ Bände wie von den stilisierten Titelbildern suggeriert als moderne Jason Bourne oder eben James Bond Abenteuer.

Insbesondere Alfred Bekker kann es sehr viel besser, mit einfachen Strichen überzeugende Nebenfiguren zu erschaffen. Die Vielzahl der Verdächtigen und Befragten bleiben blass. Sind kaum voneinander zu unterscheiden. Selbst bei den Mafiosi folgt der Autor eher dem Klischee des asiatischen Gangsterkinos, als das er sich etwas Neues einfallen lässt. Mit etwas mehr subtilen Humor und vielleicht einigen Anspielungen auf diese Vorlagen hätte der Hintergrund der solide erzählten Geschichte überzeugender gewirkt und dem ganzen Roman mehr Tiefe gegeben. Im Vergleich zu dem bislang schlechten Werk „Killer Apps“ der Serie ohne Frage eine starke inhaltliche Verbesserung, die richtige Mischung zwischen Aktualisierung/ Modernisierung im Vergleich zu den immer noch erscheinenden „klassischeren“ Fällen und einer Hommage an das Original konnte noch nicht gefunden werden.

 

amazon, Kindle Edition

ca. 96 Seiten

Juni 2013

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