Kill now, pay later

Robert Terrall

Robert Terralls “Kill Now, Pay later” ist im Grunde eine Art Hardboiled Theaterstück und deswegen auch so faszinierend. Der ganze Plot könnte mittels weniger Rückblicke – im Roman ausschließlich aus subjektiver Perspektive beschrieben – vor zwei oder drei Bühnenbildern aufgeführt werden. Wie es sich für psychologische Thriller gehört, ist das Zusammenspiel der einzelnen Protagonisten vor den Augen eines in diesem Fall in seiner Ehre gekränkten Detektivs das packende, die Spannung fördernde Element, das allerdings wie ebenfalls ein fast klischeehafter Bestandteil dieser Art der Inszenierung nicht gänzlich zufrieden stellend aufgelöst werden kann. Es ist der dritte von insgesamt fünf Romanen um den Privatermittler Ben Gates, die der unter verschiedenen Pseudonymen in den fünfziger und sechziger Jahren sehr aktive Robert Terrall veröffentlicht hat. Es ist nicht notwendig, die anderen Geschichten zu kennen, da erstens der Fall gänzlich abgeschlossen ist und zweitens die wenigen Hintergrundhinweise oberflächlicher Natur sind. Ben Gates ist weder pleite noch schleppt er eine dunkle Vergangenheit meistens in Form einer Femme Fatale mit sich herum. Er agiert alleine und ist zumindest kein rotes Tuch bei der örtlichen Polizei. Er weiß allerdings auch, dass ein kleiner Fehlertritt, der Hinweis auf ein mögliches Versagen seine selbstständige Tätigkeit sehr schnell beenden kann. Dieser Reinhalten des eigenen Rufes wirkt über die ganze Geschichte betrachtend ein wenig paranoid, da sich schnell herausstellt, dass er zumindest nicht die eigenen Taschen gefüllt hat. Auf der anderen Seite gibt diese Prämisse Terrall die Möglichkeit, seinen Protagonisten über den eigentlichen Fall hinaus ohne Auftraggeber – es ist selten, dass sich ein Detektiv um einen Klienten derartig bemüht, um in einem Fall weiter zu forschen, der ihn selbst teilweise betrifft -  im Spiel zu lassen. Es ist vielleicht die gröbste Konstruktion einer Familiengeschichte, deren Entwicklung insbesondere im finalen Viertel eine Reihe von Überraschungen bereit hält, die eher an eine Familiensaga denn einen klassischen Kriminalfall erinnern.

Der Auftakt ist dabei am interessantesten: Ben Gates soll bei einer exklusiven Hochzeit die Geschenke bewachen. Als die Party normale Dimensionen sprengt, holt er einen Kollegen hinzu. Im Raum mit den wertvollen Geschenken wird ihm von einer Bedienung ein Kaffee gereicht. Kurze Zeit später taucht eine sehr attraktive Brautjungfer auf und versucht ihn stark alkoholisiert zu verführen. Sie streift eines der wertvollen Armbänder über. Danach hat Ben Gates einen Filmriss und wacht am nächsten Morgen auf dem Sofa wieder auf. Anscheinend wurde der Kaffee mit einem Schlafmittel versetzt. Ein Gangster hat in der Zwischenzeit des Safe im Haus ausgeraubt und die alte Dame zu Tode erschreckt. Auf seiner Flucht ist der Gangster von Ben Gates Kollegen erschossen worden. Das anscheinend gestohlene Armband taucht kurze Zeit später wieder auf. Die Brautjungfer schämt sich für ihren alkoholischen Blackout. Damit wäre der Fall eigentlich erledigt. Der Täter ist tot und die Beute wieder da. Nur scheint aus dem Tresor neben Schmuckstücken auch eine größere Summe Geldes verschwunden zu sein, die man nicht beim toten Einbrecher gefunden hat. Und dieser hatte wenig Zeit, die Beute zu verstecken. Der Hausherr beauftragt den um seine Reputation kämpfenden Ben Gates, nach dem Schwarzgeld zu suchen. Nur scheinen auch die Angaben des Hausherrn eher vage zu sein.

Als Verdächtige kommen drei sehr attraktive Frauen – die Bedienung, die Sekretärin und schließlich auch die Brautjungfer – in Frage, die alle im mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit dem Hausherrn und seinem missratenen Sohn stehen.

 

Wie schon angedeutet ist der Auftakt nicht zuletzt dank Robert Terralls ausgesprochen lesenswerten, lakonisch unterhaltsam Erzählstil mit einem erschütterten Ben Gates gut zu lesen. Gates gehört zu der Sorte von Detektiven, die ihre Arbeit sachlich und korrekt ohne Aufsehen zu erregen versehen. Er ist weniger ein Hardboiled Detektiv, als die moderne, sich im Schatten von Mike Hammer durchsetzende Version eines privaten Ermittlers, der unbestechlich ist und seine Schnüffelei als Berufung und weniger als Makel ansieht. Aus dieser Position heraus ist auch der Eifer Ben Gates zu verstehen, die Ermittlungen über die abgeschlossene Akte der Polizei hinaus weiter laufen zu lassen. Die Konfrontation mit den drei sehr unterschiedlichen Frauen und ihre eher weniger düsteren Geheimnisse nimmt den wichtigen Mittelteil des Romans ein. Spannung wird erzeugt, da die Aussagen sich nicht decken und jede von Ben Gates eruierte Information eine andere der drei Frauen belastet. Und hier liegt auch das spannungstechnische Problem des Romans. Ben Gates wühlt sich in den Plot hinein und kann auch eine Reihe von Fakten herausarbeiten, die aber nur auf einen mittelbar in Frage kommenden Verdächtigen zielen. Und dieser erfüllt alle Klischees des Genres. Anscheinend war sich Robert Terrall dieser Problematik auch bewusst, in dem er im dritten Viertel des Buches begann, eine Reihe von falschen Spuren zu legen, welche die Stringenz des Plots verdecken sollen. Das gipfelt in einer fast klischeehaften Erpresservariante, die aber wie andere Aspekte des Plots in der Luft verpufft, da das Opfer einfach nicht bezahlen will und auch keinen Grund hat, bezahlen zu müssen. Wenn Ben Gates wie in einem Theaterstück alle Verdächtigen in einem Raum versammelt und die einzelnen Motive – sie überlappen sich, was teilweise verwirrend erscheint – analysiert, dann macht es sich der Autor zu einfach. Zu viele Köche verderben im wahrsten Sinne des Wortes den Brei. Und das in einer Nacht ein Berufsverbrecher im Grunde von „mehreren“ Seiten zu einer Tat angestachelt worden ist, für die er eigentlich nur der Sündenbock sein soll, erscheint ebenso unwahrscheinlich wie das Verhältnis der einzelnen Figuren untereinander. Auf den ersten oberflächlichen Blick liest es sich spannend und der Autor kann die einzelnen Motive solide präsentieren, sie wollen aber wie bei einem sperrigen Puzzle nicht ganz zusammenpassen. In vielerlei Hinsicht erweckt der Plotverlauf Erwartungen, welche Terrall in seiner Abrechnung mit den exzentrischen und gesetzlosen Reichen nicht erfüllen wollte. Vielleicht ist die Idee vom Bluff und Gegenbluff, der tragische Folgen für Unschuldige hat, der einzige Aspekt, der dem Leser länger im Gedächtnis bleiben wird.

Auf der anderen Seite sind die Begegnungen zwischen Ben Gates und drei sehr unterschiedlichen Frauen die Würze des Romans. Da wäre zu erst die Bedienung, welche Ben Gates den „vergifteten“ Kaffee gereicht hat. Wie es sich für Romane aus den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren gehört, handelt es sich um eine aufgeschlossene, junge und attraktive Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und auf deutlich ältere Männer zu stehen scheint. Es ist schade, dass Robert Terrall im ein wenig phlegmatischen Mittelteil dem Leser diese lebensfrohe Figur fast gänzlich entzieht. Höhepunkt der leider teilweise wenig komischen, sondern eher klamaukartigen „Actionszenen“ ist Ben Gates Flucht auf ihrem Damenfahrrad, nachdem er es unauffällig durch die Hintergärten der Nachbarn geschoben hat.

Das Gegenteil ist die klassisch biedere Sekretärin mit einer nicht ganz reinen Vergangenheit, die sich körperlich für ihren Job einsetzend mit entsprechender Brille auf den ersten Blick distanziert geschlechtslos erscheinen soll. Intellektuell ist sie Ben Gates wahrscheinlich ebenbürtig bis überlegen. Je mehr sich der Detektiv mit ihr auseinandersetzt, um so interessanter könnte der Plot werden. Nur macht Terrall auf den letzten Metern den Fehler, zu oft und zu schnell Absolution zu erteilen, so dass schon vor dem Showdown zu viel verraten wird.

Die Brautjunger und gleichzeitig Schwiegertochter in Spe des Hausherrn ist vielleicht der am meisten ambivalente Charakter des ganzen Romans. Sie weiß, das Alkohol ihr schadet und ihre moralischen Grenzen deutlich senkt. Auf der anderen Seite scheint sie grundehrlich zu sein, da sie am nächsten Tag ohne Not das teure Armband wieder zurückgibt. Damit rückt sie fast von selbst in den Kreis der potentiell Unschuldigen. Terrall beschreibt sie aber als Schlüsselfigur einer Reihe von Entwicklungen zu eindimensional und zu farblos, als das er sie als Gegengewicht insbesondere zu den ersten beiden Frauen effektiv einsetzen kann.

Zusammengefasst lebt der stringente, nicht gänzlich unterinteressante, aber ein wenig zu phlegmatisch gedehnt beschriebene Plot von den verschiedenen Irrungen und Wirrungen, denen Ben Gates dank einer Reihe von absichtlich falsch gelegten Spuren immer wieder begegnet. Nach dem interessanten Auftakt und vor dem konzentrierten Showdown muss sich der Leser mit pointierten, zweideutigen Dialogen begnügen, welche die verschachtelte und teilweise zu verworrene Handlung eher stockend vorantragen. Ein eher typisches, denn klassisches Beispiel für manches Detektivgarn aus den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren allerdings mit einem Gegenentwurf des Supermachos Mike Hammer als Protagonist.     

  

 

    

September 2007
ISBN: 978-0857683304
Cover art by Robert McGinnis

Taschenbuch, 216 Seiten

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