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Mit “Wrath” endet nicht nur die 8. Staffel von The Walking Dead, es soll auch ein entscheidender Wendepunkt für die komplette bisherige Serie sein. So wurde es die letzten Wochen zumindest groß beworben. Das Finale macht allerdings wenig Hoffnung.
Ding-Dong, die Hexe ist … immer.noch.nicht.tot.
Negan lebt. Rick lebt. Eigentlich leben fast alle Charaktere mit Namen noch. Nicht, dass ich unbedingt Blut und Leichen sehen muss, aber für diverse ins Nichts laufende Handlungsstränge wäre ein wirklich abschließender “Deckel-drauf-Moment” nötig gewesen.
Für die, die schon gar nicht mehr die Muse haben, die Serie selbst anzusehen und dafür nur noch Kritiken lesen - das Geschehen der Episode ist beinahe lächerlich einfach: Negan versorgt Rick mit falschem Angriffsplan. Rick rechnet mit Falschheit. Negan rechnet damit, dass Rick mit Falschheit rechnet. Spielt ihm neuen falschen Angriffsplan zu. Rick hört auf zu denken und begibt sich mit all seinen wichtigsten Leuten auf einen netten Spaziergang über weites, offenes Feld. Sehr praktisch fürs Filmteam, eher blöd in Zombie-Apokalypse-Kriegszeiten.
Natürlich werden sie von Saviorn umzingelt. Negan schwingt große Rede. Rick schwingt große Rede. Damit die Lösung dieses Problems nicht komplett unvorbereitet kommt, wird auffallend oft Eugenes Gesicht in Großaufnahme gezeigt. Und natürlich: Er hat die Munitionsproduktion manipuliert. Sie feuern zurück und verletzen alle Savior, inklusive Negan. Weil niemand mit alter Munition feuert. Und niemand vorher irgendwas überprüft hat. Negan greift voller Urvertrauen zum Test ja auch die bereits vorbereitete Pistole von Eugene.
Wie praktisch … für die Serienmacher.
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Alles für Carl
Akustische Gitarrenmusik und gesäuseltes Voiceover machen eine Episode nicht gleich tiefgängig. Ricks Erinnerung an Spaziergänge mit seinem Sohn vor der Apokalypse ist zwar ein atmosphärischer Einstieg, fällt aber ohne Unterfütterung mit Inhalt schnell in sich zusammen.
Über zwei Staffeln ist Rick zerfressen mit Hass und Mordgelüsten gegenüber Negan. Ist permanent anderer Ansicht als sein Sohn, setzt sich über alles hinweg. Nichts kann ihn abbringen. Aber auf einmal passt ein plötzlicher Sinneswandel eben besser ins Finale. Hinführung und Aufbau braucht es nicht.
Kampf Mann gegen Mann, Negan gegen Rick, hatten wir ja schon diverse Male. Jetzt siegt Rick, stößt Negan mit einer Glasscherbe in den Hals. Doch sterben darf Negan nicht. Man braucht ihn. Für eine bessere Welt. Als Symbol. Weil foltern und in einem Gefängnis verrotten lassen besser ist. Für eine schöne Welt. Und auch überhaupt nicht gefährlich, weil Negan ja gezeigt, hat wie gut er in Gefangenschaft bleiben kann und offen für Veränderung ist. Was soll schon schief gehen. Wird sicherlich schön.
Wir haben doch keine Zeit
Seit mindestens zwei Staffeln schlurft The Walking Dead vor sich hin. Endlose, sinnlose Szenen aneinandergereiht. Gewalt folgt Gegengewalt. Man dreht sich wieder und wieder, kommt nicht vom Fleck. Irgendwie haben die Serienmacher dabei dann auch völlig vergessen, manche Wendungen plausibel einzuleiten.
Dass Oceanside sehr praktisch total rechtzeitig am Hilltop auftaucht, um mit spektakulären Brandbomben die Savior in die Flucht zu schlagen, ist eine Sache. Oceanside wurde mehr als ausführlich immer wieder aufgegriffen, um dann schlicht mit ein paar Sekunden Aktion im Finale gerechtfertigt zu werden.
Hätte man in den vorherigen Folgen nicht alleine von Oceanside die nötigen Minuten abzwacken können, um Maggies dramatische Veränderung andeuten zu können?
Nun wird sie als Antreiberin eines neuen großen Übels angekündigt. Sie ist überhaupt nicht damit zufrieden, dass Rick Negan am Leben gelassen hat. Der Moment der Wut und Verzweiflung auf dem Schlachtfeld ist dabei einer der Höhepunkte - nach den vielen Szenen mit Maggie als ruhige, entschlossene Anführerin des Hilltops bricht es hier aus ihr raus. Stark.
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Doch was sollte das Schattenkabinett am Ende? Maggie als Big-Boss im großen Ledersessel redet aggressiv davon, dass man Rick und Michonne zeigen müsse, was sie davon haben. Das klingt nach mehr als nur eine leichte Drohung. Und ausgerechnet Jesus und Daryl stimmen ihr zu? Geht es gleich mit perfiden Bürgerkrieg weiter? Warum eigentlich “und Michonne auch”? Das hat ja noch weniger Sinn innerhalb des bisherigen Geschehens. Gerade weil die Beziehung zwischen ihr und Rick so wenig überzeugend gezeigt wurde.
Friede, Freude, Eierkuchen
Die Schlacht Rick gegen Negan ist vorbei. Auf einmal entdecken alle ihre Leidenschaft fürs Gärtnern. Sonnig, weich gezeichnet, alle lächeln sich wissend zu, helfen sich gegenseitig. Der Traum vom harmonischen Zusammenleben danach scheint sich beeindruckend (aka unglaubwürdig) schnell zu verwirklichen.
Weil Negan ja der einzige Gestörte ist und alle gezwungen waren, lauter Grausamkeiten mitzumachen. Die große Rede von Rick hat dann aber überzeugt - lieb haben ist angesagt!
Carol reitet mit Ezekiel, Jerry und Henry in den Sonnenuntergang ‘gen Kingdom. Morgan zieht es alleine los, gibt aber netterweise auf dem Weg Jadis auf dem Schrottplatz noch eben Bescheid, dass sie sich gerne Ricks Gemeinschaft anschließen kann. Das freut sie, alleine sein ist doch blöd und man möge sie jetzt lieber Anne nennen.Einzig die riesig werdende Zombieherde sieht ungemütlich aus. Aber gemeinsam wird man auch das schaffen.
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So ganz schlüssig ist in dem Zusammenhang dann nicht, warum ausgerechnet Dwight das Glücksbärchi-Land vorenthalten wird. Zwar darf er weiter leben, bekommt von Daryl aber sehr deutlich gemacht, dass er sich weit, weit zu entfernen habe und niemals zurückkommen darf. Aber nun gut, Dwight will eh seine Frau finden. Vielleicht trifft er ja unterwegs Morgan. Und an seiner Stelle wäre ich auch lieber weit, weit weg von dem noch lebenden Negan.
Fazit
Hat überhaupt noch irgendwer Lust auf The Walking Dead? Damit meine ich noch nicht einmal nur die Zuschauer - da ist es auch an sinkender Quote abzulesen. Von den Make-Up-Künstlern und einzelnen Ausnahmen abgesehen: Haben die Serienmacher und Darsteller noch Bock zu arbeiten?
Das Finale ist nach zwei Staffeln Hinhalten und ewigen im Kreis drehen das unbefriedigende Ende von zwei lieblosen, unsinnigen Staffeln. Und noch nicht einmal jetzt ist wirklich alles erledigt. Negan lebt. Rick lebt. Der Hass lebt weiter, hat nur etwas Regenbogen-Glitter-Zuckerguss bekommen.
Noch besteht allerdings Hoffnung, dass mit dem Showrunner-Wechsel von Scott Gimpel zu Angela Kang die Serie auch inhaltlich neuen Schwung bekommt.