Star Trek: Discovery - Kritik zum Auftakt der 2. Staffel

SPOILER

Nach dem Ende der Episode hatte ich Freudentränen in den Augen. Ein Gefühl, das ich länger nicht in der Form bei einer Serie hatte und nach der - freundlich formuliert - durchwachsenen ersten Staffel schon gar nicht von Star Trek: Discovery erwartete.

Alles auf Anfang

Keine Angst, alle Geschehnisse der ersten Staffel sind nicht einfach ein Traum des Weltraumwals gewesen. Ganz so sehr auf Anfang geht es dann doch nicht. Der Klingonenkrieg hat stattgefunden, die Discovery war im Spiegeluniversum, sie sind zurück, eine Art Frieden mit den Klingonen ist geschlossen, und der Sporenantrieb wird wohl eingemottet. Weiter geht es. Und gleich auch das hoffnungsvolle Gefühl: “Jetzt geht es mit Star Trek: Discovery erst richtig los”.

Denn man erkennt klar: Die Serienmacher haben sich die Kritik vieler Fans wohl zu Herzen genommen. Von den ersten Sekunden an an versprüht die Episode mit optisch simpel-schönen Grafiken und einstimmenden Voice-Over von Burnham so viel Star-Trek-Charme wie alle bisherigen Folgen zusammen nicht.

So präsentiert sich der Auftakt in einer stimmigen Mischung aus abgeschlossener Ein-Folgen-Mission, Einführung eines vermutlich neuen Staffel-Themas, Charakterentwicklung und Weltraumspaß. Science! Achja, und mit dem Auftauchen der Enterprise, Captain Pike und Spock natürlich nicht nur eine Prise Trek-Nostalgie.

“Ich bin nicht Lorca.”

Wie aus dem Staffelfinale und diversen Trailern bekannt trifft die Discovery auf die Enterprise, und Captain Pike übernimmt im Auftrag der Föderation das Kommando. Saru erweist sich in der Folge dankenswerterweise als eine wandelnde Version von Memory Alpha. Ganz so firm mit der Sternenflottenvorschrift sind nämlich weder ich noch vermutlich der Großteil der Zuschauer.

Vom ersten Auftritt im Transporterraum überzeugt Anson Mount als Christopher Pike. Und als Captain. Das selbstsichere, verschmitzte Auftreten und dabei doch um ein freundliches Miteinander und gutes Teamwork bemüht - man erkennt klar den Einfluss auf beziehungsweise von Kirk (je nachdem, aus welcher Perspektive man es sehen mag).

Beim Überfliegen einiger Kommentar-Tweets bei Twitter kam öfter auf, dass eine Szene am Ende als überflüssig hingestellt wird. Es geht sich um die Rückgabe des Captain-Stuhls an Saru nach beendeter Mission. Im nächsten Moment erklärt Pike gegenüber Burnham dann jedoch, dass er aufgrund größerer Reparaturarbeiten an der Enterprise doch noch eine Weile an Bord - im Kommando - bleiben wird. Ich hingegen empfinde die wenigen Sekunden, die die Brücken-Szene mit Saru braucht, als Zugewinn. Pike hatte eine Aufgabe. Die hat er erfüllt. Er sieht es als selbstverständlich, zurückzutreten und Saru seine ihm zustehende Position zu überlassen. Kein unnötiges Machtgehabe. Man nimmt ihm auch im Folgenden ab, dass er beim längeren Verbleib auf der Discovery ehrlich an einem gemeinsamen Captain-Dasein mit Saru interessiert ist.

Ein klarer Gegenentwurf zu Captain Lorca, was auch überdeutlich genau so gesagt wird. So fällt der Kommandowechsel und dass es bei der Discovery, anders als bei anderen Trek-Serien, keinen durchgehenden Captain gibt, mit dem man sich identifizieren kann, leicht.

Klein-Spock war ein Arschlochkind

Zugegeben sehr drastisch formuliert, aber das war nunmal mein erster Gedanke beim Gucken. Zwar hat man den Sternenflotten-Spock noch nicht zu Gesicht bekommen, aber dennoch war Burnhams Bruder präsent. Allen voran in Visionen beziehungsweise Rückblicken von Burnham, wie sie nach dem Mord der Klingonen an ihren Eltern von Sarek in seiner Familie aufgenommen wird. Herzlich von allen - außer von Klein-Spock, der sich anscheinend nun nicht unbedingt eine Schwester, und schon gar keine menschliche, gewünscht hat.

Trotz Gesprächen von Burnham mit Sarek, Pike und schließlich sogar Besuch auf der Enterprise in Spocks Quartier inklusive Auffinden seines persönlichen Logbuchs lässt die Episode offen, was genau zwischen Spock und seiner Familie vorgefallen ist, dass es zu einer jahrelangen Funkpause zwischen ihnen kam. Dafür aber manifestiert sich die Annahme, dass die Anomalie des eigentlich unmöglichen siebenfachen, scheinbar koordinierten Energieausstoßes das staffelüberspannende Thema ist. Immerhin ist auch Spock auf eigene Faust auf der Suche nach deren Hintergrund.

Nebenbei bemerkt geben die Vulkanier hier nicht nur durch die spitzen Ohren, gestelzte Redeweise und die Roben klare Elben-Vibes von sich. Die Inszenierung von Sareks Heim auf Vulkan - Ausstattungsdetails, Lichteinfall - könnte auch ein futuristisches Bruchtal sein.Ähnlich wie nach Iron Man (Tony Starks Laborausstattung) will ich jetzt übrigens unbedingt so ein handsteuerbares, leuchtendes Swusch-Visualisier-Dingens. Fachausdrücke und Beschreibungen kann ich!

Meist sind es die kleinen Dinge

Die Macher der Folge haben sehr viel richtig gemacht und beweisen, dass man gar nicht viel Screentime braucht, um dem Zuschauer Charaktere näher zu bringen und so einen bedeutenden Mehrwert zu schaffen. Sei es das Bemerken von Burnhams Anspannung seitens Saru und ihre schon beinahe freundschaftliche Auseinandersetzung darüber - inklusive Einbringen von Sarus Familienverhältnissen / Anknüpfung an Sarus Short Trek - bis hin zu so etwas wie der beiläufige Kommentar einer Ärztin im Hintergrund, dass Burnham wirklich eine furchtbare Patientin ist. Braucht wenig Zeit und Einsatz von zusätzlichen Mitteln, macht aber alles lebendiger, glaubhafter.

Auch die Verbindung und Erklärung von alt und neu, Enterprise vs. Discovery, kommt in einem schnellen, lockeren Flur-Gespräch humorvoll rüber. “Du sollst nicht begehren deines nächsten Raumschiffes” wirft Pike ein, als Offizierin Nhan angesichts der Ausstattung der Discovery bemerkt, dass hier wohl das ganze Geld (Moment … hat sie Geld gesagt?) der Föderation hinfließt. Dafür hat die Enterprise-Crew aber die neuen, farbenfrohen Uniformen. Enterprise hat das Aussehen, Discovery die Technik. Wäre das geklärt.

Es ist erstaunlich, was alles in dieser einen Stunde steckt. Kurzer Aufwasch der vergangenen Staffel, neuer Captain, neue Mission, persönliche Konflikte, und nebenbei werden einem auch noch sowohl neue als auch an sich schon “bekannte” Charaktere ein ganzes Stück zugänglicher gemacht. Die Vorstellungsrunde auf der Brücke mag vielleicht etwas plump daherkommen, aber endlich erfahren wir mal die Namen derer, die wir eigentlich schon mehrfach in Aktion gesehen haben. Selbst der eher unsympathische Offizier der Enterprise, Evan Conolly, bekommt eine solide Einführung. Allerdings stirbt er noch im Verlauf seiner ersten Folge auf sehr selbstverschuldet-dumme Weise. Dabei hatte er gar kein rotes Shirt an. Ich kann so nicht!

Mit Herz und Verstand

So gut sich Pike als Captain macht, es kommt doch immer wieder rüber, dass er - und seine Crew - sehr unglücklich darüber sind, im Krieg gegen die Klingonen in der Ferne zum Ausharren verdonnert worden zu sein. Das widerstrebt klar dem eher agierenden, eingreifenden, rettenden edlen Vorstellungen. Oder dunkler: Auf was solle man auch warten, wenn es am Ende nichts gibt, zu dem man zurückkehren könne. Jeder hat sein Päckchen zu tragen.

In bester Verfassung präsentiert sich Ensign Tilly. Sie ist das Herz der Episode, ohne dass dabei ihr Verstand hinten anstehen muss. Das weiß auch Stamets durchaus zu würdigen, der ihr eine Karriere als guter Captain in Aussicht stellt. Sie möge aber manchmal einfach etwas weniger reden. Stamets und Tilly beweisen sich abermals als Dream-Team. Sowohl was das Zwischenmenschliche angeht, als auch in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Natürlich ist Tilly da besonders traurig, als Stamets ihr seine Pläne schildert, die Discovery zu verlassen. Wobei das vermutlich nicht nur an den Erinnerungen an seinen getöteten Mann liegt. Immerhin sieht er sich eher als Wissenschaftler, und seine Sporenforschung, die ihn überhaupt erst auf die Discovery brachte, scheint nun beendet. Da liegt die Annahme des spannenden Angebots von Vulkan nahe. Aber auch im Bestreben, mehr über den Asteroiden und die Anomalie herauszufinden und die Angst um Burnham, das ständige Schwanken zwischen (Für-)Sorge und technischer Neugier mit großem Wissen - Tilly ist mittendrin und zeigt klar Führungsqualitäten.

Ähnlich die Einführung von Jett Reno. Eingebettet in jeder Menge hübscher Weltall-Raumschiff-Technik-Action ist einem die verschrobene Ingenieurin mit dem Galgenhumor und großen Können gleich sympathisch. Als einzig unverletzt Zurückgebliebene hat sie mehrere Monate in den Ruinen eines im Krieg verunglückten Föderations-Schiffes auf dem Asteroid überlebt - und dabei so gut es unter den schwierigen Bedingungen ging sich als Ärztin für die noch lebenden Schwerverletzten betätigt. Schon jetzt bin ich auf ein Zusammentreffen von Stamets, Tilly und ihr sehr gespannt.

Nebenbei bemerkt fand ich es auch ganz großartig, hier gleich mehrere tolle weibliche Charaktere mit großen Fähigkeiten bei der Zusammenarbeit zu sehen. Die Serie macht darum kein Gewese, ich mit der Bemerkung hier aber schon ein klein wenig. Mich freut es, denn “normal” ist dies leider nach wie vor nicht. Dazu gehören auch kleine Dinge, wie das zu Beginn etwa keine 0815 im Westen bekannte Geschichte, sondern zu einem afrikanischen Mythos über die Schöpfung der Milchstraße gegriffen wurde (wobei ich noch dabei bin herauszufinden, um welchen genau es sich handelt). Auch hier: Mit Herz und Verstand.

Fazit

So verworren und negativ die erste Staffel von Star Trek: Discovery daherkam, so sehr begeistert der Auftakt der zweiten Staffel. Man findet den richtigen Ton, bleibt vergleichsweise simpel und gibt den Charakteren mehr Raum. Dazu gibt es jede Menge schicke Technik und ein wenig Humor. Wer im Verlauf der bisherigen Folgen ausgestiegen ist, mag vielleicht nun doch noch einen Versuch starten und gleich in Staffel 2 einsteigen.

Watch CBS All Access' Star Trek: Discovery Season 2 Trailer

Star Trek: Discovery

Originaltitel: Star Trek: Discovery
Erstaustrahlung 24. September 2017 bei CBS All Access / 25. September 2017 bei Netflix
Darsteller: Sonequa Martin-Green (Michael Burnham), Jason Isaacs (Captain Gabriel Lorca), Michelle Yeoh (Captain Georgiou), Doug Jones (Lt. Saru), Anthony Rapp (Lt. Stamets), Shazad Latif (Lt. Tyler), Maulik Pancholy (Dr. Nambue), Chris Obi (T’Kuvma), Shazad Latif (Kol), Mary Chieffo (L’Rell), Rekha Sharma (Commander Landry), Rainn Wilson (Harry Mudd), James Frain (Sarek)
Produzenten: Gretchen Berg & Aaron Harberts, Alex Kurtzman, Eugene Roddenberry, Trevor Roth, Kirsten Beyer
Entwickelt von: Bryan Fuller & Alex Kurtzman
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 42+


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