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Die oscar-nominierte Darstellerin Shohreh Aghdashloo kann auf eine langjährige und abwechslungsreiche Schauspielkarriere zurückblicken. In The Expanse spielt sie die mächtige Politikerin Chrisjen Avasarala. Im Gespräch mit den Robots-&-Dragons-Redakteuren Johannes Hahn und Stefan Turiak verrät sie, wie sie sich auf diese und andere Rollen vorbereitet und was die Motivation Ihrer Figur in der Science-Fiction-Serie ist.
Robots & Dragons: Ihre Figur ist eher sowas wie ein Powerbrokerin oder eine Strippenzieherin, die zwar eine mächtige Position innehat, aber nicht unbedingt an Ruhm und Prestige interessiert ist, sondern die meiste Zeit im Hintergrund agiert. Was glauben Sie, ist ihre Motivation?
Shohreh Aghdashloo: Mehr als alles andere ist es zunächst einmal die Erde selbst. Ich habe da eine Theorie: Sie ist verheiratet und sie hat Kinder. Aber erinnern Sie sich daran, als es auf der Erde langsam gefährlich wurde? Sie schickte ihren Ehemann und ihre Kinder nach Lunar, um sie aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Mir sagt das, dass sie gewillt ist, sich selbst für die Erde zu opfern. Aber sie nimmt ihrem Ehemann und ihren Kindern die Entscheidung ab, ob sie bleiben oder fliehen möchten. Sie trifft die Entscheidung und schickt sie weg. Als ich diese Zeilen las, stand ich kurz vor den Tränen, weil es sich um eine sehr intensive Szene handelte und mir deutlich wurde, dass diese Frau sogar bereit ist, dafür zu sterben.
Darüber hinaus ist sie neben den Ressourcen der Erde auch an den Kindern der Erde interessiert. Und ich kann mich mit ihr identifizieren, weil ich selbst eine Mutter bin. Wenn ich einen Teller mit Essen habe, würde ich zuerst an meine Kinder denken. Sie weiß, dass die Menschen, die mittlerweile auf Lunar und auf dem Mars Leben irgendwann zurückkehren werden und sich an den Ressourcen der Erde bedienen möchten. Und sie weiß, dass diese Ressourcen irgendwann nicht mehr ausreichen werden. Das erlaubt sie allerdings nicht. Entweder diese Ressourcen werden ihr abgekauft oder Mars und Lunar produzieren sie selbst. Diebstahl erlaubt sie nicht.
R&D: Wie bereiten Sie sich auf Rollen und auf die Figuren vor, die Sie spielen?
Shohreh Aghdashloo: Ja, das ist eine interessante Frage: Neulich fragte mich jemand, ob ich mich an eine Szene erinnere, die ich verpatzt habe. Und ich antwortete, dass es mir leid tut, enttäuschen zu müssen und dass ich mich an keine solche Szene erinnern kann. Weil ich mich intensiv und ausführlich vorbereite. Diese Vorbereitung sieht folgendermaßen aus: Bei einer nicht-fiktionalen Figur – zum Beispiel habe ich Saddam Husseins Ehefrau gespielt und mir wirklich alle Videoclips von ihr angesehen, von privaten Reisen bis hin zu privaten Partys. Bei fiktionalen Figuren schreibe ich eine ausführliche Hintergrundgeschichte, und zwar für jede einzelne Figur. Und dann gehe ich jede Zeile durch. Hierbei versuche ich Nachrichten und Symbolik zu dekodieren, die in meinen Augen darin versteckt liegen. Im Falle von The Expanse versuche ich zum Beispiel zu verstehen, wen die Marsianer repräsentieren und mit welchem Land ich sie vielleicht vergleichen und identifizieren würden. Dann schaue ich mir den Schreibstil an, weil jeder Autor einen unterschiedlichen Schreibstil hat. Je nachdem, wie anspruchsvoll der Schreibstil ist, versuche ich mein Schauspiel entsprechend anzupassen.
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R&D: Unterscheidet sich Ihre Herangehensweise, als eine Hintergrundgeschichte für Ihre Figuren zu schreiben, wenn Sie für das Theater, für Filme oder für das Fernsehen arbeiten?
Shohreh Aghdashloo: Ja, als ich zum Beispiel vor einigen Jahren Bernarda Alba aus Bernada Albas Haus im Theater gespielt habe, habe ich mich bei meinen Recherchen nicht nur auf das Stück konzentriert, sondern auch auf den Autor Garcia Lorca. Das Stück hat eine große Rolle in Lorcas Leben gespielt, er wurde sogar dafür getötet. Also habe ich meine Recherche erledigt, aber anschließend habe ich auch wieder eine Hintergrundgeschichte für sie geschrieben. Und als ich einen Star-Trek-Film drehte (Star Trek: Beyond Anm. der Redaktion), habe ich den Regisseur Justin Lin angerufen und ihn gefragt, ob er mir irgendetwas zur Rolle mitteilen möchte. Und der sagte nur: ”Denk einfach nur an Platons Idealstaat!“ Und ich sagte nur: ”Alles klar!“ Ich hatte Platon zwar an der Universität studiert, aber ich habe es mir noch einmal zu Gemüte geführt und mir ist aufgefallen, dass er sagte, dass wir irgendwann so zivilisiert sein werden, dass es keine Kriege mehr geben wird. Unsere einzigen Kriege werden in unseren Spielen stattfinden. Das sind hilfreiche Vorbereitungsarbeiten.
R&D: Sie haben in vielen Genre-Filmen, aber auch in schweren Dramen wie zum Beispiel Das Haus aus Sand und Nebel mitgespielt. Ist es leicht, diesen Übergang von schweren Dramen zu Genre-Kost zu vollführen?
Shohreh Aghdashloo: Die Menge an Arbeit ist die Gleiche. Im Moment arbeite ich an einer vierteiligen Serie namens Impulse, in denen es um Menschen geht, die sich teleportieren können. Also in einer Zukunft, in der wir so weit entwickelt sind, wenn man sich entscheidet, an der Champs-Èlysées zu sein, dann Zack ist man an der Champs-Èlysées. Die Figur, die ich dort gespielt habe, hat so viel Arbeit in Anspruch genommen wie Avasarala. Avasarala habe ich bei The Expanse vier Jahre gespielt, in Impulse habe ich vier Episoden mitgespielt, die Arbeit war die gleiche.
R&D: Bevorzugen Sie TV, Film oder die Bühne?
Shohreh Aghdashloo: Um ehrlich zu sein, waren alle um mich herum etwas skeptisch, als ich mich nach meiner Oscar-Nominierung entschied, beim Fernsehen zu arbeiten. Und jetzt wollen alle im Fernsehen arbeiten. Fast jede große Schauspielerin und jeder große Schauspieler möchte TV machen. Ich bin Schauspielerin, um zu schauspielern. Das Medium ist mir eigentlich egal. Aber ich glaube, ich sehe mich eher als Theaterschauspielerin, selbst wenn ich am Film- oder Fernseh-Set bin. Denn dort absorbiere ich die Energie der anderen Menschen um mich herum. Ich spiele für sie und weniger für die Kamera. Das ist mir mit der Zeit definitiv aufgefallen.
R&D: Wir danken Ihnen für das Gespräch!