DC-Comic-Kritik zu Deathstroke 3 - 5

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Deathstroke

Nachdem im Rahmen dieser Reihe zunächst die ersten und später die zweiten Bände (diese sogar im Doppelpack) ausgewählter Reihen aus dem DC-Rebirth-Kosmos im Fokus gestanden haben, folgen nun Dreierpacks, bestehend aus den Nummern 3, 4 und 5 der einzelnen Serien. Spätestens nach der Lektüre dieser Beiträge sollte man dann eigentlich einschätzen können, welche Helden man auch weiterhin lesend begleiten möchte, und welche eher nicht.

Kriegsverbrecher

Christopher Priest macht einfach weiter - ohne Rücksicht auf Verluste. Also, zumindest ohne Rücksicht auf all jene zu nehmen, die das Deathstroke-Universum auch nach der Lektüre der ersten beiden Paperbacks noch nicht so richtig überblicken beziehungsweise sich noch nicht so recht an die vielen inhaltlichen und zeitlichen Sprünge des Autors gewöhnt haben.

Slade Wilson wurde verhaftet, aber dennoch ist in Chicago ein Auftragskiller unterwegs, der seinen Anzug trägt und eine blutige Spur hinterlässt. Man sieht mit einem Male, wie Deathstroke von Red Lion befreit wird, der - wie könnte es auch anders sein - natürlich nicht einfach aus Nächstenliebe handelt, sondern seine ganz eigenen Ziele verfolgt - und zu denen passt eben ein gefährlicher Kopfgeldjäger in Freiheit.

Zu allem Überfluss mischen auch noch der Creeper und der in Tim Seeleys Nigtwing-Run eine wichtige Rolle spielende Raptor mit. Es gäbe also ausreichend Gründe, um ständig vor- oder zurückzublättern respektive die vorherigen Bände noch einmal aus dem Regal zu holen. Tatsächlich ist dieser Trade aber derjenige, der die letzten Fakten liefert, um das große Ganze zumindest einigermaßen überblicken zu können.

Denn spätestens jetzt wird offenkundig, dass der sich meist so kühl und gefühllos gebende Protagonist schlicht nicht dazu in der Lage ist, über das, was ihn bewegt, zu sprechen. Insbesondere den wenigen Menschen, die ihm wirklich wichtig sind, in erster Linie seinen Kindern, zeigt er auf eine für die Allgemeinheit nur schwer nachvollziehbare Weise, wie viel sie ihm bedeuten. Es ist deshalb nur logisch, dass Joseph und Rose nicht einmal im Ansatz erahnen können, wie ihr Vater tatsächlich zu ihnen steht.

Ehrlicherweise beschäftigen die beiden jedoch auch ganz andere Dinge: Slades Sohn steht kurz vor seiner Hochzeit, doch Braut wie Bräutigam in spe sind ganz offensichtlich nicht vollkommen ehrlich miteinander. Und seine Tochter will mehr über ihre Familie mütterlicherseits erfahren, was eine nicht gerade kurze Reise zur Folge hat. Die ehemalige Ravager und Jericho, so die Alias der Antihelden-Sprösslinge, sollten aber schon bald erfahren, was es heißt, von ihrem eigenwilligen Erzeuger geliebt zu werden …

Deathstroke

Dämmerung

Denn in Dämmerung findet Priests Geschichte eigentlich ihren Höhepunkt: Eine “Red Wedding“ im Stile von Game of Thrones wird es zwar nicht, allerdings zweifellos eine Veranstaltung, die keiner der Anwesenden vergessen wird, obwohl sie es sicherlich gerne täten. Doch bereits weit vor dem Gang zum Altar ereignet sich Außergewöhnliches mit weitreichenden Konsequenzen:

Rose und Joe Wilson erfahren nämlich nahezu zeitgleich, wie massiv Slade Einfluss auf ihr Leben genommen hat. Ein Umstand, der die Wut der Geschwister geradezu ins Unermessliche steigert.

Deathstroke selbst ist inzwischen erblindet, jedoch hält ihn selbst das nicht davon ab, sein Ding zu machen. Er wird zeitweise von Tanya Spears, dem neuen Power Girl unterstützt. Sie weiß aber zunächst nicht, mit wem sie es zu tun hat, und als sie es erfährt, ist sie außer sich - nichtsahnend, dass der Mann in Orange und Schwarz schnell Sympathien für sie entwickelt hat. Damit sie das allerdings nicht bemerkt, muss sie ebenfalls die Erfahrung machen, die schon die Kinder des Killers machen mussten: Er lässt keine Nähe zu und will lieber gehasst werden, weil er glaubt, dass das für alle Beteiligten das Beste ist.

Und Christopher Priest wiederum lässt auch den Leser nie zu sehr mit seiner Hauptfigur sympathisieren. Denn für seine Interpretation von Deathstroke ist entscheidend, dass er ein Einzelgängertyp bleibt, dessen Handeln man selbst mit einem Wissensvorsprung gegenüber den anderen Charakteren nur bedingt nachvollziehen kann. So steht der Mann, der irgendwo zwischen Gut und Böse anzusiedeln ist, jedoch auf eine sehr sonderbare Weise durchaus nicht ohne moralischen Kompass da, und spätestens das beweist, dass der Autor die auf Marv Wolfman und George Pérez zurückgehende Figur bestens verstanden hat.

Deathstroke

Die Lazarus-Falle

Streng genommen dürfte auf diesem Cover eigentlich gar nicht "Deathstroke“ stehen oder zumindest nicht nur. Schließlich ist Die Lazarus-Falle eine Geschichte, die gewissermaßen zusammenbringt, was zusammengehört. Denn der Söldner war immerhin ursprünglich primär ein Gegner der Teen Titans, und diesmal begnügt er sich nicht mit dieser Truppe, sondern legt sich außerdem noch mit den Titans an.

Um die erste Junghelden-Gruppierung kümmerte sich zu Beginn der Rebirth-Ära Benjamin Percy und um die zweite (sowie um Aquaman) Dan Abnett. Und beide Autoren zeichnen nun eben gemeinsam mit Christopher Priest für dieses Event verantwortlich, das in den angesprochenen drei Reihen stattfindet. Auf diesen 132 Seiten wird aber sehr schnell sehr deutlich, warum es eben doch Sinn macht, dass hierzulande dieses Crossover als Abschluss der Auftragskiller-Serie veröffentlicht worden ist.

Slade Wilsons Plan verlangt sich und seinen Kontrahenten definitiv alles ab. Dies sollte auch niemanden überraschen, da er dafür bekannt ist, stets mehr als einhundert Prozent zu geben und diese klare Fokussierung auf das eine Ziel oftmals stark an eine Form von Besessenheit erinnert. Darüber hinaus erfährt der Leser im Laufe des Geschehens, dass er diesmal im wahrsten Sinne des Wortes Alles-oder-Nichts spielt.

Denn er offenbart beiden Wallys, dass er im Gegenzug für ihre Hilfe bei seinem Unterfangen seinen “Job“ endgültig an den Nagel hängen werde. Seine Rechnung: ein Leben gegen unzählige. Er will nämlich unbedingt die Vergangenheit ändern und den Tod seines zweiten Sohnes Grant verhindern, an dem er einigen der ehemaligen Assistenten eine Mitschuld gibt. Doch insbesondere Barry Allen, der berühmteste aller Speedster, hat bekanntlich schon eindrucksvoll bewiesen, dass ein solcher Eingriff in das Raum-Zeit-Kontinuum immer mit weitreichenden  Konsequenzen einhergeht und daher in jedem Fall zu vermeiden ist. Doch ein Deathstroke akzeptiert bekanntermaßen kein Nein …

In diesem Crossover gestattet das Auorentrio dem äußerst beliebten Charakter also noch einmal abschließend, als echter Antagonist mit einem nachvollziehbaren Motiv aufzutreten, was viele Fanherzen hat höherschlagen lassen. Immerhin sind es neben den Helden- eben auch seit jeher die Schurkenmomente gewesen, an denen die Anhänger des Waffenliebhabers ihre Freude hatten.

Schön ist im Kontext dieser komplexen Geschichte zudem, dass man nicht nur innerhalb des wiedergeborenen DC-Universums, sondern mit Blick auf die The-New-52-Geschehnisse auch inhaltliche Brücken schlägt. So beweist man allen, die es mit DC halten, dass man es sich selbst bei einem gigantischen Reboot nicht zu leicht macht und alles, was nicht (mehr) gefällt, schlicht für null und nichtig erklärt.

Während in den ersten vier Bänden vornehmlich Joe Bennett für die Realisierung dieser doch sehr rauen, kantigen und zumeist sehr unbarmherzig anmutenden Welt zuständig war, pausiert dieser im fünften Paperback. Dafür sind jedoch mit unter anderem Brett Booth und Carlo Pagulayan zwei Zeichner mit von der Partie, die der Reihe ebenfalls bereits ihren Stempel aufdrücken durften, sodass es stilistisch zu keinen riesigen Brüchen kommt.

Fazit

Christopher Priest hat mit seinem Run definitiv etwas Beeindruckendes geschaffen und eine der beliebtesten DC-Figuren zum Protagonisten einer großen Geschichte gemacht, die Comic-Liebhaber wie Kritiker gleichermaßen überzeugt hat. Sehr komplex, sehr anspruchsvoll, sehr erwachsen und sehr brutal kommt sie daher. Dabei verkommt diese Brutalität aber nicht zum Selbstzweck.

Es ist viel eher so, dass sie in Slade Wilsons Augen das effektivste Mittel zu sein scheint, um zu jedem Distanz zu halten, was für ihn geradezu elementar ist und gleichzeitig seine Unfähigkeit, echte Nähe zuzulassen, unterstreicht. Man könnte sagen: Weniger 0815-Handlung geht kaum.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© DC Comics

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