Space Cadet

Robert A. Heinlein

Im Mantikore Verlag erlebt der in den USA 1948 veröffentlichte Jugendbuchroman „Space Cadet“ unter dem amerikanischen Originaltitel seine insgesamt vierte deutsche Veröffentlichung. Als „Weltraum- Piloten“ veröffentlichte der Gebrüder Weiß Verlag den Roman vier Jahre nach seiner Erstveröffentlichung. Der Heyne Verlag nannte das Buch 1983 dann „Weltraumkadetten“ und der Bastei Verlag im Jahre 2000 fügte bei seinem Titel nur einen Bindestrich hinzu.

Es ist Robert A. Heinleins zweiter Jugendroman gewesen. Das erste Abenteuer „Rocket Ship Galileo“  wirkte noch stereotyp und zu wenig einfallsreich. Mit „Space Cadet“ hat der Amerikaner die Versatzstücke gefunden, die ihn nicht nur innerhalb weniger Jahre zu einem der am besten bezahlten und populärsten Science Fiction Autoren der USA machen sollten, sondern die Idee des phantastischen Bildungsromans begründete.  Dieser Roman diente auch als Inspiration für die wenige Jahre später produzierte „Tom Corbett, Space Cadet“ Fernsehserie und Radioshow.

In seinem Frühwerk spricht Robert A. Heinlein eine Reihe von Themen an, die vor allem von dem erst kurz zuvor zu Ende gegangenen Zweiten Weltkrieg geprägt worden sind.  Einige Ideen wird er in seinem umstrittenen Roman „Sternenkrieger“ wieder aufnehmen.  Der Amerikaner diskutiert die Voraussetzungen, um ein „guter“ Soldat zu sein.  Dabei unterscheidet Heinlein dank seines Protagonisten Matt zwischen den vor allem auch intellektuellen Herausforderungen der Weltraumpatrouille und dem anspruchsloseren, aber glamourösen Leben der Marines. Die Marines sollen neben der Voraussetzung von Tapferkeit unbedingt der Weltraumregierung loyal gegenüber sein. Eine dritte Klasse der Kaufleute als Extrapolation der Handelsschifffahrt wird nur nebenbei erwähnt, aber zumindest im vorliegenden Buch nicht weiter extrapoliert. Die besonderen Eigenschaften der Weltraumkadetten stehen auch in einem sehr engen Zusammenhang mit Heinleins Hang zu einer extrem starken, fast an eine demokratische Diktatur erinnernden Weltregierungsform, die er basierend auf einigen Thesen H.G. Wells von seinem ersten, lange Zeit unveröffentlichten Roman an immer wieder verfeinert hat.  Interessant ist, dass die Raumpatrouillen und nicht deren militärische Ableger von der Weltregierung damit beauftragt worden sind, die im All stationierten nuklearen Waffen zu schützen und ggfs. auch auf Befehl dieser Regierung gegen jedes Ziel auf der Erde einzusetzen. Dabei verzichtet Heinlein auf die Möglichkeit eines nuklearen Erstschlags, sondern sieht die nuklearen Waffen alleine aufgrund ihres grundlegenden Abschreckungsfaktors als defensive letzte Grenze an.  Der jugendliche Protagonist Matt wird allerdings von seinen Eltern mit dem Szenario konfrontiert, dass die Kadetten im Grunde sich nicht nur von ihren Nationalitäten und damit ihren Wurzeln abkapseln, sondern im Notfall auch bereit sein müssen, für von Heinlein eher ambivalent skizzierte Ziele auch die eigene Heimat in eine radioaktive Wüste zu verwandeln.  Dazu nutzt Heinlein in seiner langen Extrapolation vier potentielle Heldentaten ehemaliger Kadetten, um diesen Geist nicht nur der Kameradschaft, sondern das Zusammengehörigkeitsgefühl einer neuen multinationalen Elite heraufzubeschwören, deren Ziel die friedliche Eroberung des Weltalls ist. Eine dieser Episode wird Heinlein später zu einer längeren Novelle ausbauen.  Während Heinlein allerdings patriotisch, die Leser auch manipulierend vor allem die amerikanische Demokratie als Vorbild dieser neuen starken Weltregierung nimmt, spricht er andere Themen wie Rassismus und Ausgrenzung zumindest erstaunlich aktiv für ein Jugendbuch der vierziger und fünfziger Jahre an.  Dabei muss zwischen der nur auf jungen Männern bestehenden Patrouille und ihren Idealen sowie der Begegnung mit den Venusianern in der zweiten Hälfte des Romans deutlich unterschieden werden. Innerhalb der Patrouille bleibt Heinlein oberflächlich und reißt schwierige Themen nicht immer zufriedenstellend an. Obwohl die jungen Männer ja in der Theorie aus allen Ländern und Kulturen der Erde sogar von den verschiedenen Kolonien kommen können, verzichtet der Autor auf religiöse Diskussionen oder gar über das übliche pubertierende Geplänkel hinausgehende Konflikte. Schwierige Entscheidungen werden von den strengen, aber fairen Vorgesetzten frühzeitig kanalisiert und damit entschärft. So wirkt die erste Hälfte des vorliegenden Buches in erster Linie wie eine Art Hymne auf die künftige Eroberung des Alls und das Loslösen von den alten Klischees, ohne die Wurzeln der Konflikte nachhaltig anzusprechen oder auch nur zu bekämpfen. 

Vom Handlungsmuster folgt Heinlein der in erster Linie auch militärisch orientierten Jugendbuchliteratur dieser Dekade.  Im Jahre 2075 bewirbt sich der Teenager Matt Dodson bei der Weltraumpatrouille.  Nach einer Reihe von schwierigen Tests akzeptiert man ihn als Kadetten. Zu seinen Freunden gehören mit dem auf der Venus geborenen Oscar Jensen und Pierre Armand vom Mond Ganymed sogar zwei junge Männer, die nicht auf der Erde aufgewachsen. Dagegen wirkt der kontinuierliche Konflikt mit dem aus reichen Hause stammenden arroganten Girard Burke wie ein fortlaufendes Klischee.  Da das Kapital in diesen Romanen niemals gegen den Verstand siegen kann, muss Burke die Patrouille noch vor Abschluss seiner Ausbildung verlassen. Die erste Hälfte beschreibt den nicht immer einfachen Weg in diese Elite. Neben der klassischen wie in diesem Fall auch freiwilligen Entwurzelung des Jugendlichen fügt Heinlein basierend auf der Extrapolation gegenwärtiger Technik und vor allem entsprechend sekundärliterarischen Artikeln seiner Zukunftswelt einen durchaus realistischen, vor allem für an Technik interessierte Leser gut zu überblickenden Hintergrund hinzu.  Aufgrund seiner eigenen Ausbildung als Ingenieur verfügt Heinlein über das Wissen, diese Zukunftswelt nicht nur greifbar, sondern logisch in sich aufgebaut zu beschreiben und den Leser allgegenwärtig den Eindruck zu vermitteln, dass Jahrzehnte lange Erfahrung die Welt zu diesem gemacht hat.  Die erste Mission endet gleich in einem Kriminalfall. Es wird nach einem verschwundenen Explorer gesucht. An Bord des schließlich gefundenen Raumschiffs sind alle Besatzungsmitglieder tot. Anscheinend ist das Schiff von einem Asteroiden in einem sehr unglücklichen Moment getroffen worden. Die Asteroidenteile scheinen aber von einem Planeten zu stammen, der früher intelligentes Leben getragen hat.  Anscheinend haben sich deren Bewohner selbst zerstört.  Spuren auf den Asteroiden weisen zumindest auf künstliche Explosionen hin.  Eine weitere Mission führt sie zu einer sumpfigen Venus, welche direkt aus den Pulpabenteuern der dreißiger Jahre stammen könnte und angesichts des ansonsten progressiven Hintergrunds des Romans ein wenig archaisch erscheint. In diesem Kolonistenabenteuers schließt sich auch ein wenig der Kreis, da sie Burke aus der Ausbildung wieder begegnen. Zumindest verzichtet Heinlein in diesem Abschnitt auf die ansonsten nicht seltene schwarzweißen Zeichnung der Protagonisten. Heinlein geht aber noch einen Schritt weiter und folgt den Spuren, die Jules Verne mit seinen Reiseromanen hinterlassen hat. Nur das es in einem aus der Versenkung wieder auftauchenden Raumschiff im Schneckentempo zur menschlichen Ansiedlung auf der Venus geht.  Vieles wirkt in dieser Hinsicht mechanisch. Da Heinlein sich fast ausschließlich auf Matts Sicht der Dinge konzentriert, bleibt der Leser auf der einen Seite immer auf subjektiver Augenhöhe des Geschehens und lernt mit diesem jungen Mann mit. Auf der anderen Seite wirkt das Szenario dadurch zu fokussiert und die Ereignisse schlagen buchstäblich auf Matt ein, dessen „Heldenmut“ während des abgeschlossenen, aber Vorsetzungen ermöglichen Endes pragmatisch relativiert wird.  Da Matt zu den klinisch reinen wie schüchternen „Helden“ der frühen Heinlein Ära ohne Zigaretten, Alkohol, Drogen oder gar Sex gehört, wirken vor allem die inneren Monologe ein wenig zu bieder und weisen aus heutiger Sichrt überdeutlich auf die Zielgruppe hin.  Viele der hier angesprochenen Ideen in Kombination allerdings mit einem deutlich eindimensionalen Feind wird Heinlein wie eingangs erwähnt in dem konservativeren, vielleicht auch provokant reaktionären „Sternenkrieger“ wieder ansprechen. In den hierarchischen Grundzügen ähneln sich die beiden Romane, wobei vor allem der politische Hintergrund von einer idealisierten, auf festen amerikanischen Prinzipien basierenden Eroberung des Weltraums in „Space Cadet“ dem zynischeren satirischen Blick auf das Amerika der sechziger Jahre mit der paranoiden Idee einer Insel der Glückseligkeit im Meer der überwiegend roten wie gesichtslosen Gefahren gewichen ist.   Noch mehr als mit „Sternenkrieger“ lässt sich dieser Bildungsroman mit der ersten STAR TREK Serie vergleichen.  Es geht um die friedliche, von den Vorurteilen auf der Erde befreite Erforschung des Universums bzw. in diesem Roman in erster Linie des Sonnensystems, durch eine exquisit geschulte und moralisch nicht angreifbare Elite.  Bis auf die Idee, das auch die Nuklearraketen von dieser globalen Elite kontrolliert werden, finden sich idealistische Ideen sowohl im vorliegenden Romans als auch Roddenberrys Serie. Der größte Unterschied ist in der Tatsache begründet, das Heinleins Charaktere noch durch die strenge, aber faire Ausbildung lernen, während in „Star Trek“ die Hierarchie deutlich ausgeprägter und der Fokus auf einer ausgebildeten und erfahrenen Crew auf einer allerdings bislang nie dagewesenen Mission liegt.

Aus heutiger Sicht ist der Einfluss des vorliegenden Romans nicht nur für das Genre, sondern viele später als Wissenschaftler, Forscher und Ingenieure agierende Menschen kaum vorstellbar. Immer am Rande des Klischees wirkt Heinleins futuristische, aber trotzdem deutlich erkennbare Gesellschaft zu stark konstruiert und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu sehr auf die fiktive Handlung des vorliegenden „Coming of Age“ Romans ausgerichtet. Aber für die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und einer aufkommenden Weltraumeuphorie hat Robert A. Heinlein mit diesem heute ein wenig schwerfällig zu lesenden, mechanisch konstruierten, aber im Vergleich zu „Rocket Ship Galileo“ sehr guten Buch, das wie eingangs erwähnt die Grundlagen zu den noch phantastischeren folgenden Jugendbüchern in disziplinierter Manier legen sollte. Ob eine Neuauflage dieses klassischen Stoffes angesichts der Verfügbarkeit der Bastei und Heyne Ausgabe antiquarisch notwendig sein musste, ist eine Entscheidung des Verlages. Aus inhaltlich historischer Sicht ist es aber begrüßenswert, Heinleins Jugendbücher wie Karl Mays Romane immer verfügbar zu haben.       

  • Taschenbuch: 320 Seiten
  • Verlag: Mantikore-Verlag; Auflage: 1 (4. Februar 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3945493595
  • ISBN-13: 978-3945493595
  • Originaltitel: Space Cadet