Der rote Planet

Robert A. Heinlein

Robert A. Heinleins “Der rote Planet” ist in mehrfacher Hinsicht ein Debüt im Rahmen seines umfangreichen Werkes. In dem Buch erscheinen zum ersten Mal die ältere marsianische Rasse, die in seinem Epos „Ein Fremder in einem fremden Land“ eine wichtige Rolle spielen sollte. Zweitens ist dieser dritte Jugendbuchroman das erste Abenteuer, das nicht die Verbindung zwischen Erde und Weltall in den Mittelpunkt stellt, sondern das alltägliche Leben auf einer fremden, von Menschen besiedelten Welt beschreibt. Auch das vierte Jugendbuch „Farmer in the Sky“ sollte sich dieses Themas „Aufwachsen auf fremden Welten“ annehmen. Drittens deutet sich bei dem Konflikt zwischen der Erde und in diesem Fall dem Mars eine Idee an, die Robert A. Heinlein in „Der Mond ist eine herbe Geliebte“ auf eine pointierte Spitze getrieben hat. Der Roman ist ursprünglich 1949 erschienen. Der Verlag Scribner setzte eine Reihe von Änderungen durch, um das jugendliche Publikum anzusprechen. Erst nach Heinleins Tod ist die ursprüngliche Fassung publiziert worden.

Wie fast alle Jugendbücher erschien Heinleins Roman in mehreren Ausgaben beginnend 1952 im Gebrüder Weiß Verlag über die mit einem schönen Titelbild ausgestattete Heyne Veröffentlichung auch im Bastei Verlag. Mantikore legt jetzt den Jugendbuchklassiker als EBook noch einmal auf.   

Es ist weniger die Handlung interessant als der ausführlich recherchierte Hintergrund. Wie Bradburys „Die Mars Chroniken“ basierend auf den wissenschaftlichen Vermutungen der vierziger Jahre, aber auch Burrough Idee einer alten Welt übernehmend nimmt sich Robert A. Heinlein sehr viel Zeit, um diesen Planeten zu beschreiben. Die Kanäle des Mars sind mit Wasser gefüllt, die ja nach den harschen Jahreszeiten entweder frei beschiffbar oder mit einer Eisschicht überzogen sind. Die Flora und Fauna hat sich der dünnen, aber atembaren Sauerstoffatmosphäre des roten Planeten angepasst. Eine feste Besiedelung ist aber nicht möglich, um dem harten Winter zu entkommen. Sie ziehen immer vom Norden in den Süden und entgegen gesetzt. Heinlein entwickelt eine überzeugende Nomadenkultur, die allerdings in Form von Schutzanzügen mit entsprechenden Atemschutzfiltern sich den Klimaverhältnissen auch angepasst hat. Um sich besser erkennen zu können, haben die Menschen ihre Standardanzüge individualisiert. An diesen Stellen kann der Leser erkennen, wie intensiv sich Robert A. Heinlein mit einer möglichen Kultur beschäftigt hat. Heinlein spricht dabei impliziert ein weiteres Thema an. Die Regierung ist ohne dass die Begründung wirklich nachhaltig und überzeugend ist, an dieser Art der Individualisierung nicht interessiert. Sie wollen anscheinend den freien Pioniergeist unterdrücken, was wie eingangs erwähnt zu Problemen mit den in erster Linie auf der Erde sitzenden Angestellten führt. Den ganzen Roman betrachtend wirkt die Wandlung dieser den Mars ausbeutenden Firma von einer klassisch kapitalistischen Organisation zu einer Art monetärer Diktatur vor allem im Gleichschritt mit der persönlichen Handlung wenig überzeugend. Aber Robert A. Heinlein wollte sich in seinem Buch nicht nur auf eine “Coming of Age” Handlung, den Reifeprozess eines jungen Mannes in einem stärkeren Kontrast zum Bildungsroman „Space Cadet“ verlassen und hat dabei auf einen klassischen, aber auch teilweise klischeehaften Plot zurückgegriffen, der immer dann aufflammt und in den Vordergrund geschoben wird, wenn die die Freundschaft zwischen Jim und Willis sowie seine Ausbildung den Plot zu einem toten Punkt bringen. Während Robert A. Heinlein sich in “Space Cadet” zu Lasten eines Gesamtbildes auf die Ausbildung der einzelnen Weltraumkadetten konzentrierte, geht der Autor durch die kleine im Grunde isolierte Gesellschaft auf dem Mars einen anderen Weg. Jim wird mehr und mehr teilweise widerwillig in das politisch militärische Geschehen einbezogen, weil er nicht selten einfach nur am falschen Ort allerdings zur richtigen Zeit gewesen ist. Hinzu kommt, dass Jims Vater einer der Anführer der Revolution ist. Wie erwähnt ist „Space Cadets“ wahrscheinlich der Jugendbuchvorläufer zu „Starship Troopers“ und „Der rote Planet“ revolutionstechnisch der erste Versuch des später prämierten „Der Mond ist eine herbe Geliebte“. In beiden Bücher setzt sich Heinlein mit dem Gedanken auseinander, dass die Menschen auf der einen Seite auf Resourcen wie Wasser und Luft angewiesen, die auf der Erde als Selbstverständlickeit angesehen werden. Für die Siedler ist es annehmbar, kleinere Summen zu bezahlen, aber nicht ausgebeutet zu werden. Aber Grenzen dürfen nicht überschritten werden. Die Obrigkeit vor allem auf dem Mars wird eher als Idioten und Ausbeuter beschrieben, während Heinlein im späteren Buch ein deutlich differenziertes Bild der Antagonisten gezeichnet hat. Darum wirkt das Werk trotz einer vergleichbaren Thematik vielschichtiger, politisch auch ohne Frage brisanter und nachhaltiger.       

Hinsichtlich des Plotverlaufs außerhalb der Erwachsenenhandlung wird  in erster Linie jetzt jugendlicher deutscher Leser zwischen den Zeilen Heinleins Einfluss zum Beispiel auf Andreas Eschbachs fünfbändige „Mars“ erkennen können. Einige Passagen wirken selbst mit fast zwei Generation erstaunlich ähnlich.

Eine große und für Heinlein erstaunliche Schwäche ist die Charakterisierung der wichtigsten jugendlichen Persönlichkeiten. Während es dem Amerikaner in „Space Cadet“ insbesondere im direkten Vergleich zu seinem Jugendbuchdebüt „Rocketship Galileo“ überzeugend gelungen ist, eine Handvoll sehr unterschiedlicher junger Menschen in einem wichtigen Lebensabschnitt zu charakterisieren, wirkt vor allem Jim eher wie eine Schablone, auf die der Autor in seinen späteren Jugendbüchern teilweise ohne Not wieder zurückgreifen wird. Jim ragt vor allem intellektuell aus der kleinen Masse der Jugendlichen auf dem Mars heraus. Er ist intelligent und denkt geradeaus. Er ist pragmatisch, an Technik interessiert und gegenüber jungen Mädchen eher schüchtern, verhalten.  Sein bester Freund ist der Marsianer Willis. Freundschaften zwischen Menschen und der alten Rasse der Marsianer sind eher selten. Heinlein muss sich bei der Beschreibung dieser Freundschaft den unzähligen Vorlagen der Jugendbuchliteratur bewusst gewesen sein. Über weite Strecken könnte Willis auch durch einen Hund oder für Mädchen durch ein Pferd ersetzt werden und die Handlung liefe ohne Veränderungen ebenso glatt oder unrund ab. Jim ist sogar bereit, auf eine höherwertige Ausbildung zu verzichten, wenn Willis nicht mitkommen sollte. Die Schule befindet sich am Äquator und ist einer der wenigen stationären Orte. Mit seiner anfänglichen Weigerung erweckt Jim nicht nur die Aufmerksamkeit der Marsianer, die diese Art der emotionalen Verbindung bislang nicht gekannt haben, sondern natürlich als klischeehafen Antagonisten auch die des Direktors der Schule. In dieser Hinsicht entwickelt sich der Roman ausgesprochen vorhersehbar. Die Schulzeit ist höflich gesprochen schwierig. Jim fühlt sich natürlich zusammen mit seinem Marsianer nicht wohl. Zusammen mit seinem neuen Freund Frank fliehen sie. Die Flucht erinnert ein wenig an Mark Twains bekannte Jugendbücher im All. Wie eingangs erwähnt hat Heinlein den Hintergrund sehr dreidimensional entwickelt und nutzt dieses Szenario effektiv aus. Alleine die Jagd durch die Kanäle, die Begegnung mit den Marsianern durch Willis ohne Frage begünstigt und schließlich die Heimkehr gehören zu den farbenprächtigsten und wichtigsten Passagen dieses Buches. Heinlein beweist, dass er ein sehr guter Erzähler ist, der mit viel Freude zu Details unterhalten kann.  Zwar funktioniert selbst die Schlusspointe dank Heinleins in dieser Hinsicht unvorsichtigen Vorgehensweise nicht sonderlich gut, aber der exotische Hintergrund und die rasante Handlung inklusiv einer weiteren Variation des alten Mars irgendwo zwischen Burrough und Bradbury machen nicht zuletzt dank der auch positiv gesehenen Mechanismen des Jugendbuchromans „Der rote Planet“ zu nicht unbedingt Heinleins besten Jugendabenteuer, aber einem kurzweilig zu lesenden Garn mit vielen Stärken und nur wenigen Schwächen. Vor allem sind derartige Bücher hinsichtlich seines Gesamtwerkes immer wieder interessant, da Robert A. Heinlein sich aus den Steinbrüchen dieser populären Romane für sein späteres Werk gut bedient hat.        

 

Mantikore Verlag

Taschenbuch 340 Seiten
ISBN: 978-3-945493-73-1