Perry Rhodan Neo 120 "Wir sind wahres Leben"

Rüdiger Schäfer

Rüdiger Schäfer hat den Abschlussband der Miniserie „Die Posbis“ verfasst. Der Titel „Wir sind wahres Leben“ ist ein direkter Hinweis auf den ersten Roman. Wer das Geschehen Revue passieren lässt, dem wird auffallen, dass die fehlende Balance zwischen straffer Handlungsführung und wichtigen Szenen sich nahtlos fortsetzt. Rüdiger Schäfer arbeitet in seinem bekannten, aber nicht unbedingt markanten Schreibstil sehr viele Themen ab, ohne dass er alle Fragen dieses Zyklus und nicht der „Neo“ Serie nachhaltig beantworten kann oder will. Wie bei Guckys Auftauchen im letzten Roman wirken auch bei „Wir sind wahres Leben“ die Übergänge holprig. Plötzlich gibt es ein Bündnis, das auch notwendig ist, um überhaupt eine Chance gegen die Angreifer zu haben. Es wird aber nicht weiter erläutert, wie die Verhandlungen stattgefunden haben. Rüdiger Schäfer stellt einfach die Fakten fest. So sind auch nicht mehr alle Posbis grundsätzlich den Menschen gegenüber feindlich gesonnen, sondern an Thoras Seite greifen sie gemeinsam mit den Menschen/ Arkoniden an.

Auch andere Stellen stören. Da werden Waffen expliziert in den vorangegangenen Romanen ausführlich erwähnt und sogar Verantwortlichkeiten verteilt. Wenn es dann wie im abschließenden Band an den Schwur geht, dann sind diese Wunderdinge verschwunden. In den letzten Romanen konzentrierte sich das Autorenteam ja auf den aufwendigen Transport der Bujun Superbombe an Bord der CREST. Auch das plötzlich Fliehen der Posbis anstatt die Waffe einfach im All zu entsorgen, wirkte ohne Erklärungen ausgesprochen konstruiert. Auf der einen Handlungsebene gelingt es Monk zusammen mit Tani Hanafe, die Bujun unter den größten Anstrengungen zu entschärfen. Monk fällt ins Koma und er droht sogar am Stress mittelfristig zu sterben. Rüdiger Schäfer widerspricht aber hinsichtlich der Entschärfung der Waffe seinem Vorschreiber. Der ist davon ausgegangen, dass man sehr nah quasi in dieser Superwaffe drin sein muss, während es plötzlich sogar möglich ist, aus der Bordklinik oder besser aus dem vorher sicheren Versteck an Bord der CREST wahrzunehmen, was in der Waffe geschieht. Anschließend hört dieser Handlungsbogen um die Bujun abrupt auf. Kaum hat Perry Rhodan nicht zuletzt aufgrund der fliehenden Posbis die Kontrolle wieder über die CREST übernommen, plant er, Aashra persönlich auszuschalten und gleichzeitig das Plasmawesen zu seiner Habitatskuppel zurückzubringen. Immerhin verstopft es ja noch fast jeden freien Raum an Bord des Raumschiffs. Aashra selbst erfreut sich, obwohl sein Plan durchkreuzt worden ist, an Simulationen, welche die Vernichtung der Erde zeigen. Das dient literarisch als ein wenig überraschendes und unwahrscheinliches Ablenkungsmanöver und macht Aashra menschlicher als es wahrscheinlich von den Exposeautoren geplant worden ist. Rüdiger Schäfer geht zwar noch einmal intensiver auf die Posbi Kultur mit den Anweisern – Mumarrad Paxill – ein, aber positiv dient er als ein weiteres Ablenkungsmanöver, da hier sich ein weiterer Gegner „etabliert“. Ab diesem Moment geht es relativ schnell. Der einmal aktive Perry Rhodan entwickelt aus dem Nichts heraus einen Schlachtplan. Immerhin gibt es noch ein gutes Drittel von unbeeinflussten Posbis, welche unter dem Kommando Thora und Atlan an Bord ihrer jeweiligen Korvetten Teilflotten der Posbis befehligen. Auch hier stellt sich die Frage, warum die Plasmawesen sich so schnell und ohne weitere Prüfung den Arkoniden unterordnen. Der Logik folgend müssten sie in fast allen Bereichen den Menschen und Arkoniden überlegen sein. Dazu adaptieren die Posbis ebenfalls in Form eines MacGuffins die arkonide Spiegelfeldtechnik und tarnen ihre Schiffe als Bestienraumer. Mit einer komplizierten, aber nicht sonderlich komplexen Taktik machen sie einen Weg nach Pharadaut frei.  Die einzelnen Szenen sind ohne Frage spannend und effektiv geschrieben worden, im Gesamtkontext wirken sie aber überstürzt und der Plan überspannt den Bogen der Glaubwürdigkeit, da es im Grunde keine Rolle spielt, ob die Posbis als Bestienraumer getarnt  anfliegen oder ohne diese Tarnung.

Auf dem Planeten dringt Perry Rhodan in die Habitatskuppel ein. Auch hier darf nichts einfach ablaufen, so dass nach dem ersten gescheiterten Versuch ebenfalls improvisiert werden muss. Wie gut, dass mit Peret gerade ein Posbis zur Verfügung steht, der alle Voraussetzungen erfüllt. Kaum ist diese Situation bereinigt, macht Rüdiger Schäfer einen unnötigen Schlenker in Richtung James Bond. Nicht nur in diesem Roman hat der Leser das Gefühl, als würde das „große Ganze“ weniger eine wichtige Rolle spielen als wie in einem amerikanischen Blockbuster der Augenblick. Es wirkt schon belustigend und nicht mehr unterhaltend, wenn sich Perry Rhodan und der Antagonist Aashra ein verbales Duell liefern, das teilweise doch sehr kitschige Züge trägt.  Anschließend macht Rüdiger Schäfer aber einen inhaltlich logischen Fehler. Die Reaktionen des Plasmas bewirken bei Perry Rhodan eine Art mentalen Druck als verzweifelte Form einer Bedrohung, während die Posbis einen Reboot erfahren. Der Einfluss von Aashra wird beseitigt, wobei Aashra selbst in erster Linie desorientiert wird. Aber der Anweiser hat noch seinen Augenblick des Ruhms und schaltet den Feind endgültig aus.  Ein Reboot bedeutet allerdings normalerweise, dass alles gelöscht wird und quasi auf Null gestellt von vorne beginnt. Rüdiger Schäfer beendet nur den schurkischen Einfluss und lässt alles andere beim Alten. Diese Vorgehensweise ist vielleicht der kleinste akzeptable Kompromiss, aber vor allem ist die Auflösung dieses Handlungsbogens ausgesprochen simpel bis an mehr als einer Stelle wieder durch „Deus Ex Machina“ Lösungen konstruiert. Aus sich heraus ist der Plot nicht entwickelt worden, so dass eine spürbare Enttäuschung zurückbleibt und die angesprochenen überstürzten Ereignisse noch hektischer und runder erscheinen als in den letzten Romanen. An einer anderen Stelle scheint Rüdiger Schäfer durch eine extra entwickelte und vor allem ausführlich erklärte Wunderwaffe den roten Faden verloren zu haben. Er verschwendet Seiten für eine Idee, die erstens nicht eingesetzt wird und zweitens plötzlich ausgesprochen leicht gekontert werden kann. Natürlich sind solche Szenen in Kombination mit „historischen“ Hintergründen interessant zu lesen, aber dann sollten sie auch effektiv in die laufende Handlung eingebaut werden. Stattdessen verschwendet der Autor Platz mit Zufälligkeiten.

Es ist nicht nur die Haupthandlung, welche wirklich enttäuschend erscheint. Auf der zweiten Handlungsebene gibt es dann ein Bündnis, das aber erst richtig umgesetzt werden soll, wenn sich die Menschen als würdig erweisen. Vorsichtshalber gibt es aber aus Dankbarkeit gleich drei Geschenke. Eine verplombte Transformkanone, gegen Ausbau geschützt. Einen Datenträger mit Konstruktionsplänen der Kanone, die aber erst ausgelesen werden können, wenn das Raumschiff die Erde erreicht und neben den Koordinaten der Sonnentransmitter sogar den Kode des Jupitertores. Da die Liduuri Mutanten gezielt züchten möchte, bildet sich ebenfalls fast aus dem Nichts heraus eine Allianz gegen diese jetzt allmächtig erscheinenden Feinde. Rüdiger Schäfer bemüht sich mit diesem Epilog, den Status der Menschheit im Universum konform den Vorgaben von K.H. Scheer weiter zu entwickeln. Mit den Bauplänen können die Menschen ihre Flotte gegenüber den bösen Arkoniden ohne Frage besser ausrüsten und wie in der Erstauflage in dieser technologische Fortschritt ein As im Ärmel. Die Allianz soll gleich zeigen, dass die Alleingänge der Vergangenheit angehören.

Grundlegend ist „Wir sind wahres Leben“ aber ein sehr durchschnittlicher Roman. Rüdiger Schäfer beendet nicht die Grundideen, die er mit dem Kampf gegen das nichtwahre Leben vor allem in den ersten Romanen dieses nur zehnbändigen Zyklus entwickelt hat. Was sich im Gesamtrahmen abgezeichnet hat, wirkt auch im Kleinen in diesem Roman. Einfache Funksprüche, im Notfall auch durchaus vorhandene Gespräche hätten einige Aktionen relativieren können. Hier wird viel Luft umher gepustet.      

Rüdiger Schäfer und Michael Buchholz gehen weiterhin mit den grundlegenden Themen motiviert, aber auch überfordert um. Schon Frank Borsch hat bewiesen, dass er kein wirklich überzeugender Exposeautor ist. Wäre der zugrundeliegende Handlungsbogen von Anfang bis Ende stimmig und logisch entwickelt worden, könnte man über die kleinen Logikfehlern einfacher wegsehen, aber wie beim großen amerikanischen Kino wäre es nicht sinnvoller, irgendwo nach einem fiktiven gemeinsamen Unterhaltungsnenner zu suchen, sondern „Neo“ basierend auf den Figuren zu einer kraftvollen Serie zu machen, welche ihr vorhandenes Potential nicht in einer wieder einmal vorhandenen Aneinanderreihung von oberflächlich unterhaltsamen Klischees erschöpft.    

     

Pabel Verlag

Taschenheft, 160 Seiten

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