Vampire Films of the 1970s

Vampire Films of the 1970s , Titelbild, Rezension
Gary A. Smith

Auf den ersten Blick erscheint es aus heutiger Sicht absurd. Aber die siebziger Jahre waren das Jahrzehnt, in dem Vampirfilme in ihrer Blüte standen. Noch absurder wird es, wenn der Autor der Studie „Vampire Films of the 1970s“ deutlich macht, dass von der literarischen Seite kommend das Genre erst durch die Veröffentlichung von Anne Rices „Interview mit einem Vampir“ einen weiteren Schub erhalten hat. Die meisten der hier aus diesem Jahrzehnt stammenden Filme sind zu diesem Zeitpunkt aber  schon cineastisch in Vergessenheit geraten.

Natürlich sind die siebziger Jahre mit einer fortschreitenden Liberalisierung auch ein Jahrzehnt, in dem das Kino das Trauma von Vietnam verarbeitet, die neue Welle Hollywood zelebriert und schließlich mit „Star Wars“ oder „Jaws“ an den Kinokassen Rekorde feiert. Aber diese Weiterentwicklungen zeigen sich  nicht in den meisten der hier vorgestellten Filme, die nur selten den Zeitgeist der siebziger Jahre überzeugend widerspiegeln. 

Gary A. Smiths Studie wird weniger die eingefleischten Fans ansprechen. Dazu sind die Informationen der vorgestellten Filme zu oberflächlich. Viel mehr liefert der Autor einen sehr guten Überblick über wahrscheinlich alle nennenswerten Produktionen mit Blutsaugern – obwohl dieser Begriff ambivalent benutzt wird -  aus dieser Epoche. Sein Spektrum beschränkt sich aber nicht auf die siebziger Jahre. In der Einführung stellt er kurz und pointiert die Entwicklung des Vampirgenres beginnend mit den beiden literarischen Vorlagen der beiden irischen Autoren Bram Stoker und Sheridan Le Fanu vor.  Es werden die wichtigsten Produktionen kurz vorgestellt.  Gary A. Smith beendet seine cineastische Zeitreise aber nicht in den siebziger Jahren, sondern überspringt das anschließend ausführlich vorgestellte Jahrzehnt und kommentiert die Entwicklungen für Fernsehserie wie „True Blood“ bis zum Redaktionsschluss des Buches. Sowohl vor- als auch nachgeschichtlich darf der Leser aber keinen vollständigen Überblick erwarten. Der ist auch gar nicht nötig, da in den einzelnen Unterkapiteln noch einmal die wichtigsten Einflüsse genau fokussiert vorgestellt werden. Dank dieser Vorgehensweise kann der Autor das Jahrzehnt seiner cineastischen Begierde in einen richten Kontext setzen. Vielleicht die letzte Epoche des Vampirfilms, in dem die Kreatur der Finsternis noch bedrohlich, sexuell aggressiv und überbetont männlich oder weiblich skizziert worden ist.

Grundsätzlich kämpft der Autor kapiteltechnisch mit einigen Schwierigkeiten.  So muss er zum Beispiel Hammers Produktionen – der Erfolg von „Dracula Has Risen from the Grave“ aus dem Jahr 1969 hat die kleine Vampirwelle erst ausgelöst – auf drei Kapitel aufteilen. Einmal die Produktionen mit Christopher Lee und Peter Cushing, dann die „anderen“ Vampiren unter anderem mit dem Exkurs nach Asien oder dem gescheiterten Projekt „Vampirella“ sowie schließlich die Filme mit Carmilla Karnstein.  Wer sich nur mit den Produktionen eines Studios beschäftigen möchte, muss hin und her springen. Hammer ist aber das einzige Studio, dem es in dieser Hinsicht so ergeht. Die Aufteilung vor allem nach Regionen wie Asien oder Ländern – Mexiko, Spanien und Italien -  oder in eingeschränktem Masse nach Themen wie Vampir Komödien – „Liebe auf den ersten Biss“ wird in dieser Hinsicht an der falschen Stelle genannt – oder Vampire Porno – Jean Rollin hat ein eigenes Kapitel – sowie expliziert Dan Curtis mit seiner langlaufenden Soap Opera „Dark Shadows“ erleichtern anschließend die Lektüre des ganzen Buches, verhindern aber ein direktes Nachschlagen. Das muss über das ausführliche Register erfolgen, wobei der Interessent hier auch nicht klar erkennen kann, auf welcher Seite nun hauptsächlich die wichtigsten Informationen zum gesuchten Film stehen. 

Wie schon erwähnt möchte Gary A. Smith mit den siebziger Jahren einen Schwerpunkt setzen, aber die Filme nicht isoliert betrachten. Ein typisches Beispiel ist die Verfilmung von Richard Mathesons Roman „Ich bin Legende“ in den fünfziger Jahren mit Vincent Price, in den siebziger Jahren mit Charlton Heston und schließlich im 21. Jahrhundert mit Will Smith. In der Originalfassung sowie der ersten Verfilmung werden Vampire, entstanden durch die künstlich erzeugte Seuche, expliziert erwähnt. Im ausführlich besprochenen „Der Omega Mann“ wird dagegen darauf hingewiesen, dass die Verseuchten eher wie untote Grufties wirken als klassische Vampire. Die Verfilmung mit Will Smith basiert wiederum auf „Der Omega Mann“, so dass keine Rückentwicklung zu den von Richard Matheson entwickelten Vampiren stattfindet. Daher wirkt dieses Kapitel wie ein Fisch aus dem Wasser gezogen. Gary A. Smith zeigt in seiner kurzen Einleitung auf, dass er „Der Omega Mann“ auch eher aus Vollständigkeitsgründen einbezogen hat.

Bei anderen Filmemachern wie Jean Rollin muss der Autor zu dessen Wurzeln in den späten sechziger Jahren zurückgehen, um die aus seiner Sicht ermüdenden roten Fäden im erotisch improvisierten Gesamtwerk des Franzosen herauszuarbeiten. Folgerichtig werden alle später entstandenen Low Budget Produktionen ein wenig zu verächtlich in einem Satz zusammengefasst.  

Zu den besten Arbeiten gehören die beiden Abschnitte über Elisabeth Bathory und Carmilla Karnstein.  Es wird die Verbindung zwischen den Filmen und den literarischen Vorlagen für eine derartige Arbeit zufriedenstellend ausführlich vorgestellt. Wer wirklich bis in die kleinsten Details inklusiv einer hervorragenden Interpretation in das Thema einsteigen möchte, kann zumindest den ersten Teil des Artikels in der letzten publizierten Ausgabe des Magazins „Video Watchdog“ (183) nachlesen. Es geht Gary A. Smith aber darum, die richtige Balance zwischen Informationen und Inhaltsangaben zu finden. Ausgehend von den bekannten Hammer Produktionen erweitert Gary A. Smith das Spektrum der vorzustellenden Streifen konsequent, aber an keiner Stelle hinderlich.

Weitere interessante Kapitel beschäftigen sich mit unter anderem mit den Produktionen von Andy Milligan. Hier kann der Autor für die Filme keine lobenden Worte mehr finden.  Selbst für Sammler werden die Abschnitte über die in erster Linie nicht lustigen Vampirkomödien und die Oddities interessant sein.  Einen Film konnte der Autor nicht mehr für die Buchausgabe in Augenschein nehmen und verheimlicht es auch nicht. Ansonsten sind insbesondere bei den seltenen Filmen – es schließt sich noch ein Kapitel über Fernsehfilme an – die Inhaltsangaben hilfreich, um den schädigenden Blödsinn in Ruhe durchzulesen und nicht neunzig Minuten seines Lebens zu verschwenden, um diese schlechten und nicht einmal „gut“ schlechten Streifen anzuschauen.

Selbst Jess Franco erhält ein eigenes Kapitel. Hier spaltet sich aber die Studie wieder auf. Auf der einen Seite hätte Francos „Dracula“ auch eigenständig an das Kapitel „Hammer Films“  herangehängt werden können, auf der anderen Seite gibt es eine Dokumentation über Draculas Wurzeln in Rumänien, die von Christopher Lee nicht nur „erzählt“ wird, sondern in welcher er als Hommage an seinen Dracula in Franco Film  auftritt. Das Kapitel wirkt wie einige andere durch die Kürze bemüht, als wenn Gary A. Smith unentschlossen den Umfang seines Buches ein wenig aufblähen wollte.

Auch wenn sich der Kreis mit der Neuverfilmung von „Nosferatu“ schließt, steht dazwischen ein langer Exkurs in die Welt in erster Linie von Dan Curtis „Dark Shadows“. Die Soap hat in den sechziger Jahren begonnen, aber der relevante Vampir Barabas ist erst zu Beginn der siebziger Jahre in der Serie aufgetreten und die Kinofilme kamen auch erst in dem Jahrzehnt, um das sich das Buch kümmert. Es gibt noch Exkurse zu den anderen Dan Curtis Produktionen – „The Night Stalker“ und „Dan Curtis Dracula“ -, aber der Fokus liegt auf der Soap des Amerikaners.

Wie eingangs erwähnt ist es schwer, das Zielpublikum nachhaltig zu definieren.   Um sich einen teilweise sehr unkritischen Überblick über das Vampirgenre geben zu lassen, ist die Sammlung gut bis sehr gut. Gary A. Smith sollte alle gängigen Produktionen mit Vampiren oder vampirähnlichen Kreaturen aufgelistet haben. Die Inhaltsangaben sind bis in die Pointe hinein sehr ausführlich. Hinzu kommt eine sehr reichhaltige Bebilderung vor allem für die ansonsten eher spärlich ausgestatten McFarlands Editionen.  Neben seltenen Filmfotos überzeugen vor allem auch die zahlreichen Markt schreienden Reproduktionen der Filmposter, welche das Flair dieser Epoche irgendwo zwischen den wilden Sechzigern und den sterilen Achtzigern gut wiederspiegeln.

Jedes Kapitel führt über eine kurze Einführung, teilweise auch über eine prägnante Überleitung. Das Verhältnis zwischen Inhaltsangabe und Kritik ist aber nicht ausreichend gut strukturiert. Nicht selten greift Gary A. Smith auf polemisch, pointierte Kommentare und keine fundierte Kritiken zurück. Er zitiert zwar neben Robert Ebert auch Genrekritiker wie Tim Lucas oder Frederik Clarke – beide aus den ersten „Cinefantastique“ Ausgaben -, überprüft aber nicht, ob diese teilweise im jugendlich kritischen Überschwank geschriebenen Rezensionen der heutigen Meinung der Autoren entspricht. Tim Lucas hat „Vampyres“ inzwischen mehrfach ganz anders eingeschätzt als damals zitiert.     

Sich über die Filme teilweise lustig machen, ist einfach. Es entspricht aber nicht dem Kern einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Genre. Auch in diesem Punkt übersieht Gary A. Smith vielleicht zu ernsthafte Betrachtungen insbesondere der B Filme unter anderem auch wieder durch Tim Lucas, der sich sowohl mit Milligan als auch Adamson mehrfach umfangreich und vielleicht in anderer Hinsicht zu überambitioniert auseinandergesetzt hat. Dadurch erscheint „Vampire Films of the 1970s“ gewogen und zu leicht befunden.  

Positiv ist die Vielzahl der seltenen Titel, die Gary A. Smith nach eigenem Bekunden selbst angesehen hat. Wer das Buch chronologisch durcharbeitet, wird unter anderem mit dem seltenen „Thirst“  oder „Nights of the Devils“ belohnt. Wer sich schon lange mit dem Genre beschäftigt, wird nur wenige neue Informationen oder neue Fotos in „Vampire Films of  the 1970s“ finden, aber zumindest kurzweilig zwischen den Inhaltsangaben unterhalten.      

 

    

McFarlands Paperback

Print ISBN: 978-0-7864-9779-9
Ebook ISBN: 978-1-4766-2559-1
67 photos, appendix, filmography, bibliography, index
240pp. softcover (6 x 9) 2017

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