Das Vigilante Prinzip

Das Vigilante Prinzip, Titelbild, Rezension
Martin Kay

Im Nachwort zu „Das Vigilante Prinzip“ schreibt Martin Kay über die Entstehung dieses Spin Offs zu seiner populären „Hannigan“ Serie, der allerdings komplett separat gelesen werden kann.

Der Eh Geheimagent Mark Jedediah Vigilante hatte schon in „Die Generäle“ einen kurzen Auftritt, aus dem der Autor die Idee entwickelt hat, neben den weiteren Fortsetzungen zu seiner eher technisch utopisch überdrehten „Hannigan“ Serie eine bodenständigere Action Geheimagentenserie zu machen, die irgendwo zwischen James Bond und den mehrfach zitierten „Stirb Langsam“ Filmen angesiedelt worden ist. Neben Vigilante hat Martin Kay noch einige andere Nebenfiguren aus der zweiten Serie übernommen, ohne das sie „Hannigan“ unkundigen Lesern Hindernisse bei der Lektüre dieses Vigilante Bandes in den Weg stellen.

Auch wenn die Action teilweise überdreht und brutal erscheint, geht es Martin Kay vor allem darum, aus den durchaus erkennbaren Versatzstücken einen kurzweilig zu lesenden, temporeichen und irgendwo das Flair der sechziger Jahre mit der entsprechenden Coolness widerspiegelnden Roman zu verfassen, der sich unabhängig von seiner Zusammensetzung aus unterschiedlichen, gesondert verfassten Kurzgeschichten in einem buchstäblichen Rutsch lesen lässt. Im Gegensatz zu vielen anderen Episodenromanen hat Martin Kay die Kurzgeschichten in ihre elementaren Bestandteile aufgelöst und komplett in einem in dieser Hinsicht flüssigen Plot integriert.

 Wie es für Fernsehserie so populär ist, beginnt das Buch mit einer im Grunde unmöglichen Situation. Vigilante ist in einem Haus durch eine perfide Bombe gefangen gesetzt. Er hat drei Minuten Zeit, sie zu entschärfen, wobei der erste Versuch fehlschlägt. Als der Countdown abgelaufen ist, beginnt – wie im letzten Kapitel für den Leser nachvollziehbar erklärt wird – das Zahlwerk erneut zu laufen und Vigilante werden weitere drei Minuten Leben geschenkt, während sich der Erzschurke von dannen schleicht. Anschließend kommt es zum langen, mehr als drei Minuten umfassenden Rückblick, der ausführlich beschreibt, wie Vigilante in diese Situation gekommen ist.

 Vigilante soll fast gegen seinen Willen als ehemaliger Bundesagent für den amerikanischen Präsidenten, der eher wie Bill Clinton als Donald Trump erscheint, einen Erpresser aufspüren. Dieser hat einen Computerwurm entwickelt, mit dem man die Sicherheitslücken in den Programmen feindlicher oder auch befreundeter Geheimdienste nutzen kann, um vertrauliche Informationen zu erhalten.

Als Bezahlung verlangt er die dreißig Computerchips, auf denen sich das lange geschlossene „Star Wars“ Programm von Ronald Reagan befindet, wobei elementar ist, dass der erste beschriebene Computerchip unverändert übergeben wird, da dort anscheinend weitere Informationen versteckt sind.

 Martin Kay hat den Plot relativ geradlinig auf zwei Ebenen entwickelt. Auf der einen Seite Vigilantes ausgesprochen stringente Bemühungen, den Erpresser zu finden und dingfest zu machen, die Chips zu bergen und wieder in die USA zurückzubringen. Auf der anderen Ebene die „Flucht“ des Erpressers, dem aufgrund des Eingreifens verschiedener Elitetruppen und anderer Geheimdienste im Grunde der Boden selbst für die zusätzlich geforderte eine Milliarde Dollar viel zu heiß geworden ist.     

 Die Szenenwechsel sind überzeugend und im direkten Vergleich zu einigen anderen Autoren versucht Martin Kay eine Handlungsebene nicht immer zu einem paukenschlagartigen Höhepunkt zu führen, bevor er die Perspektive wechselt, sondern die einzelnen Ebenen solide ineinander fließen zu lassen.

 Vigilante nutzt dabei in Deutschland – ein Zielpunkt liegt in Zeven als Insiderjoke des Autoren – nicht nur das ausführlich und wie nicht selten bei Martin Kay liebevoll detailliert bis fetischistisch beschriebene moderne Waffenarsenal einer Elitetruppe, die Vigilante ebenfalls in James Bond Manier nicht helfen kann, sondern baut einige sehr gut beschriebene dramaturgische Szenen wie die Auseinandersetzung inklusiv eines Raketenangriffs mitten in Hamburg auf. Dazu kommt quasi auf freiem Feld eine weitere Auseinandersetzung verschiedener Söldnergruppen, deren Hinterlassenschaften in beiden Fällen allerdings so umfangreich sind, dass Martin Kay vor allem in der gegenwärtigen Medienlandschaft nicht eine Sekunde glaubt, die Handy und youtube Generation kann die unglaubwürdige Verdeckungsaktion der deutschen Geheimdienste nicht ab absurdum führen.

 Um diese beiden brutalen, vielleicht sogar überzogenen und spannungstechnisch fast das Gegenteil erreichenden „Höhepunkte“ herum finden sich eine Reihe von Szenen, in denen Vigilante mit seinem Helfer Wolverine und immer wieder „Die Hard“ zitierend durchaus auch Fehler machen darf. Aber jeder dieser Fehler führt ihn in einer teilweise ein wenig konstruierten Wendung des Plots näher an sein Ziel, wobei die verschiedenen Tarnidentitäten nur bedingt von dem einzigen wirklich in Frage kommenden Täter im Hintergrund ablenken. Hier hat Martin Kay vielleicht den Bogen ein wenig zu sehr überspannt und statt die Klischees positiv auszunutzen, hat er sie ohne zu viel zu verraten sogar verstärkt. Weniger wäre mehr gewesen, aber wie in einem guten Krimi nach dem klassischen Ausschlussprinzip bleibt nur diese Figur über.

 Positiv ist, dass Martin Kay nicht immer subtil den Plot nicht ernst erzählt. Vigilante durchbricht an einigen Stellen indirekt die Wand zum Leser und kommentiert sein eigenes Verhalten selbstironisch. An einigen anderen Stellen nutzen die Charaktere eben die angesprochenen cineastischen Vorbilder, um sich gegenseitig Rat zu geben, der allerdings nicht unbedingt eingehalten wird. Vigilante und Wolverine sind sich bewusst, das sie sich in einer fiktiven Welt bewegen, ohne das es das temporeiche Lesevergnügen unterminiert. Mit diesem manchmal auch ein wenig platten und stereotypen Humor konterkariert Martin Kay die dunklen Actionszenen, wobei insbesondere die erotische fetischistische Szene zeigt, dass seine angeblichen Profis tief in ihrem Inneren nur Amateure sind. Wahrscheinlich wollte der Autor dieser Sequenz einen provozierenden Höhepunkt aufsetzen, der in der vorliegenden Form aber ein wenig zu stark konstruiert erscheint.

 An einigen anderen Stellen nutzt Martin Kay aber auch positiv die Schwächen des Genres, in dem er die Hang der James Bond Schurken zu ausführlichen Eigenlobbeschreibungen einmal positiv nutzt, damit Vigilante sich in einer im Grunde ausgesprochen aussichtslosen Situation bewegen kann. Martin Kay macht es auch dem Leser überdeutlich, dass er diese Schwäche in der populären Agenten Serie per kennt und sie absichtlich ausnutzt. Am Ende des Plots greift der Autor noch einmal auf dieses Szenario zurück, wobei der Leser sich in diesem Fall nicht sicher sein kann, ob der Antagonist sich diesem Klischee wirklich bewusst ist.

 Zusammengefasst ist „Das Vigilante Prinzip“ wie Martin Kays Hannigan Roman ein rasantes Lesevergnügen mit bekannten Versatzstücken, das sich aber deutlich überzeugender liest als die momentan veröffentlichten „Hannigan“ Romane, in denen Martin Kay wie er selbst in seinem Nachwort zugibt zu viel in zu wenig Umfang presst, um das Prinzip größer, weiter und härter zu spielen. Vigilante ist keine Rückkehr zu den klassischen Agentenwurzeln. Dazu sind einige Aspekte zu modern und wirken nicht wie die gegenwärtigen James Bond Streifen nach dem Retro Prinzip aufgebaut. Der Auftaktband dieser neuen Roman ist temporeich mit gut geschriebenen Actionszenen, einem natürlich überzogen beschriebenen coolen Helden wider Willen und einigen erotischen Szenen verfasst worden, so dass Anhänger des Genres unabhängig von dem vielleicht im mittleren Abschnitt zu hohen und sich selbst überholenden Tempo immer gut unterhalten werden. 

Atlantis Verrlag
Titelbild: Mark Freier
Paperback, 190 Seiten,
ISBN 978-3-86402-507-5.
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