Der Clan der Magier

Roger Zelazny

Im Original hat der  Amerikaner Roger Zelazny  seinen mit den Zeichnungen von Gahan Wilson begleiteten Roman „A Night in Lonesome October“ genannt. Das Buch ist 1993 veröffentlicht worden.  Es handelt sich um seinen letzten Roman.  Auch der Originaltitel gibt die Struktur nur unzureichend wieder.  Das Buch besteht aus insgesamt zweiunddreißig Kapiteln, neben dem Epilog für jede Oktobernacht ein eigenes Kapitel,  wobei die Handlung teilweise auch tagsüber spielt.  Gahan Wilson hat sogar eine Zeichnung  mehr spendiert,  es sind insgesamt 33 Zeichnungen über den Text verteilt worden, das Titelbild  eingerechnet.

 Auch wennn Roger Zelazny nicht nur den Titel aus Edgar Allan Poes Gedicht „Ulalume“ entnommen und ihm im Vorwort sogar gedankt hat, greift der Amerikaner in der für den NEBULA AWARD nominierten Geschichten eine Idee aus seinem eigenen Roman „Madwand“ wieder auf: das Öffnen von Toren zu anderen Welten.  Als Science Fiction Version hat  Roger Zelazny die Grundidee in „Tore in der Wüste“ verwandt.   

 Wie in vielen seiner Romane wendet Roger Zelazny die intimere Ich Erzählerperspektive an. Der Erzähler ist Snuff , einem der Begleiter von Jack the Ripper. Die Geschichte speitlin London, wobei der  Leser  manchmal das Gefühl hat, als wenn Roger Zelazny diese zeitlose Metropole wie den Plot in einzelne kleine Viertel geteilt hat, in denen das SPIEL ausgefochten wird.  Im Verlaufe der Handlung wird eine fiktive Grenze überschritten und einige der Protagonisten scheinen durch eine Traumwelt zu wandern, welche H.P.Lovecrafts einzigem Roman nachempfunden worden ist.

 Im Laufe der Handlung erfährt der  Leser in hündischer Sprache und deswegen auch ausgesprochen verklausuliert von der dünnen Barriere zwischen der Realität und den Türen zu anderen Welten.   Dabei fällt auch der Begriff der Großen Alten, wie in Lovecraft immer wieder ambivalent genutzt hat.  Natürlich ist die Zeit in dem beschriebenen Oktober.

Es gibt zwei Gruppen, beide verfügen über okkulte magische Kräfte. Die Öffner wollen die Türen um jeden Preis aufstoßen und notfalls die Welt ins Chaos stoßen, während die Schließer den bisherigen Status Quo erhalten und damit das „Böse“  von der Erde weghalten möchten. Diese Auseinandersetzungen werden als das große  Spiel bezeichnet. Bislang haben die Öffner noch keinen Wettstreit gewonnen.

 Der grundsätzliche Plot ist  keine neue Idee, aber Roger Zelazny greift  auf seine alten Tugenden als Autor zurück und wählt nicht nur eine sehr originelle Erzählweise, sondern auch die Art der einzelnen streitenden Parteien ist interessant.

 Auch wenn Snuff Dreh-  und Angelpunkt der Geschichte ist, lassen sich die einzelnen Protagonisten sehr gut erkennen.  Als  erstes muss jeder der Spieler einen tierischen Begleiter haben. Diese verfügen über fast menschliche Intelligenz und sind in der Lage,sich  untereinander zu verständigen. Sie helfen ihren jeweiligen Herren und Frauchen, die notwendigen Werkzeuge für das große Finale zu finden. Bizarrer Höhepunkt ist ein reger Tauschhandel von Leichenteilen auf dem  örtlichen Friedhof.  Arbeitsteilung und perfekte Resteverwertung fallen dem Leser angesichts  der nicht nur in diese Szene ausgesprochen pointierten Dialoge ein.

Auch wenn Snuff die meisten der  Protagonisten nur über ihre Berufsbezeichnungen kennt und entsprechend benannt, fallen dem Leser die dahinter stehenden literarischen Berühmtheiten umgehend ein. Ganz bewusst hat der Autor dabei einige der Figuren ein wenig verfremdet.  So erscheint Snuff Herrchen Jack the Ripper abschließend als Held, auch wenn er genauso verrückt ist wie einige der Schurken. Der Graf ist als Dracula klar zu erkennen.  Der gute Doktor ist natürlich Viktor Frankenstein, der Wolfman wird nur mit seinem bürgerlichen Namen Larry Talbot angesprochen,  zusätzlich ist wahrscheinlich Rasputin genauso zu identifizieren wie die  okkulten Mönche, die in fast alle viktorianischen Romanen eine Rolle  spielten.

Dabei agieren die Figuren nicht wie in den historischen Film -  oder Buchvorlagen.  So  können sie Allianzen bilden.  Aus der  Perspektive  von Snuff ist nicht unbedingt erkennbar,  wer naturell  mit wem zusammenarbeiten sollte.  Immer wieder bilden sich Allianzen.  Interessant wird es, al seiner der natürlich schurkischen Gruppe beginnt, Mitglieder nicht nur aus dem anderen Team, sondern den eigenen Männern umzubringen. 

Das Finale ist klassisch.  Die Toren drohen sich zu öffnen und in letzter Sekunde wird inklusiv der entsprechenden Opferung eine Lösung gefunden. Hier bewegt sich Roger Zelazny im Gegensatz zur originellen Erzählung und vor allem Charakterführung  im Rahmen des Bekannten.  Da Snuff nur wenig Ahnung von den magischen Werkzeugen hat,  welche sein Meister benötigt, baut sich die Spannung  konsequenter und vielleicht ein wenig verklausulierter als  in einem klassisch aufgebauten Roman auf.

Positiv ist nicht unbedingt aus Snuffs  Perspektive erkennbar,  dass  Zelazny die einzelnen Protagonisten teilweise bis zur Karikatur verfremdet  und ihnen doch auch irgendwie wieder Respekt zollt.   

Aber in erster Linie handelt es sich bei „Clan der Magier“ um eine Reise durch bekannte andere Welten, die Roger Zelazny beginnend in seiner Kindheit  ausgesprochen viel Freude gemacht haben.  Er würdigt nicht nur die Schöpfungen, sondern baut auch immer wieder Querverweise auf die einzelnen Autoren ein.

Die Perspektive des Hundes gibt ihm die  Möglichkeit, ein wenig respektlos mit den ausschließlich und durchgehend in GROSSBUCHSTABEN geschriebenen namenlosen Figuren umzugehen.  Einige Leser werden die Idee einer magischen Tierfabel  mit dunklen Zwischentönen vielleicht eher in den Bereich des Kinderbuches einordnen und im direkten Vergleich zu einigen  anderen Fantasy Werken aus seiner Feder bleibt Zelazny warmherzig und selbstironisch.

Vielleicht ist der Roman vor  allem als Vorlesebuch eben an jedem Abend im Oktober zu verstehen, das wie ein spannendes Puzzle ein Teil zum Anderen fügt, bevor das  Finale  in klassischer Manier dann  den ewigen  Konflikt zwischen gut und böse natürlich nur zu einem vorläufigen  Abschluss  führt.    

Ein ungewöhnlicher, aber auch lesenswerter letzter Roman aus der Feder eines der großen Meister der Kurzgeschichte.

 

  • Taschenbuch: 300 Seiten
  • Verlag: Heyne (2002)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453196333
  • ISBN-13: 978-3453196339

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