Rettungskreuzer Ikarus 73: Exogenesis

Ben Calvin Hary

Ben Calvin Hary legt mit „Exogenesis“ und „Der letzte Enduro“ einen „Rettungskreuzer Ikarus“ Doppelband auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren verzichtet er auf ein klassisches Ende, selbst die Rettung in letzter Sekunde findet nicht gänzlich statt. Dadurch wirkt der verschachtelte, Jahrzehntausende umfassende Plot realistischer. Weiterhin positiv ist, das die Crew der „Ikarus“ im Grunde nur mittelbar an den Ereignissen teilnimmt.

 Es ist gleichzeitig die Geschichte zweier Zwillinge. Im zweiten Band wird diese besondere und dadurch auch enge Verbindung besser erläutert. Tiko und Boyle sind seit ihrer Geburt unzertrennlich. Sie arbeiten als Kryptoarchäologen für einen mächtigen und eher ambivalent beschriebenen Technologiekonzern. Sie sollen Hinterlassenschaften untergegangener Rassen finden und untersuchen, was in der Gegenwart mindestens in der Form von Patenten nutzbar ist.

 Auch wenn es nur angedeutet wird, könnte zwischen den beiden Brüdern eine Frau stehen. Es ist einer der Handlungsstränge, die Ben Calvin Hary nur andeutet und den sanften Kuss am Ende dem Leser förmlich entgegenhaucht, es wäre aber auch eine der klassisch klischeehaften Ideen, an denen eine große Schwäche des vorliegenden Doppelbandes hätte ausgemerzt werden können. Auch wenn Tiko und Boyle nach wenigen Momenten zum Auftakt getrennt werden, fehlt der zündende Funke zwischen ihnen. Ben Calvin Hary fehlt noch ein wenig die Erfahrung, nicht nur glaubhafte Charaktere zu entwerfen, sondern sie auf der emotionalen und weniger der Actionebene zu führen. Viel zu früh und auch zu schnell zerfällt diese Idee und wird auch nur während des Finales aus einer passiven Position wieder aufgegriffen.

 Während Boyle durch den eigenen Leichtsinn unter Quarantäne steht, muss Tiko zusammen mit einem Teil der „Rettungskreuzer Ikarus“ Crew weiter nach dem gefährlichen bis tödlichen Geheimnis einer vor Äonen ausgestorbenen Zivilisation forschen, deren Schatten aber bis in die Gegenwart reicht.

 Nach einem zufrieden stellenden Auftakt leidet „Exogenesis“ unter einer zu stereotypen Handlungsführung. Die beiden Brüder müssen sich trennen, die eher platonisch zu nennenden Gefühle der Frau zwischen den beiden Zwillingen werden auch nicht zufrieden stellend weiter entwickelt und die Crew macht sich mit Tiko unter die Oberfläche eines gefährlichen Mondes, um dort der Spur zu folgen, welche Tiko und Boyles Team vor einer unbestimmten Zeit aufgenommen hat.

 Bis der Plot richtig in Fahrt kommt und einige wichtige Ereignisse beschrieben werden – eine Leiche, die anscheinend unterschiedliche zeitliche Todesdaten aufweist – vergeht fast der ganze Roman. Ben Calvin Hary verzichtet zwar auf einen übertriebenen Cliffhanger, aber viele Fakten werden sehr spät präsentiert. In dem Moment beginnt der Plot aber förmlich zu leben und der Leser kann erahnen, wie viel Mühe sich der Autor bei der Entwicklung der Handlung gegeben hat.

 In dieser Hinsicht überzeugt „Exogenesis“ in mehrfacher Hinsicht. Nicht das ganze Universum muss gerettet werden, sondern auf unterschiedliche Art und Weise nicht nur die beiden Brüder, sondern so pervers es klingt, die ganze untergegangene Zivilisation. Dabei impliziert Ben Calvin Hary allerdings eine Idee, die Andreas Suchanek in seinem ersten „Heliosphere 2265“ Zwölfteiler am Ende umgesetzt hat. Bei Ben Calvin Hary bleibt die Frage offen, ob diese Vorgehensweise überhaupt funktionieren könnte und ob die potentielle Rettung nicht schlimmere Folgen nach sich ziehen würde als es jetzt schon der Fall ist.

 Der Leser muss sich ein wenig in den Plot hereinarbeiten. Ben Calvin Hary verzichtet auf eine klassische chronologisch Erzählstruktur und greift in einigen Zwischenkapiteln vor und gleichzeitig zurück. Die einzelnen Puzzelstücke fügen sich erst im abschließenden zweiten Buch zusammen. Bis dahin ist es erfreulich, dass der Autor an den teilweise ein wenig stereotypen inhaltlichen Mustern der letzten „Rettungskreuzer Ikarus“ Miniserien zumindest schon einmal kräftig gerüttelt hat.      

  • Format: Kindle Ausgabe
  • Dateigröße: 5267 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 122 Seiten
  • Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung
  • Verlag: Atlantis Verlag Guido Latz (5. Oktober 2018)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B07J3JLXQL