Heliosphere 2265- Band 15 "Die Büchse der Pandora"

Andreas Suchanek

Mit dem dritten Roman des zweiten Zyklus "Die Büchse der Pandora" nimmt "Heliosphere 2265" deutlich an Fahrt auf. In seinem Nachwort vergleicht Autor Andreas Suchanek die Strukturen der beiden Miniserien. Nach einem vielschichtigen Aufbau der Grundlagen und Stellung einer Reihe von zu beantwortenden Fragen geht es mit diesem dritten Roman positiv auch um die Beantwortung. 

Stärker als die vorangegangenen zwei Werke laufen zwei bzw. drei Handlungsbögen gleichberechtigt nebeneinander ab. Im von Rebellen eroberten System geht es um die Schaffung einer demokratischen Grundlage, der Einführung einer eigenen Währung und schließlich auch um den Wahlkampf. Politiker sind bei Andreas Suchanek immer ein zweischneidiges Schwert. Auch die mit Blut erkämpfte junge Demokratie abseits von Sjöbergs Diktatur muss um ihre Zukunft in den falschen Händen bangen. Hinzu kommt, dass sich die wichtigsten Verbündeten - eine Hunde ähnliche Rasse von Sarah McCall hintergangen fühlt und ihre auch militärisch existentielle Partnerschaft aufkündigen möchte. Spannungstechnisch geht Andreas Suchanek vielleicht ein wenig zu simpel vor. Bedenkt man die bisherigen Erfahrungen insbesondere mit Sjöberg und die Möglichkeit, dass selbst eine nur im Testbetrieb funktionierende Waffe schnell zur Serienreife geführt werden kann, wirkt die Motivation der Fremden zu stark konstruiert. Zumindest wollen sie die Rebellen weiterhin mit medizinischer Hilfe unterstützen. Durch den Verlust ihres wichtigsten Verbündeten sind die Menschen im NOVA System wieder auf sich selbst gestellt und könnten schnell zu Opfern werden.

Das sich im Gegenzug Diktator Sjöberg zum wiederholten Mal als Opfer denn als Täter fühlt, ist keine Überraschung. Die Leser wussten es schon länger als Sjöberg, dass der Langzeitplan ihm nur eine wichtige Nebenrolle zugeschrieben hat. Spannend ist allerdings, wie Sjöberg an diese Informationen kommt und wie sich in der Gegenwartshandlung die einzelnen Aspekte ineinanderfügen.

Viel wichtiger sind die Ereignisse um die HYPERION. Noch stärker als in den letzten Bänden greift Andreas Suchanek auf den Mittelteil der ersten Miniserie zurück. Es ist nicht unbedingt entscheidend, alle Romane im Detail zu kennen, es erhöht aber an einigen relevanten Stellen ohne Frage das Lesevergnügen. Aus dem dreizehnten Abenteuer wird das Rätsel um den lebenden Toten von Noriko Ishida und Giulia Lorencia entschlüsselt. Bevor sie ihre Entdeckung des Kommandanten mitteilen können, erfährt er diese Information als Cliffhanger zum nächsten Roman hautnah. Schon in der ersten Miniserie hat Andreas Suchanek mehrfach seine Leser hinter das Licht geführt, in dem die Identitäten insbesondere der HYPERION Crew, die ja absichtlich als Teil des Langzeitplans so zusammengestellt worden ist, nicht das sind, was sie anfänglich schienen. In "Die Büchse der Pandora" erfolgt diese "Enttarnung" seiner Protagonisten auf zwei Ebenen. Zum einen die Identität des lebenden Toten, wobei erstaunlich ist, dass sich die sechs zeitreisenden Wechselbälger nicht irgendwie untereinander erkennen können. Diese Tatsache muss der Leser als Fakt anerkennen, sonst funktioniert der Plot nicht. Es bleibt abzuwarten, wie sehr die "Hyperion" Crew zwischen den Fronten zermahlen wird. 

Über Tess Kensington und Sarah McCall - ehemals beste Freundin bis Sarah McCall ihre wahre Identität und ihre Teilnahme am Jahrhundertplan offenbart hat - erfährt der Leser zwischen den Actionszenen dank Rückblenden sehr viel mehr. Mit viel Gefühl und vielleicht auch einem kleinen Hauch Kitsch führt der Autor die unterschiedlichen, aber starken Frauencharaktere wieder zusammen. Nicht zum ersten Mal, da er es unter anderen Umständen und sehr viel weitergehender auch mit Noriko Ishida und Giulia Lorencia gemacht hat. Es werden aus ihrem gemeinsamen Studium einige Episoden kurz beleuchtet, wobei Sarah McCalls Behauptung eher wie ein Schutz erscheint.  Der Versuch, den einzelnen Protagonisten selbst weit im Verlauf der Serie durch die Hinzufügung von wichtigen, aber nicht immer relevanten Informationen Substanz zu geben, ist positiv. In diesem Fall wird das Aufeinander-zu-bewegen durch äußere Umstände noch beschleunigt. Die "Hyperion" erleidet in der ihr unbekannten Zukunft quasi Schiffbruch, in dem sie durch die Begegnung mit drei unbekannten Raumschiffen aus dem Überlichtraum fällt. Dieses abrupte Haltung wird aus unterschiedlichen Perspektiven beschrieben. Eine simple, aber dreidimensionale Vorgehensweise.  Die fremden Schiffe sondern die aus der ersten Miniserie bekannte Fraktalstrahlung ab, die bis auf den aus dem Mars geborenen Wahnvorstellungen bei der Crew hervorruft. Zwar wiederholen sich bei dieser Bedrohung bekannte Ereignisse und die Auflösung folgt auch den bekannten Mustern, aber erstens handelt es sich nicht um die gleichen Gegner, zweitens verzichtet Andreas Suchanek auf die Entwicklung von Wunderwaffen und drittens fügt der zweite Minizyklus so eleganter in das bislang schon komplexe, teilweise auch komplizierte Geflecht, ohne jeweils neue Flanken zu öffnen.

Einen möglichen zukünftigen Schwachpunkt der Serie versucht der Autor gleich zu Beginn im Keim zu ersticken. Schon die Crew der "Hyperion" ist etwas Besonderes, warum nicht gleich das Schiff. Mit der gefundenen und geborgenen künstlichen Intelligenz CARA und durch die Modifizierungen ist Cross Raumschiff schon längst eines der modernsten. Nach der Installation von CARA kam es eher selbstironisch zu "Kompetenzstreitigkeiten" zwischen dem kritischen und misstrauischen Cross und dem neuen "Besatzungsmitglied". Im vorliegenden Roman zeigt es sich nachdrücklich, dass die Veränderungen ausgesprochen effektiv sind. Bei der militärischen Konfrontation mit den drei fremden Schiffen übertreibt es Andreas Suchanek hinsichtlich der Zahlengenauigkeit vielleicht ein wenig.  Seine Raumschlachten wirken - eine Schwäche, die er leider aus "Sternenfaust" übernommen hat - zu wenig dynamisch, zu geordnet sachlich distanziert und zu wenig packend. Man muss es hinsichtlich des Heroismus nicht übertreiben, aber ein wenig mehr Schwung würden diese wichtigen, aber niemals dominierenden Abschnitten gut tun. 

Zusammengefasst ist trotz der kleinen Schwäche "Die Büchse der Pandora" der bislang beste Roman der zweiten Miniserie, in welchem sich die einzelnen Spannungsbögen stabilisiert haben, interessante Hintergrundinformationen unauffällig hinzugefügt werden und vor allem die Auflösung der Fragen neue Möglichkeiten und nicht wieder einen Fächer von weitergehenden Fragen eröffnet.  

 

Heliosphere 2265 - Band 15: Die Büchse der Pandora
von Andreas Suchanek
(Cover: Arndt Drechsler, Innenillustrationen: Anja Dyck)

E-Book (134 Seiten), 2,49 Euro
Taschenbuch (2 Romane) - ca. 250 Seiten