The Guns of Heaven

Thwe Guns of Heaven, Pete Hamill, Rezension, Thom as Harbach
Pete Hamill

Pete Hamills "The Guns of Heaven" erscheint als Nachdruck in der amerikanischen "Hard Case Crime" Reihe, weil trotz der politischen Untertöne der Plot dank des harten, von kurzen einfachen Sätzen dominierten Stils im Grunde ein Krimi ist. Wer das Buch mehr als dreißig Jahre nach der Erstveröffentlichung vor allem mit den politischen Entwicklungen in Irland und dem Waffenstillstand der IRA vergleicht, könnte an einen bizarren Parallelweltthriller denken. Aber zusammen mit Jack Higgins "Auf den Schwingen des Adlers" oder Neil Jordans Film "The Crying Game" ist "the Guns of Heaven" ein historisches Dokument in Form eines populären Rachekrimis mit einem Reporter, der aufgrund einer Gefälligkeit Teil eines perfiden Plans geworden ist.  Es ist aber interessant, sich im Vorwege mit Pete Hamills Biographie und der Herkunft seiner Familie zu beschäftigen, um die intensive und sehr emotional geführte Auseinandersetzung im Irlandkonflikt als dunkles Herz der Geschichte besser zu verstehen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum leider nicht zum ersten Mal nur ein Band einer locker verbundenen Serie im Rahmen von "Hard Case Crime" veröffentlicht worden ist und es handelt sich in diesem Fall um den dritten Sam Briscoe Roman, der einige Jahre nach den geradlinigen "Dirty Laundry" und "The Deadly Piece" publiziert worden ist. Inhaltlich sowie qualitativ  durch die persönlichen Bezüge ragt "The Guns of Heaven" über die anderen beiden Romane hinaus.

Sam Briscoe und sein Schöpfer Pete Hamill sind beides Reporter der alten Schule. Es verbindet sie nicht nur die Erfahrung einer langjährigen und anscheinend auch populären Kolumne in einer der angesehenen New Yorker Zeitungen. Beides sind Kinder des Big Apple, obwohl die Vorfahren aus Irland stammen. Beide sind an den Brennpunkten der Weltpolitik gewesen, wobei Hamill auch impliziert, dass sein Briscoe die letzten Züge des chaotischen Vietnamkrieges festgehalten hat. Auch wenn Briscoe/ Hamill europäische Wurzeln haben, durchzieht sie ein pragmatischer Glaube an die eigenen Fähigkeiten und eine grundsätzliche Abneigung gegen religiöse Verführung und damit einhergehend die Verdummung der Massen. Sie sind in ihrer unmittelbaren Umgebung bekannt, aber nicht unbedingt populär. Im Gegensatz allerdings zu Hamill ist Briscoe ein Einzelgänger, der nach seiner Scheidung von einer reichen, sehr affektierten Frau sich auf seine Karriere bzw. das Leben an sich konzentriert, während die gemeinsame Tochter in einem Internat in der Schweiz aufwächst. Vielleicht das schwächste Element des ganzen Romans, da die obligatorische Entführung inklusiv der versuchten Erpressung eine Idee ist, die schon in den achtziger Jahre eher klischeehaft und zu oft eingesetzt erscheint. Aus der Distanz von mehr als dreißig Jahren wirkt die Entführung zwar wie ein Brandbeschleuniger, der Briscoe endgültig in die Verschwörung zieht, aber schon die Ermordung seines Onkels in Irland sollte ausreichen, um die Hintermänner und Täter zu suchen. Während Mickey Rouke in "AUf den Schwingen des Adlers" anfänglich arrogant und selbstverliebt, später gehetzt und gebrochen erscheint, ist Briscoe als zentrale Figur weniger der klassische schreibende Chronist des Geschehens, sondern übernimmt sehr schnell - für einen alleinstehenden Roman, im Zusammenhang mit der Trilogie ist seine Handlungsweise nicht unbedingt überraschend - die Initiative und kontrolliert trotz oder gerade wegen einiger notwendiger Reaktionen das Geschehen. Das erste Drittel des Buches ist auch weniger ein klassischer Hardboiled Krimi, sondern eher eine ruhige stimmungsvolle Abrechnung mit dem britisch- irischen krieg und den tiefen Gräben, welche die Briten nicht nur in Irland hinterlassen haben, sondern wie weit sich die Protestanten und Katholiken mit irischen Pässen voneinander entfernt haben.  Sam Briscoe soll in Irland einen der Hintermänner der IRA interviewen. Den Auftrag hat er nur übernommen, weil sein Arbeitgeber ihm auch den Weiterflug und Aufenthalt in der Schweiz bei seiner Tochter bezahlt. In Irland fährt ihn sein Onkel, der wie Briscoe zu den aktiven Sympathisanten der IRA gehört. Während des Interviews wird Briscoe gebeten, einen Umschlag mit in die USA zu nehmen und dort einem Mitglied der IRA zu übergeben. Zu den stärksten Passagen des Romans gehört die sich immer weiter entwickelnde Paranoia in Irland. So schlägt Briscoe einen Mann nieder, der ihn eigentlich beschützen soll. Die englischen Soldaten sind eher bereit, einen Unschuldigen bei einer Straßenkontrolle aufgrund verbaler Provokationen niederzuschießen als nur einen Schritt zurück zu treten. Wenn die IRA einen britischen Soldaten oder Beamten tötet, wird umgehend ein durchaus unschuldiger Katholik von der Gegenorganisation umgebracht. Die Atmosphäre der sinnlosen Gewalt wird später nur bedingt auf die in New York spielenden Szenen übertragen. Interessant ist aus heutiger Sicht, dass es bei dem hier vorliegenden Szenario keinen Ausweg aus der Spirale von Gewalt geben könnte. Die „irischen“ Patrioten verstehen sich als Freiheitskämpfer und zumindest intelligente Männer wie Briscoe sind ihre heimlichen Unterstützer. Ganz der Reporter bewegt sich Pete Hamill aber auch am Rand des aktiven Manipulierens seiner Leser. Er lässt nicht nur die Geschichte des gegenwärtigen Konflikts Revue passieren, sondern schlägt einen Bogen bis ins 17. Jahrhundert. Das wirkt bemüht und ist ohne Frage gut recherchiert, nimmt dem Leser aber auch die Möglichkeit, seine eigene relevante Meinung zu bilden.

Kaum hat Briscoe den Umschlag entgegen genommen, wird sein Onkel ermordet und ihm in der Schweiz eine Falle gestellt. Er bringt seine Tochter zu seiner Exfrau nach Spanien und versucht aktiv in New York zu eruieren, wer ihm auflauert. Ab diesem Moment dreht sich der Blickwinkel des Romans. Briscoe ist sicherlich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite könnte mit einem Schlag die Öffentlichkeit sich der Irlandproblematik annehmen, auf der anderen Seite scheint die IRA eine gigantische Waffenlieferung – die Quelle wirkt wie ein Einschub und eine absichtliche Abrechnung mit den religiösen Scharlatanen, macht aber angesichts des gigantischen Umfangs nur bedingt Sinn – zu erwarten. Sollten beide Ereignisse in der geplanten Form eintreten, könnte es den militärischen Konflikt auf der grünen Insel entscheidend beeinflussen. Und hier beginnen die Probleme. Der Brief wird immer mehr zu einer Art MacGuffin, da anscheinend die eine Zeit nur ein bedingtes Interesse an dem Brief, sondern stärker an dem Absender hat. Wenn dieser wirklich das anscheinend so sichere Irland verlässt, um in New York nach dem Rechten zu sehen, ist das Szenario zu wenig konsequent vorbereitet. Auf der anderen Seite erscheint es fragwürdig, warum eine kurze Liebesaffäre mit einer natürlich rothaarigen Kellnerin Briscoe aus zwei ausweglosen Situationen rettet und warum man ihn am Leben lässt. Er schreibt schon lange keine Kolumne mehr und sein literarischer Einfluss hinsichtlich der Bildung einer öffentlichen Meinung ist nicht existent. Viel mehr dient Briscoe vor allem in zwei im Grunde aussichtslosen Situationen als indirekter Mittler zum Leser, in dem er mit seinen Vermutungen die professionelle Gegenseite provoziert, um entsprechende Informationen zu präsentieren. Auch bei einigen Situationen agiert Briscoe eher wie in eindimensionalen Filmen und hält mit seinen nicht geplanten Operationen den Plot bis zur finalen, viel zu schnell ablaufenden Auseinandersetzung am Laufen. Es ist erstaunlich, dass seine “Gegner” ihn kontinuierlich unterschätzen. Er hat sich ja mehrfach nicht als Schreibtischtäter erwiesen, sondern als Mann der Tat, der erstens mit der Waffe umgehen kann und zweitens auch in extremen Situationen sehr rücksichtslos agiert. Es wird zwar auf eine „Navy“ Vergangenheit hingewiesen, aber im vorliegenden Roman erinnert Briscoe eher an einen Schreibmaschinen James Bond als die Hardboiled Ermittler. Hamill überzeichnet seine Figur zu sehr und nimmt damit einigen wichtigen Passagen die Glaubwürdigkeit. Vor allem weil er nach dem dunklen, teilweise brutalen Auftakt zwar immer noch Nebenfiguren im Off sterben lässt, die Paranoia Atmosphäre der ersten Seiten aber an keiner Stelle mehr erreicht wird.  

Positiv ist, dass Pete Hamill in Form eines Unterhaltungsromans die Irlandproblematik noch einmal angerissen hat. Es fehlt natürlich eine differenzierte Darstellung oder zumindest die nachhaltige und überzeugende Etablierung einer politischen Position, an der sich die Leser orientieren, wenn nicht reiben können. Auch die Zeichnung der Nebenfiguren ist eher pragmatisch. Auf der anderen Seite mit seinem stringenten sehr kompakten Stil, den minutiösen und stimmungsvollen Beschreibungen der anderen Seite New Yorks und schließlich einer rasanten, unabhängig von einigen unlogischen Passagen straff erzählten Handlung zeigt die Neuveröffentlichung von „The Guns of Heaven“ – der Titel ist so doppeldeutig wie passend – einen guten Vertreter des Straßenthrillers der heute in Vergessenheit geratenen achtziger Jahre.   

 

Hard Case Crime, 238 Seiten 

September 2006
ISBN: 978-0857683663
Cover art by Larry Schwinger

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