Murder is my Business

Murder is my business, Thomas Harbach, Brett Halliday, Rezension
Brett Haliday

Nicht zum ersten Mal greift die empfehlenswerte Hard Case Crime Reihe einen ohne Frage bedeutenden Roman aus einem Zyklus, einer Reihe oder manchmal einer Trilogie heraus und präsentiert ihm einem staunenden Publikum. Im Falle von „Murder is my Business“ aus dem Jahre 1945 ist einer der frühen „Mike Shayne“ Romane, die Brett Halliday alias Davis Dresser verfasst hat. Der erste Band dieser mehrfach verfilmten und sehr erfolgreichen Reihe ist von einundzwanzig Verlegern ursprünglich abgelehnt worden. Von den mehr als fünfzig Mike Shayne Abenteuern hat Halliday wahrscheinlich über fünfzig verfasst, während später Bill Pronzini oder Robert Tessel unter Hallidays Namen weiter geschrieben haben.  Ob der vorliegende Roman für die ganze Reihe signifikant ist, lässt sich schwer sagen, aber neben den Hardboiled Anspielungen sind es verschiedene Ideen, welche den Charakter aus der Maße heben. So hilft der eigentlich abgebrannte Detektiv einer alten Witwe, die ihren Sohn in El Paso vermisst ohne Bezahlung und kehrt doch dank einer Geschäftstüchtigkeit mit mehr als zehntausend Dollar und vor allem einem aufgeklärten Dreifachmord sowie der Begleichung einer alten Abrechnung in die USA zurück. Auch wenn Orson Welles seinen Thriller „Touch of  Evil“ erst einige Jahre später inszeniert hat, wirkt die Atmosphäre dieses kleinen Grenzstädtchens vergleichbar düster. Der Leser muss sich vor Augen halten, dass Halliday den Stoff während des Zweiten Weltkriegs geschrieben und auch entsprechend vor einem absehbaren Kriegsende veröffentlicht hat, so dass verschiedene Aspekte wie die eingefrorenen Silberpreise oder die Angst der jungen Männer vor der Rekrutierung im damaligen Licht gesehen werden müssen.  

Schon vor zehn Jahren hat Mike Shayne in El Paso einen unangenehmen Job übernehmen müssen. Er sollte die Tochter des örtlichen Silberbarons Towne von ihrem Liebhaber trennen und hat einige Beweise über dessen Vergangenheit fingiert. Jetzt hat dieser mächtige und für das Amt des Bürgermeisters kandidierende Towne ausgerechnet den jungen Rekruten überfahren, der gerade in dem Brief an die Witwe deutlich gemacht hat, dass er sich unter einem falschen Namen bei den amerikanischen Streitkräften einschreiben will, weil er nicht wusste, dass er selbst in Mexiko arbeitend wehrpflichtig gewesen ist. Shayne findet schnell heraus, dass der Junge schon vor dem von Towne umgehend gemeldeten Autounfall tot gewesen ist.  Kurze Zeit später wird eine weitere Leiche aus dem nahe gelegenen Fluss gefischt. Beide scheinen etwas von Townes Geschäften zu tun zu haben. Als dann auch noch Townes Tochter wieder auftaucht – sie hat eine Schwäche für Shayne – und vor allem der abgelegte Liebhaber erscheint, der sich mit ambivalent zu interpretierenden Propagandaschriften über Wasser gehalten hat, ist das potentielle Komplott perfekt.

Obwohl nicht in der intimen Ich- Perspektive geschrieben fokussiert Halliday den Plot extrem stark. In allen Szenen spielt direkt oder indirekt Shayne eine wichtige Rolle. Das könnte auf die Dauer routiniert und statisch erscheinen, in diesem komplizierten, aber sehr interessant aufgebauten Fall ist es aber spannungsfördernd. Alle Fakten, welche Shayne nicht direkt erlebt oder ihm verbal/ schriftlich übermittelt werden, können nur in den nächsten Szenen mitgeteilt werden. So ist er bei Verhören der Augenzeugen dabei und/ oder erhält die Berichte der örtlichen Polizei.  Selbst die manipulierenden Zeitungsartikel werden sehr ausführlich zitiert.  Sollte das wie beim Schusswechsel in der Gasse nicht ausreichen, dann greift Halliday auf das typische Element einer Sherlock Holmes Geschichte, eines Agatha Christie Krimis oder vielmehr eines Nero Wolfes zurück. Die direkte Konfrontation des einzigen im Grunde in Frage kommenden Mannes mit einer Mischung aus Fakten, Vermutungen und schließlich einem subjektiven Gefühl, das aber nicht nur auf Berufserfahrung beruht, sondern vor allem auch auf der ersten Begegnung zehn Jahre vorher.  Der Autor hält auch keine Informationen vor den Lesern zurück. Alle Fakten werden ausgebreitet, der „Zuschauer“ kann sie nur nicht interpretieren. Nach dem Showdown werden wie es sich für eine derartige Geschichte gehört, die entsprechenden Lücken geschlossen, aber der Umfang des Plots mit der Silberverschwörung und schließlich dem dreifachen Mord erstaunt.

Während Shayne als Detektiv vielen Klischees entspricht, sind die Nebenfiguren deutlich ambivalenter und interessanter gezeichnet worden. Als Ermittler, der sich durchaus die Hände schmutzen machen kann, aber es nicht immer will, ist Mike Shayne eine ambivalente Figur. Er nimmt gerne Geld an, das er sich mit halbseidenen Taten allerdings von schlimmeren Verbrechern verdient. Er arbeitet gerne mit der Polizei zusammen und offensichtlich hat er auch eine Schwäche für jüngere, attraktive Frauen. Er ist nicht stolz auf jede seiner Taten, hat aber auch hinsichtlich seiner Vergangenheit kein schlechtes Gewissen. Sein wichtigster Gegenspieler ist Towne, ein Alkoholiker, ein Mann, der in einem Ort voll bestechlicher Männer gerne Bürgermeister werden möchte. Er ist ein rücksichtsloser Geschäftsmann, aber bis kurz vor Einsetzen des Plots nicht schlimmer als seine Umgebung. Seine Tochter wirkt ein wenig zu naiv gezeichnet. Attraktiv, dümmlich und trotzdem seit mehr als zehn Jahren in einen jungen Mann verliebt, der ihretwegen seine  Karriere als Dichter aufgeben musste. Als Nebenfigur erscheint der Liebhaber zu weich, zu ambivalent und vor allem nicht ausreichend genug gezeichnet, aber wie vor zehn Jahren soll er dieses Mal nicht mehr direkt, sondern indirekt zum Sündenbock werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Hardboiled Thrillern ist die Polizei nicht unbedingt der Feind des Detektivs. Freunde werden sie auch nicht, da Shayne mit dem Wunsch nach einer Autopsie des ersten Toten die Lawine losbricht. Halliday macht aber nicht den Fehler, den intelligenten, verschlagenen und opportunistischen Shayne alleine in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. An einigen Stellen eben ihm die Polizisten erst die entsprechenden Hinweise. Ohne direkt auf Action zu setzen – es gibt nur zwei Schusswechsel im ganzen Roman – wirkt die Geschichte aus heutiger Sicht wie der Blick in eine längst vergangene Epoche mit den USA zwar im Krieg, aber einer Jugend, die nicht unbedingt auf den Schlachtfeldern in Asien oder Europa sterben wollte. Einer Jugend, die sich gegen die strengen Gesetze vergnügen musste und den Kleinstadtverbrechern, die mit geschickten Winkelzügen ihr jeweiliges Imperium erhalten wollten und dabei auch vor Mord nicht zurückschreckten. Vielleicht vermisst der Leser den zynisch lakonischen Stil einiger Klassiker des Genres, aber mit wenig Mühe baut er eine solide, dreidimensionale Szenerie auf und fügt ihr eine beklemmende, aber nicht nihilistische Atmosphäre bei.

Robert McGinnis Titelbild hat zwar nichts mit der Handlung zu tun, ist aber ein Augenschmaus.      

             

Hard Case Crime, Taschenbuch , 220 Seiten

August 2010
ISBN: 978-0857683472
Cover art by Robert McGinnis

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