Perry Rhodan Neo 100 "Der andere Rhodan"

Perry Rhodan Neo 100, Der andere Rhodan, Rezension, Thomas Harbach
Frank Borsch

Die Strategie der Perry Rhodan Redaktion ist nicht mehr verständlich. Während in der Erstauflage der Jubiläumsband immer zum Einstieg in die laufende Serie eingeladen hat, ist in mehrfacher Hinsicht der vorliegende Neo 100 das Gegenteil. Zum einen können Rüdiger Schäfer und Michael Buchholz mit ihrer Handlung erst im nächsten Roman beginnen, zum zweiten wirkt der Abschluss der Frank Borsch Ära weiterhin überstürzt und extrem konstruiert und zum dritten ist die Idee einer Zeitschleife inklusiv eines Zeitparadoxon eine derartig schwierigere Thematik, die Frank Borsch bislang gezeigte Fähigkeiten als Exposeautor schlicht weg überfordert. Neue Leser werden damit eher abgeschreckt als angezogen.  Da Frank Borsch auch das vorliegende „Neo“ Taschenheft geschrieben hat, ist es sinnvoll, eine Auseinandersetzung mit dem Autoren und dem Expokraten zu gleichen Teilen in Angriff zu nehmen. Frank Borsch hat ohne Frage als talentierter Jungautor mit einigen sehr guten Arbeiten begonnen. Seine ersten zyklenunabhängigen ATLAN Romane haben deutlich gemacht, dass Frank Borsch vor allem auch über die erzählerischen Fähigkeiten eines Robert Feldhoffs verfügt. Irgendwann hat Frank Borsch dann allerdings den roten Faden verloren. Seine „Alien Earth“ Romane haben bewiesen, dass er kein Exposeautor ist. Ein starker Auftakt, ein schwaches Ende. Mit den fragwürdigen faschistisch klingenden Abschnitten im Jubiläumsband 2500 hat er sich für viele Leser noch mehr in das Abseits geschrieben. Frank Borsch fehlt einfach das Gefühl, aus dem wirklich wunderbaren, aber nicht mehr zeitgemäßen Perry Rhodan Kosmos eine moderne und vor allem stringent spannende, in sich logische Geschichte zu machen, die Erinnerungen weckt und trotzdem fesselt. Viele Miniserien innerhalb von „Perry Rhodan Neo“ liefen ins Nichts oder deren Aktionen wirkten unlogisch. Hinzu kam, das die 12er Struktur am Ende eine Farce gewesen ist. Nicht selten wiederholten sich Aktionen – tote Charaktere, die plötzlich wieder zum Leben erwachten; Entführungen; Fallen - , wobei die einzelnen Protagonisten trotz oder gerade wegen ihrer Erfahrungen keine Entwicklung durchliefen. Vor allem hat Frank Borsch kein inneres Zeitgefühl für die tatsächliche vergangene Zeit zwischen den einzelnen Miniserie wie bei der Besetzung der Erde, wo die Arkoniden erst in Rekordzeit alles angingen und dann zeitlich nachließen, um innerhalb von wenigen Stunden einen Schauprozess auf die Beine zu stellen, in dessen Publikum sich die Rebellen mit mehreren hundert bewaffneten Kämpfer einschleusen konnten. Viele Ideen sind nicht durchdacht, sondern wirken wie auf einen überdimensionalen Schreibtisch geworfen und einfach ausprobiert. 

 Wenn im vorliegenden Taschenheft Perry Rhodan mit den Imperatoren des Arkon Imperiums als eine Hochrang Führungskraft für die Allianz in Frage kommt, dann wirkt das angesichts der Ambivalenz bis führungstechnischen Unfähigkeit dieses bei Scheer charismatischen Anführers lächerlich. Dieser „Neo“ Perry Rhodan ist ein charismatischer Anführer, sondern eine durchaus dreidimensional gezeichnete Persönlichkeit, die nicht selten dank „Deus Ex Machina“ Situationen und vor allem auch einige Zufälligkeiten, Wunderwaffen, Superintelligenzen oder ganz einfach unmöglichen Situationen noch am Leben ist. Immer wieder wird der Hintergrund umgedreht, verändert und relativiert, ohne das wirklich Spannung aufkommt.

Bedenkt man, dass in diesem Heft gesagt wird, die Haluter wurden durch die Bedrohung der Vernichtung ihrer  Heimatwelt in den Dienst der Allianz gezwungen worden ist, dann haben die Arkoniden ängstlich agiert. Die Strafe erfolgt auf den Fuss. Da die Terraner dank Reginald Bull inzwischen über „Superwaffen“ in Form eines ausgehöhlten Asteroiden verfügen, ergibt sich Satrak schließlich relativ schnell. Erst einmal hat er gar nicht die Vollmachten dafür, da er zusammen mit Chetzkel agierte und  zweitens wirkt die Grundidee, die Besetzung durch die Arkoniden – ein sehr guter Ansatz, der vieles an der alten Erstauflage positiv auf den Kopf stellt und effektiv hätte ausgebaut werden können – ad absurdum geführt. Fancan Teil hat sich für die Menschen quasi verbürgt und deswegen durften sie sich in den Waffenbeständen der „Ersten“ ordentlich bedienen. Und damit alles passt, handelt es sich auch noch um Roboter Raumschiffe, so dass die wenigen ausgebildeten Raumfahrer etwas ausgebildet werden können. Es sind knapp einhundert Raumschiffe, wobei das Superschlacht gleich acht arkonidischen Kreuzern überlegen ist. Mit dieser Verschiebung der Verhältnisse wäre zumindest ein kurzfristiger Sieg möglich, aber es steht außer Zweifel, dass die Arkoniden sich eine derartige Niederlage angesichts ihrer weiterhin waffentechnischen Überlegenheit und vor allem angesichts der Bedrohung durch die Methanatmer nicht erlauben können und wollten. Dafür wäre Terra auf den ersten Blick zu wichtig.

Aber um die Situation endgültig auf den Kopf zu stellen und vor allem viele Aspekte der letzten schon stark konstruierten Minizyklen als Variation einer erfolglosen Zeitmanipulation erscheinen zu lassen, haben sich die Autoren unter Führung von Frank Borsch relativ wenig einfallen lassen, um die einzelnen, immer wieder angesprochenen Zöpfe abzuschließen. Positiv ist, dass Frank Borsch keine Idee – und sei sie noch so schlecht – vergessen hat. Er schlägt den Bogen zurück zum alten Rhodan, der aus dem Nichts auftauschend Perry Rhodan davor gewarnt hat, die elysischen Welten nicht zu betreten. Dafür haben sich Tolot und Rhodan – 17 (dazu später) eine Aktion einfallen lassen, die natürlich nicht funktionieren kann. Jeder, der eine Art von Perry Rhodan kennt, weiß das eine allgemein gültige Warnung eher wie ein Magnet auf ihn wirkt und seine Neugierde anstachelt, das Gegenteil davon zu tun. Anstatt ihn dann mit ausreichenden Informationen zu füttern und sachlich aufzuklären- ein Manko der ganzen „Neo“ Serie – haben sie es in Form des Rhodan Greises bei Plattitüden gelassen, so dass Perry Rhodan im Grunde nicht anders konnte als diese Welt aufzusuchen und ggfs. Schaden von seinem Volk abzuwenden.  Die wichtigsten rückblickenden Handlungsaspekte werden wieder in Form eines verbalen Rückblicks erzählt. Dieses Mittel ist in der Erstauflage meistens benutzt worden, um Nebenfiguren kurz vor ihrem Ausscheiden zu charakterisieren und wichtige Fakten zu präsentieren. In diesem Taschenheft wirkt es eher wie eine aus der Not geborene Erläuterung, um die verklausulierte Handlung zu entzerren. Interessant ist, dass Icho Tolot einen Auftritt in der Serie hat. Allerdings weniger als Freund der Menschen – diese Rolle hat ja Teik übernommen -, sondern als Folterknecht der Allianz. Perry Rhodan liegt nach der Auseinandersetzung mit Chetzkel im Koma. Das Enteron übernimmt zum wiederholten Male die Funktion des „Übersetzers“, in dem er plötzlich aus dem Nichts heraus die Freunde über die außerhalb der beschriebenen Handlung ablaufenden Ereignisse in Kenntnis setzt. Der verwirrte, zu den elyischen Welten gereiste Rhodan erfährt, das er in Wirklichkeit eine Kopie des Originals ist, das mittels der Duplikatorentechnik gezüchtet worden ist. Die Idee dahinter ist, diese Kopien mittels Extremsituationen aus dem Leben des Originals zu foltern und immer wieder mit Entscheidungen zu konfrontieren, die sie im Grunde nicht beeinflussen können. Die grundlegende Idee scheint das Scheitern der Kopien zu sein und daraus folgend das Ausbilden von Depressionen. Diese „Folter“ gilt für alle arkonidischen Herrscher, die auf der elysischen Welt landen als auch ausgewählte Exemplare anderer Rassen, um wie beschrieben neue Anführer für die Allianz zu finden. Ob diese Art der Vorgehensweise Ziel fördernd ist, sei dahin gestellt. Zumindest die Idee, daraus einen neuen Goldenen zu gewinnen und vielleicht indirekt auch durch die Weiterentwicklung von „Ricos“ neue Modelle zu bauen, hätte faszinierend sein können, wenn nicht der einzige aktiv bislang in der Handlung aufgetretene Goldene sich intelligent und taktisch klug verhalten hätte. Stattdessen gehört er zu den naivsten Personen der Handlung und der Leser kann nur schmunzeln, dass ein solches Exemplar aus diesem härtesten Kopiendrill des Universums entstammen könnte. Natürlich gelingt es Rhodan 17, Icho Tolot zu überzeugen, ihm zu helfen. Schnell kommen sie auf die Idee, die Zeit zu manipulieren. Alleine diese Idee wird zu wenig konkretisiert und entsteht quasi aus dem Nichts heraus. Gezielte Zeitreisen – die meisten gingen anfänglich durch Transmitter, deren Ziele zumindest den Menschen unbekannt gewesen sind – hat es in der „Neo“ Serie noch nicht gegeben. Über die Herkunft des Enteron erfährt der Leser, dass es quasi Nebenbei aus Erbgut geklont worden ist, während die Allianz oder deren lokale Wächter nichts von den Aktivitäten Rhodans bzw. Icho Tolots merken. Am Ende des Taschenheftes und damit auch der Geschichte wacht Rhodan quasi aus dem Koma auf.

Viele Science Fiction Geschichten insbesondere aus dem Zeitreisesubsektor spielen mit der Idee, dass das Flügelschlagen eines Schmetterlings ganze Wellen auslösen kann und damit alles verändert. Viele Filme wie „Timecrimes“ oder „Retroactive“ haben immer wieder mit der gezielten Veränderung der Vergangenheit und deren Folgen geliebäugelt. Von den „Terminator“ Streifen ganz abgesehen. Wenn die Warnung erfolgreich gewesen wäre, dann hätte Rhodan die eylische Welt nicht betreten sollen, er wäre nicht kopiert worden und hätte die Warnung nicht absetzen sollen. Was im Umkehrschluss allerdings auch dazu geführt hätte, dass das Original auch das Absetzen der Warnung natürlich die elyische Welt betreten und damit den Kreislauf wieder ausgelöst hätte. Frank Borsch versucht verzweifelt, die zahllosen logischen Löcher seiner Handlung nicht nur mit dieser unausgereiften Idee zu überdecken, sondern wie bei der aus dem Nichts aktivierten Flotte im Grunde eine Art Status Quo näher am Original – Terra ist eine Macht, die Arkoniden müssen sich zumindest teilweise geschlagen geben – herzustellen, um den Handlungsbogen an Rüdiger Schäfer und Michael Buchholz gereinigt, aber nicht wirklich sauber zu übergeben. Wie viele andere Ideen – das Epetrans Archiv in den Köpfen von Arkoniden, die im Grunde getötet werden müssten, aber meistens eher zufällig ohne Gewissenskonflikte für den eindimensionalen Perry Rhodan sterben/ ausfallen – wirkt Frank Borsch eher bemüht als inspiriert. Viele dieser Brüche und logischen Anschlussfehler, die Unfähigkeit, eine Geschichte konsequent zu Ende zu erzählen, hat ein langjähriger Begleiter des Autoren schon in „Alien Earth“ auf einem sehr viel kleineren Niveau feststellen können, so dass es wirklich schade und enttäuschend ist, dass die Perry Rhodan Redaktion auf diesen hier präsentierten faulen Kompromiss eingestiegen und die erste Ära von „Perry Rhodan Neo“ im Grunde den Leser täuschend abgeschlossen hat. Frank Borsch Auflösung ist leider eine der Tiefpunkte einer kritisch gesprochen bislang durchschnittlich bis bemüht ablaufenden Neuinterpretation der Serie, welche auf diesem Qualitätsniveau die Gründerväter K.H. Scheer und Walter Ernsting eher geschockt als begeistert hätte.                

Pabel Verlag, Taschenheft

160 Seiten

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