Perry Rhodan Neo 98- Crests Opfergang

Perry Rhodan Neo 98, Crests Opfergang, Rüdiger Schäfer, Rezension
Rüdiger Schäfer

Rüdiger Schäfer hat eigentlich die Chance, einige weitere rote Fäden dieser immer noch sehr konfus verlaufenden und durch den Wechsel der Exposeredaktion aus dem planbaren Ruder gelaufenen Handlung zusammen zu knüpfen und zumindest einen Höhepunkt zu setzen. Stilistisch solide geschrieben präsentiert der Leverkusener aber einen Roman ganz in der Tradition der letzten Frank Borsch Exposes. Es werden hohe Erwartungen beginnend mit dem Titel geweckt, die nicht eingehalten werden. Zum wiederholten Male ist es der Faktor Zufall, der Chetzkel vor seinem eigenen Ehrgeiz rettet und abschließend leidet Rüdiger Schäfer wie Frank Borsch unter einer Art verzerrter Zeit Trauma. Es lohnt sich fast nicht mehr zu wiederholen, dass die Planungen- ein Schauprozess in Dortmund – vor und hinter den Kulissen nicht konform laufen. Konnten die Rebellen im letzten Band in der kurzen Zeit mehrere hundert bewaffnete Krieger in die Arena schmuggeln, so findet der übergelaufene Fürsorger den Weg zu einem geheimen Ausrüstungsdepot, das im Vorwege des Schauprozesses eingerichtet worden ist. Bedenkt man zusätzlich, dass der auftauchende Haluter sich unter Dortmund zusammen mit dem Fürsorger und Thora einen Weg durch die Dortmunder Katakomben gräbt und damit weiteren Schaden auf der Oberfläche anrichtet, dann erscheint es wunderlich, dass der inzwischen sich Haluter nennende Teik ausgerechnet diese Richtung findet. Im Umkehrschluss könnten zynische Stimmen behaupten, die Arkoniden hätten im Vorwege einen Ring von Lagern angelegt, so dass der Fürsorger den Haluter einfach graben ließ. Da es keinen Hinweis auf diese ausführliche Planung gibt, muss nicht nur bei dieser Szene der Zufall das Zepter führen. Während des Showdowns ist es auch der Haluter, der widerwillig cineastisch effektiv aus dem Boden kommend die Plan die perfekten Pläne eines Teils des Widerstandes sabotiert und Chetzkel damit kurzzeitig rettet.  In dem Chaos kann es auf der einen Seite keine Abstimmung zwischen den einzelnen Gruppen mit Thora und Crest als „Wortführern“ geben, aber dem Leser muss klar sein, dass Crest quasi eine weitere Geheimwaffe immer am Mann geführt hat, die plötzlich aus dem Nichts kommend Chetzkel verführen soll. Auch hier fehlt das Zeitelement. Wenn am Ende sogar Reginald Bull im richtigen Moment an Bord eines fliegenden Felsens „bewaffnet“ mit einem Traktorstrahl gen Erde reitet, dann erinnert „Neo“ endgültig an die amerikanischen Blockbuster. Es ist schade, dass weder Frank Borsch noch Rüdiger Schäfer sich an K.H. Scheer orientieren, der diese Art Kommandounternehmen mit Hintertürchen durchaus den Leser ablenkend, aber rückblickend in den meisten Fällen souverän und vor allem minutiös geplant hat ablaufen lassen. Die Anhäufung von Zufällen, die fehlenden logischen Zusammenhänge und um auf den Titel zurückkommend wieder das Auslegen von falschen Spuren frustriert ungemein.

In Bezug auf den großen Handlungsbogen geißelt Chetzkel den Verlust von 43 Arkonidenleben sowie die Uneinsichtigkeit und Undankbarkeit der Menschen. Es ist eine von zwei großen „Reden“, in denen Rüdiger Schäfer überzeugend die Ambivalenz der arkonidischen Kultur anprangern kann. Während Crest bei seiner direkten Begegnung  mit Chetzkel auf die Verantwortung der arkonidischen Kultur hinweist, die lange Geschichte der Gegenwart gegenüber stellt und hinsichtlich seines eigenen Schicksals durchaus dreidimensional erscheinen darf, wirkt Chetzkel insbesondere in dieser ersten Szene eher wie eine eindimensionale Abziehfigur eines unfähigen Kommandanten. Dabei macht er viel richtig. So hat er die Arena mit einem Sperrgürtel umgeben. Ziel ist es, alle Personen zu identifizieren und nur durch das Vorzeigen von Ausweisdokumenten dürfen die Menschen die Zone verlassen. Von der reinen Logik her hat die Aktion der Rebellen bislang nicht viel gebracht. Sie hatten keinen Plan, die Naats oder Ferronen aus dieser Zone zu bringen. Ohne das Eingreifen des Haluters wäre der ganze Plan vor allem unter zahllosen zivilen menschlichen Opfern zusammengefallen. Auch eine Befreiung der Menschen wäre unter diesen Umständen gescheitert. Viele der menschlichen Gefangenen werden entweder getötet oder gefangen genommen, wobei sich rückwirkend die Frage stellt, warum die ganze Aktion nur auf der vordergründigen Ebene angegangen worden ist. Angesichts der vorhandenen Technik wäre es vielleicht möglich gewesen, entsprechend gefälschte Ausweise im Vorwege zu besorgen. Hinzu kommt, dass der Arkonide Kelange auch von einem Kommando befreit wird. Angesichts der Rebellenaktion wäre es auch ein leichtes gewesen, den Arkoniden einfach so wieder in den eigenen Gewahrsam zu nehmen. 

Es gibt aber noch eine weitere interessante Doppelung. Der Haluter Teil ist anscheinend mit einem 5- D Peilsender ausgestattet. Eine ungewöhnliche Frequenz. Die Sensoren der AGEDEN sind auf diese Frequenz eingestellt. Von der Logik her sollte also im Verlaufe der Handlung dieser Überraschungsangriff gar nicht stattfinden können, denn entweder ignoriert Chetzkel die vorher angeforderten Signale oder zum wiederholten Mal sind die Arkoniden im entscheidenden Moment „blind“. Hinzu kommt eine Doppelung, denn Crest entscheidet sich, den Zellaktivator abzulegen, der auch anscheinend 5 D Signale abstrahlt und vor allem seiner Persönlichkeit schadet, während er seiner Gesundheit nicht unbedingt hilft. Die Idee, das die Unsterblichkeit auch die „Guten“ negativ beeinflussen kann, ist eine der innovativsten Wendungen der „Neo“ Serie. Rüdiger Schäfer gibt sich sehr viel Mühe, diesen inneren Konflikt überzeugend und für den Leser auch nachvollziehbar zu beschreiben. Das leider hinter den beiden 5 D Signalen (warum können die Arkoniden relativ schnell die Peilsignale des Haluters auf dieser ungewöhnlichen Sequenz finden, beim Zellaktivator aber nicht) wie beim Zwiebelschalenmodell wieder Wächter oder Mächte stehen, die auch beim kontinuierlichen Nachfragen höchstens in Informationsscheibchen identifiziert werden, lässt den Roman neben der leider unlogischen Actionhandlung aufgeblähter und inhaltlich konstruierter denn entwickelter erscheinen als er es vielleicht verdient hat.   

Am Ende des Romans haben die Menschen zumindest eine Art Pyrrhussieg errungen. Interessant ist, dass sich alle Protagonisten inklusiv des weiterhin erstaunlich passiven Perry Rhodan im Sonnensystem aufhalten. Das vorher die Arkoniden nicht die Sonderanfertigungen ihrer eigenen Flotte – 850 Meter statt 800 Meter Durchmesser – nicht erkannt haben, ist eine der Ablenkungen, über die der Leser nicht sonderlich lange nachdenken sollte. Auch wenn das Verhältnis zwischen den menschlichen Kräften und Chetzkels Truppen immer noch in keinem Verhältnis, wird wahrscheinlich der endgültige Sieg funktionieren, da als Charakter Chetzkel inzwischen ausgesprochen paranoid ist und vor allem nicht unberechtigt in seinen eigenen Reihen aufzuräumen sucht, während die Menschen sich auf die offensichtlichen Schwächen der arroganten wie oberflächig agierenden Besatzer konzentrieren können. Hinzu kommt die Neigung der Autoren, „Deus Ex Machina“ Waffen aus dem Nichts zu erschaffen.  Wie in Michael H. Buchholz Roman wird die zugrundeliegende Handlung nicht weitergeführt. Es liegen noch zwei Taschenhefte – bei „Neo“ sind die glatten Nummern nicht der Beginn eines neuen Minizyklus, sondern das Ende der laufenden, inzwischen mehr als die obligatorischen zwölf Hefte umfassenden Handlung – noch vor dem Leser und angesichts des fehlenden Willens, wirklich das Universum zu begradigen und quasi aufzuräumen, bleiben bei Rüdiger Schäfers Romans positiv die wenigen emotionalen Szenen im Gedächtnis, während die Actionhandlung und vor allem die Konzeption von Aktion/ Reaktion wie Michael H. Buchholz Band eher unterdurchschnittlich bis langweilig vorhersehbar sind. Schade, ist es weiterhin unglaublich viel Potential durch eine fehlende Exposetiefe und vor allem eine mangelnde konsequente Entwicklung des Handlungsbogens verschenkt worden. „Crests Opfergang“ beweist das beginnend mit dem irreleitenden Titel.             

 

Pabel Verlag, Taschenheft  160 Seiten

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