Fräulein Schmidt und das Schwert des Feuerriesen

Fräulein Schmidt und das Schwert des Feuerriesen, Thomas Harbach, Wilko Müller, Rezension
Wilko Müller jr.

Der bislang vierte Roman um die Maya Göttin Frl. Schmidt und ihr Leben mit dem Antiquar Wichowski zwischen Weltrettung und Interesse des amerikanischen Geheimdiensts „Fräulein Schmidt und das Schwert des Feuerriesen“  ist der bislang am meisten abgerundete Beitrag der ganzen Serie. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Wilko Müller auf Ereignisse im Grunde aus allen bisherigen Abenteuern  mehr oder minder direkt zurückgreift, sondern auf den unterschiedlichen Handlungsebenen durchaus selbstironisch fast in „Man in Black“ Tradition die Handlung ein wenig parodiert. Hinzu kommt zusätzlich, dass mit den nordischen Legenden nach dem ungewöhnlichen Atlantis Mythos oder dem mehrfach angesprochenen Weltuntergangskult der Mayas ein übernatürliches Thema anvisiert worden ist, das bis auf einzelne, nicht selten falsch gebrauchte Schlagwörter nicht so populär ist.

Die Normen sind verwirrt und suchen Frl. Schmidt auf. Durch die Ereignisse im ewigen Eis ist ja nicht nur ein Gott in Form des Wächters der Bifröstbrücke Heimdall ums Leben gekommen und ein Gletscher in Bewegung geraten, vor allem  fehlt auch das Schwert Surtalogi, das den Weltenbrand – ein weiteres Armageddon – entfachen sollte. Die ursprünglichen Prophezeiungen bis zu den höchsten nordischen Göttern hinauf können nicht mehr in Erfüllung gehen und viele Asen fühlen sich wie die Normen hilflos. Da der Maya Gott Kukulkan – Frl. Schmidt hat ihn das erste Mal im Auftaktband „Frl. Schmidt und die Maske der Mona Lisa“ zu bekämpfen gesucht – im Mittelpunkt der Ereignisse steht, wenden sich die Normen natürlich an Frl. Schmidt. Von der Begegnung quasi in ihrem Wohnzimmer über die Reise zu einem der Götter in der Tarnung eines Rechtsanwalts bis zum finalen, solide geschilderten Showdown hat Wilko Müller den Spannungsbogen extrem konzentriert aufgebaut. Wie in einigen modernen Urban Fantasy Romanen sind die legendären Wesen und ihre wie ein Korsett eng  geschnürrten Prophezeiungen   durchaus bodenständig und damit auch angreifbar. Wilko Müller beschreibt die paranoide Atmosphäre in den Götterwelten sehr plastisch, wobei Frl. Schmidt eher wie ein Katalysator als ein aktives Element wirkt.

Im Gegensatz zu den beiden letzten „Fräulein Schmidt“ Romanen verzichtet der Autor auf die eher ständige Begleitung durch den neuen Vorsitzenden der Loge des Weißen Lichts. Dieser hat wie auch bedingt die Maya Göttin Probleme mit dem amerikanischen Geheimdienst, der aufgrund der Bilder eines sowjetischen Wettersatelliten, den ein Maulwurf angezapft hat, Angst vor einer neuen Superwaffe, die quasi als „Test“ im hohen Norden ausprobiert worden ist. Den ein wenig eindimensional beschriebenen Agenten hilft das bei ihren Befragungen wenig und spätestens beim Besuch in bzw. eher vor Frl. Schmidts Loft ist ihr Weg zu Ende. Dieser zweite Handlungsbogen ist eher begleitende Musik. Die finale Auseinandersetzung mit Hinweise wieder auf Lovecrafts Alte und deren willige Helfer ist wie in den ersten drei Büchern der Serie spannend, kurzweilig und komprimiert beschrieben worden. Wie in „Frl. Schmidt und das Geheimnis der Pyramiden“ wirkt die ganze Struktur des ambitioniert beschriebenen Buches deutlich überzeugender und die abschließenden Ereignisse erscheinen nicht wie in die Ecke gedrängt, so dass trotz der umfangreichen Reisevorbereitung immer noch ausreichend „erzähltechnischer“ Raum ist, um den Gegner wahrscheinlich ein weiteres Mal nur vorläufig und zeitlich bedingt in die Schranken zu weisen.

Auch die Beziehung zwischen Frl. Schmidt und ihrem Arbeitgeber Wichowski wirkt deutlich ambitionierter und deswegen auch emotional überzeugender beschrieben. Wichowski hat sich ein wenig an das Reisen und das Weltretten gewöhnt, aber im Grunde ist er weiterhin ein Büchermensch, ein Theoretiker, der  aus seinem Laden heraus die „Welt“ erleben möchte. Wilko Müller hinterfragt zwar nicht mehr die Verjüngung oder das dreidimensionaler konstruierte Verhältnis zwischen Göttin und Mensch, aber der Autor setzt diese Figur in der finalen Auseinandersetzung auch nicht als Steigbügelhalter mehr ein und gibt dadurch dem Geschehen sehr viel mehr Überzeugungskraft. Schon während der Suche nach Atlantis im zweiten Buch hat Thor einen bleibenden, einen ausbaufähigen Eindruck hinterlassen und nach der Lektüre des vorliegenden Buches verstärkt sich dieser Eindruck. Die nordische Sagenwelt scheint dem Autoren deutlich mehr zu liegen als zum Beispiel die ägyptischen Göttern, die zwar in ein modernes Ambiente transfiert trotzdem ein wenig zu klischeehaft erschienen, während die Mischung aus Odin als Immobilienmakler bzw. früher als Rechtsanwalt, Thor als eine Art Freigeist oder die verwirrten Normen irgendwie passender ist. Zusammengefasst hat Wilko Müller spätestens mit dem vorliegenden vierten Buch – die Kurzgeschichte „Frl. Schmidt und die Reise nach Mexiko“ hellt den Hintergrund vor allem der ersten beiden Bücher sehr gut auf – seine Balance gefunden und präsentiert eine bislang leider unter dem Radar vieler Leser publizierte  Phantastik Serie, die zum Beispiel im dritten Abenteuer mit dem Geheimnis der Pyramiden auch moderne politische und damit auch unbequeme Themen wie den arabischen Frühling zumindest angerissen hat. Und der Antiquar Wichowski stellvertretend für den Leser  sowie die Lara Croft Göttin mit Indiana Jones Ambitionen Frl. Schmidt – bürgerlicher geht es namenstechnisch fast nicht mehr – bilden ein unterhaltsames Duo, von dem der Leser noch mehr Rettungen der Welt bzw. immer lehrreich, aber nicht belehrend Expeditionen in die Mythen und Sagenwelt erwarten kann.   

Phantastische Erzählung
Taschenbuch, 165 Seiten
Edition SOLAR-X 2014
ISBN 978-3-945713-07-5

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