The Hindenburg Murders

The Hindenburg Murders, Max Allan Collins, Titelbild
Max Allan Collins

Nach „The Titanic Murders” ist “The Hindenburg Murders” der zweite Teil dieser lose miteinander verbundenen Desasterserie. Wieder steht eine Katastrophe im Mittelpunkt der Geschichte. Die Protagonisten sind sich im Gegensatz zum Leser ja der aufdämmernden Katastrophe nicht bewusst, so dass ihre Handlungen wie bei einem Kammerspiel erscheinen. Und trotzdem gibt es einige Unterschiede, aber leider auch sehr viele nicht immer positive Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Bänden.

Während an Bord der von der Presse als unsinkbar titulierten Titanic die Dekadenz ihren eigenen Wohlstand feierte, begleitete die Flüge der Hindenburg immer das Risiko der Katastrophe durch den leicht entflammbaren Wasserstoff und es mehren sich die Meldungen, das ein Bombenanschlag auf das Symbol des nationalsozialistischen Deutschland geplant sein könnte. Auch wenn die Besatzung immer ein Gefühl der Sicherheit ausgestrahlt hat, ist selbst den handelnden Personen nicht immer wohl an Bord des gigantischen Luftschiffes. Ebenfalls unterschiedlich sind die Theorien des Hergangs.

Während die Titanic unbestritten zu schnell in dieser verhängnisvollen Nacht unterwegs gewesen ist und den Eisberg zu spät gesehen hat, geht Max Allan Collins im Widerspruch zu der von ihm im Anhang erwähnten vom Science Fiction Autor John Crowley mitverfassten Dokumentation davon aus, dass mittelbar ein Bombenanschlag bzw. ein Schuss von den Attentäter ausgelöst zur Katastrophe geführt hat. Crowley selbst ist dagegen der Ansicht, dass die Hindenburg von Beginn an durch das schlechte Wetter über Lakehurst verspätet zu schnell den Mast in einer zu scharfen Kurve angeflogen hat, was in einer der Gaskammern zu einem Bruch eines Metallgestänges geführt und in Kombination mit einer beschädigten Hülle zu einer verhängnisvollen Kettenreaktion geführt hat. Während Crowsleys These wissenschaftlich greifbarer ist, baut Max Allan Collins natürlich die Attentätertheorie sehr viel effektiver in seine laufende Krimihandlung ein. Das Endresultat wird im Vergleich zu „The Titanic Murders“ ausführlich beschrieben und zeigt die brutale Auswirkung des brennenden explodierenden Wasserstoffs auf die fliehenden Menschen. Realistischer wird die Beschreibung dadurch, dass es Filmmaterial von der Explosion Katastrophe gibt, während der Untergang der Titanic ausschließlich aus dem Gedächtnis der Überlebenden rekonstruiert worden ist.

 Auch bei einer der handelnden Personen musste Max Allan Collins improvisieren. Während der zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekannte amerikanische Kriminalautor Futrelle tatsächlich an Bord der Titanic gewesen und mit dem Schiff untergegangen ist, hat der Schöpfer von „The Saint“ Leslie Charteris den Jungfernflug der Hindenburg mit gemacht, während dieser verhängnisvollen Reise ist er aber nicht an Bord gewesen. Max Allan Collins will aber die Idee eines ermittelnden Kriminalschriftstellers unbedingt in den Mittelpunkt des Plots stellen. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber nach dem Verschwinden eines Passagiers und später auch eines Crewmitglieds – wieder wie im ersten Band der lose miteinander verbundenen Serie zwei Tote – folgt er hinsichtlich der Ermittlungen zu sehr den Schemata.

Wieder soll er nur lose ermitteln und wieder spricht er mit einer Reise von historisch bekannten, aber heute in Vergessenheit geratenen Persönlichkeiten an Bord des Luftschiffes, dessen Platz aber deutlich begrenzter ist als an Bord der Titanic. Es erfolgt wieder ein Angriff auf ihn, den der Protagonist erst gegen Ende in den richtigen Kontext setzen kann. Ebenfalls sich wiederholend ist die Liebesgeschichte an Bord des Luftschiffes, wobei sich Charteris mit einer sehr aktiven, attraktiven und anscheinend eher einem Vamp zuzuordnenden Frau zuwendet, während Futrelle nur indirekt mit einer Romanze an Bord konfrontiert wird. In beiden Romanen findet der ermittelnde Autor den/ die Täter, aber kann in „The Titanic Murders“ noch an Bord des Schiffes einen weiteren Bogen schlagen, während Charteris im Epilog einen weiteren Hintermann konfrontiert und endgültig die entsprechenden Schlüsse zieht. Deutlich stärker und enger sind die auf dem zufällig entstandenen Mikrokosmos an Bord der Titantic basierenden roten Fäden, die schließlich zum Tod zweier Männer führten, während die Verschwörung hinter der Verschwörung und das fast konträre Interesse mit dem gleichen Ziel zweier Gruppen ein wenig zu stark konstruiert in "The Hindenburg Murders" erscheint. Hier hätte man sich weniger gewünscht, um mehr zu erreichen.

Auch der eigentliche Kriminalplot erscheint deutlich schwächer als im Auftaktband der Serie. Um den Mörder herauszuspülen, muss Charteris als Kabinengenosse quasi allen in Frage kommenden Personen erläutern, dass dieser nicht tot oder verschwunden, sondern mit einer Grippe im Bett liegt. Die überraschende Reaktion soll den Mörder aus seinem Versteck treiben. Da aber nur die Passagiere befragt werden, ist diese Vorgehensweise mit der Schiffsführung abgesprochen wenig effektiv. Hinzu kommt, dass während die Titanic als Vergnügungsschiff für die Mordermittlung nicht ausgelegt worden war, müssen angesichts der zahlreichen Hinweise von Beginn des Plots an die Schergen der Nationalsozialisten vor Glück fast platzen. Es spielt ja keine Rolle, ob der Mord ein persönliches Motiv oder sich gegen das Regime richtet. Hauptsache man kann ermitteln.

Zu den Stärken der Serie gehört, den Lesern ein umfassendes und möglichst authentisches Bild der jeweiligen Epoche zu vermitteln. Das gelingt Max Allan Collins wieder ausgesprochen gut. Beginnend mit den fast paranoiden Sicherheitsmaßnahmen inklusiv der ersten Röntgengeräte zeichnet der Autor ein ambitioniertes und vor allem ambivalentes Bild des in die Katastrophe steuernden Deutschland. Vielleicht passt deswegen der Flug der Hindenburg so gut. Es gibt nicht nur Nazis an Bord des Schiffes. Max Allan Collins lässt auch die mahnenden Stimmen zu Wort kommen, die mehr und mehr das sich verändernde Klima mit allen Widersprüchen – die Geschäft mit den ausländischen Juden finden weiterhin nur durch die Hintertür statt – bedauern. Es ist bezeichnend, das vor allem diese mahnenden Stimmen immer wieder angehört werden, während aus heutiger Zeit wohltuend, für die dreißiger Jahre eher ungewöhnlich die reinen blinden Schafe der Partei im Hintergrund mähen. Es ist die Stärke des Romans, vor allem auf der Ebene der Nebenfiguren kurz, prägnant und pointiert das Schicksal der überwiegend nach historischen Vorbildern gezeichneten Persönlichkeiten zu erfahren. Das Nachwort zeigt auf, wer die Katastrophe überlebt hat und was aus ihnen geworden ist. Diese Vorgehensweise unterstreicht nicht nur die Authentizität des Buches, sondern macht den Text mehr zu einer auf Fakten basierenden  Spekulation als einem reinen Kriminalroman. Dabei verzichtet der Autor nicht basierend auf verschiedenen Biographien darauf, auch den durch „The Saint“ bekannten, aber noch nicht so reichen Charteris als Lebemann, Gentlemen, ein wenig affektierten mit Monokel ausgestatten Pseudoamerikaner zu zeichnen, der im Gegensatz zum immer wieder durch den Luxus eingeschüchterten Futrelle unsympathischer distanzierter und dadurch auch weniger lebensecht erscheint. In seinem Nachwort weist Max Allan Collins darauf hin, dass es zahllose Querverweise und Hinweise an die zahlreichen „The Saint“ Fans gibt, zu denen sich Collins auch zählt. Selbst die Überschriften sind - wie bei „The Titanic Murders“ den Futrelle Geschichten – den „The Saint“ Texten nachempfunden, wobei hier Wert darauf gelegt wird, das weniger der Val Kilmer Film oder die Roger Moore Fernsehserie, sondern die Romane gemeint sind.

Auch wenn insbesondere im Vergleich zum deutlich intensiveren „The Titanic Murders“ die lockere Fortsetzung kriminal technisch schwächer ausfällt und vor allem der eigentliche Plot durch die zahlreichen Wendungen am Ende zu stark konstruiert erscheint, kann Max Allan Collins mit seinen sehr gut recherchierten Beschreibungen das Lebensgefühl, den Luxus immer in Kombination mit den Einschränkungen an Bord eines Luftschiffs dreidimensional beschreiben und lässt vor allem diese Ära aufleben. Er spart sich als Amerikaner auch nicht den Hinweis,  dass vor allem die Amerikaner durch ihre Exportbeschränkungen die Deutschen gezwungen haben, auf das gefährlichere und leichter brennbare Material zurück zugreifen. Damit sind sie je nach den zugrunde liegenden Thesen bei Crowley mit an der Katastrophe Schuld, während in Max Allan Collins Buch in erster Linie die Attentäter einen Propagandaschlag gegen die Nazis platzieren wollten und die zahlreichen Tote nur durch den Verspätung als eine Art Kollateralschaden angesehen werden müssen.

   

  • Mass Market Paperback: 272 pages
  • Publisher: Berkley (June 1, 2000)
  • Language: English
  • ISBN-10: 0425174093
  • ISBN-13: 978-0425174098
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