Yankee

Originaltitel: 
Yankee
Land: 
Italien / Spanien
Laufzeit: 
96 min
Regie: 
Tinto Brass
Drehbuch: 
Alberto Silvestri, Tinto Brass, Alfonso Balcázar
Darsteller: 
Philippe Leroy, Adolfo Celi, Mirella Martin
Kinostart: 
12.10.67

Tinto Brass ist in erster Linie für seine erotischen Filme wie Eine unmoralische Frau und seine Vorliebe für Frauen mit großen Oberweiten – gleich zu Beginn Yankees gibt es tiefe Einblicke – bekannt geworden. Wie viele italienische Regisseure, die in den sechziger Jahren mit ihrem Handwerk begannen, hat sich Tinto Brass seine erster Meriten im Italo- Western verdienen müssen. Yankee ist sein einziger Beitrag zu diesem Genre und gleichzeitig sein Regiedebüt. Erstaunlich ist seine außergewöhnliche Optik und das Vermischen zweier verschiedener Genres. Anthony Steffen wird wenige Jahre später in „Django- der Bastard“ ebenfalls den Horrorfilm mit dem Western verbinden. Die eigentliche Handlung ist ein kaum veränderte Abfolge von Akira Kurosawas Die sieben Samurai auf einen Einzelkämpfer reduziert mit Anlehnungen an Für eine Handvoll Dollar. Im Mittelpunkt steht wieder der schweigsame, entschlossene, manchmal auch ein wenig zu arrogant und dumm agierende Kopfgeldjäger. Zwar kein Mann ohne Namen, aber Yankee – wie ihn jeder nennt – ist nur ein Spitzname. Er betritt eine kleine Stadt an der Grenze von Mexiko. Diese wird vom Banditen Concho und seinen Männern terrorisiert. Schnell beginnt Yankee Concho zu provozieren und zu Fehlern zu zwingen. In seiner Hilflosigkeit beginnt sich Concho wieder an den unschuldigen Dorfbewohnern zu vergreifen. Mit der Entführung von Conchos Freundin Rosita eröffnet Yankee ein grausames Spiel, in welchem beide Seiten vor nichts zurückschrecken. Dabei erweißt sich Concho als intelligenter und hinterhältiger, als Yankee in seinen Plänen vorgesehen hat.

Die Story ist der schwächste Teil von Yankee, auch wenn man sich erinnern sollte, das 1966 der Italo- Western noch vor seinem ganz großen Triumphzug durch die Kinos Europas gestanden ist und viele der inzwischen als Klischee bezeichneten Storyteile noch nicht so ausgeprägt wiederholt und später parodiert worden sind. Es ist natürlich die Geschichte des Fremden, der furchtlos die Banditen schließlich tötet. Auf dem Weg dahin wird er von den Schurken gefangen genommen und gefoltert. Der Held braucht für einen Moment Hilfe, um aus der Gefangenschaft zu entfliehen. Alles handlungstechnisch parallel laufend zum im gleichen Jahre (!) gedrehten Django. Nur von der Struktur her deutlich biederer und in seiner Aussage weniger nihilistisch. Wer jetzt aber glaubt, Yankee wäre ein vernachlässigbarer Film, sei auf die eigentliche Stärke des Streifens hingewiesen. Die einzigartige Bebilderung in Kombination mit den später für Tinto Brass so markanten Sets, in denen sich die Dekadenz einer Epoche zum Greifen nahe wieder spiegelt. Teilweise wechseln sich Avangard und Psychodelik fast in der gleichen Szene ab.

Mehrmals im Film schneidet Brass in einer atemberaubenden Schnittfolge zwischen einer Dollarmünze, dem schweigsamen Helden und den Schurken hin und her. Die Szenen – im ersten Fall ein Pistolenduell in einer dunklen Miene, in welcher Yankee angeblich den Goldschatz versteckt hat – enden mit einer Eruption der Gewalt. Wenn der Held die Schurken besiegt hat und aus dem riesigen Loch in der Wand wieder hervortritt, wirkt es wie eine kleine Wiedergeburt. In der zweiten Sequenz – dem ersten Teil des Spiels – lockt Yankee die Schurken in ein nieder gebranntes Dorf. Conchos Werk. Er versucht die Überzahl der Banditen zu verwirren und ihnen in den engen Gassen die Orientierung zu nehmen, um sie schließlich einzeln töten zu können. Immer wieder wechselt Brass die Perspektive, Yankee sieht der Zuschauer nur durch den Spalt einer Wand, der Fokus liegt auf seinen eiskalten Augen. Mittels seiner Stimme jagt der Kopfgeldjäger einem der Banditen soviel Angst ein, das er sich von den anderen entfernt. Sein Todesurteil. Die Kamera begleitet ihn genauso wie Yankees Stimme. Es ist erstaunlich, mit welch einfachen, um nicht zu sagen simplen Mitteln Tinto Brass im hellen Tageslicht eine Atmosphäre der Bedrohung und der Angst erzeugt.

Wie Wolfgang Luley in seinen Linernotes aber auch herausstellt, funktioniert „Yankee“ auch auf einer religiösen Ebene. Es gibt unzählige Anspielungen: So dient ein verfallenes Kloster Conchos als Herrschaftshaus. Er sitzt auf seinem Thron, ein goldener Engel fliegt über seiner Schultern, seine Geliebte ihm zu Füßen, die Peitsche in der Hand. Er trinkt aus einem Kelch. Ganz bewusst filmt Tinto Brass seinen Schurken Concho nur aus der Froschperspektive in dieser Szene. Es fehlt im Grunde nur noch der Heiligenschein und das Bild ist perfekt. Eine andere Szene erinnert an das letzte Abendmahl. Wie wenig Brass allerdings mit der Religion anfangen kann, zeigt die jeweilige Überleitung. Beide Sequenzen enden wieder in einer Eruption von Gewalt. In der zweiten Szene wird Yankee von Concho gefoltert. Er ist an ein Pentagrammartiges Kreuz gebunden. Concho zwingt Roswita, ihn zu küssen, bevor er sie erschießt. Dann wird um das Kreuz Feuer gemacht. In diesem Moment erinnert „Yankee“ an die satanischen Horrorfilme, insbesondere den zehn Jahre später folgenden To the Devil- a Daughter. Die einzige Hilfe, welche Yankee in dieser Situation erhoffen kann, kommt von Luiz, der zweimal im Film zum Judas an seinem Herrn wird. Einmal bei der Befreiung Yankees und später im obligatorischen Showdown, wenn er versucht, sich die Beute unter den Nagel zu reißen. Für Concho hat das Feuer eine fast religiöse Obsession. An einer Stelle erwähnt er, dass man die anderen verbrennen muss, bevor sie einen selbst verbrennen. An anderer Stelle sagt er: „Für nichts gibt es nichts“. Erstaunlicherweise ist Conchos Feuer Besessenheit immer der Auslöser für eine kurz darauf folgende Niederlage. In der verlassenen Stadt verliert er wichtige Männer, nach Yankees Folter wird er schließlich das ganze Spiel verlieren. Ganz bewusst überzeichnet Brass den Schurken wie er den „Helden“ untercharakterisiert. Concho ist ein selbstverliebter Narziss. In seiner persönlichen Kapelle hat er seinen Hofmaler gehalten, der ihn immer wieder malen musste. Als Yankee ihm seine Bilder stiehlt, dreht Concho endgültig durch. Yankee dagegen kann sich dank seines Steckbriefes am Ende des Films aus einer schwierigen Situation befreien. Das die kargen Dialoge immer wieder aus Ausspielungen auf den Teufel, die Hölle und schließlich das jüngste Gericht bestehen, ist nur ein Vorgriff auf die schwarzweiße Symbolik eines Keomas. Das zwischenYankee und Keoma zehn Jahre und die Höhepunkte sowie der Niedergang des Genres liegen, ist bei der Betrachtung kaum zu glauben. Aber Brass hatte in einer Szene auch Einfluss auf Sergio Leone. Concho foltert einen Dorfbewohner, in dem er seine Frau mit dem Strick um den Hals auf seine Schultern stellt. Diese Szene wird später zu der berühmten Sequenz, in welcher Mundharmonika geboren wird. Die Idee, den Totengräber und Barbier stärker in die oft dann komische überzogene Handlung zu integrieren, haben sicherlich viele Drehbuchautoren und Regisseure von Tinto Brass übernommen.

Der Film lebt aber von dem Katz- Mausspiel zwischen den ausgezeichnet besetzten Adolfo Celi in der Rolle des Conchos und Philippe Leroy als Yankee. Celi hat sichtlich Spass in der Rolle als hässlicher, herrischer Bandit. Im Vergleich dazu spielt er einige Jahre später in „Thunderball“ fast unterkühlt die Schurkenrolle. Teilweise agiert er inYankee wie ein fanatischer Sektenführer, der nicht verstehen kann und will, das nicht alle seine willfährigen Kinder sind. Erst gegen Ende des Films als er das Spiel übertreibt und Tinto Brass Yankee in eine im Grunde unlösbare Situation bringt, wirkt sein Spiel zu überzeichnet, zu übertrieben. Der unterkühlt agierende Phillippe Leroy hat es sichtlich schwerer. Auch wenn er sich an ironischen Sprüchen versucht, fehlt ihm die charismatisch distanzierte Erscheinung eines Clint Eastwoods. Das er sich mit seinem Spiel mehrmals selbst in Schwierigkeiten bringt, will weder er noch der Drehbuchautor einsehen. Ein wenig mehr Zurückhaltung und vor allem insbesondere beim sehr übertriebenen Endkampf ein wenig mehr Logik hätten den Film gut getan. Im Vergleich zu vielen anderen Italo- Western hat Tinto Brass fast gänzlich auf die epische, treibende Musik verzichtet. Eine dunkle Ballade hätte den Streifen gut getan. So bleibt nach dem letzten Schusswechsel nur noch Stille übrig. Gewöhnungsbedürftig und nicht immer überzeugend, aber auch ein Element, das Sergio Corbucci Jahre später „Leichen pflastern seinen Weg“ zu einem weiterem Extrem stilisieren sollte. Insgesamt dehnt Tinto Brass mangels entsprechender Handlung viele der Duellszenen viel zu lange aus. Dabei verliert er irgendwann das Interesse an seiner Inszenierung und versucht die Sequenzen teilweise mit einfältigen Ideen zu überzeichnen oder abzubrechen. Damit führt er die oft sehr dunkle, fast nihilistische Atmosphäre, die gute Extrapolation der klassischen Westernmotive und vor allem seinen Hang zu religiösen Anspielungen ad absurdum und lässt den Zuschauer eher frustriert als wirklich unterhalten zurück. Unabhängig von diesen Schwächen muss man sich noch einmal vor Augen halten, es handelt sich um seine erste Regiearbeit. In dieser Hinsicht ist Yankee ein exzentrischer Western, der viele Motive Tinto Brass späterer Arbeiten vorwegnimmt. Auch wenn die eigentliche Story einem bekannt vorkommt, lohnt es sich trotzdem, den Streifen nicht zuletzt wegen der teilweise außergewöhnlicher Optik und den soliden Schauspielern anzuschauen. Yankee wird sicherlich nicht zu den Streifen gehören, die auf den privaten Fernsehsendern immer wieder gezeigt werden. Koch legt den Film im Originalkinoformat auf. Die Bildschärfe ist für einen Films dieses Alters sehr gut. Die Farben sind realistisch und kräftig. Es sind nur minimale Verschmutzungen zu erkennen. Nur der Ton klingt manchmal ein wenig blechern. Eine Sequenz ist nachträglich eingefügt worden. Sie besteht nur aus einem Monolog Conchos ist entsprechend untertitelt worden. Der Zuschauer kann zwischen der deutschen und italienischen Fassung, sowie deutschen und englischen Untertiteln wählen. Die Extras bestehen nur aus der Anmerkungen im Innenteil des DVD Covers, einem deutschen und italienischen Trailer, die sich kaum unterscheiden und einigen wenigen interessanten Motiven in der Bildergalerie. Insgesamt ist Yankee aber aufgrund seiner Seltenheit ein weiteres Highlight der Italo- Westernreihe Koch Medias.

Filmkritik:
von Thomas Harbach (für SF-Radio.net)

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