Warlock / Der Mann mit den goldenen Colts

Originaltitel: 
Warlock
Land: 
USA
Laufzeit: 
122 min
Regie: 
Edward Dmytryk
Drehbuch: 
Robert Alan Aurthur
Darsteller: 
Henry Fonda, Richard Widmark, Anthony Quinn
zusätzliche Infos: 
nach einer Romanvorlage von Oakley Hall
Kinostart: 
15.05.59

Regisseur Edward Dmytryk hat in seiner wechselvollen Karriere eine Reihe von psychologischen Meisterwerken wie Die Caine war ihr Schicksal oder Naked City gedreht. Ihm lagen die gebrochenen Charaktere und die urbanen Landschaften. Unter seinen Werken stechen die vier von ihm inszenierten Western in ihrer Ausrichtung nicht sonderlich hervor, im Vergleich zu den ansonsten gedrehten klischeehaften Comboy- Opern der fünfziger Jahre sind sie nicht nur Meisterwerke, sondern haben das Genre über Jahrzehnte direkt oder indirekt beeinflusst. Drei dieser Western sind mit Richard Widmark in tragenden, manchmal tragischen Rollen.


 

Filmkritik:
von Thomas Harbach (für SF-Radio.net)

Regisseur Edward Dmytryk hat in seiner wechselvollen Karriere eine Reihe von psychologischen Meisterwerken wie Die Caine war ihr Schicksal oder Naked City gedreht. Ihm lagen die gebrochenen Charaktere und die urbanen Landschaften. Unter seinen Werken stechen die vier von ihm inszenierten Western in ihrer Ausrichtung nicht sonderlich hervor, im Vergleich zu den ansonsten gedrehten klischeehaften Comboy- Opern der fünfziger Jahre sind sie nicht nur Meisterwerke, sondern haben das Genre über Jahrzehnte direkt oder indirekt beeinflusst. Drei dieser Western sind mit Richard Widmark in tragenden, manchmal tragischen Rollen. Der schwermütige „Warlock“ ist nicht nur eine Parabel über Law and Order, einen sich stetig verändernden Westen, der keinen Platz mehr für die Revolverhelden auf beiden Seiten des Gesetzes lässt, es ist ein Film über Pflichterfüllung und Freundschaft, vielleicht ist es auch in Anklängen der erste homoerotische Western. „Warlock“ ist aber auch ein Meisterwerk, das die Legenden von Billy the Kid und Wyatt Earp nahtlos mit pazifistisch- patriotischen Strömungen aus Fred Zinnemanns „Zwölf Uhr mittags“ verbindet. Während es allerdings unter einem Sheriff Gary Cooper noch schwarz und weiß gegeben hat, ist alles an „Warlock“ grau.

Keine Seite ist mehr unschuldig. Gleich zu Beginn des Films charakterisiert Henry Fonda mit bestürzend ehrlichen Worten die Situation. Männer wie er werden als frei engagierte Sheriffs geholt, um für Ordnung zu sorgen und die Schurken aus der Stadt zu jagen. Haben sie diese Aufgabe erledigt, beginnen sich die ehrbaren Bürger vor ihrer Macht zu fürchten und die gefürchteten Revolvermänner mit der Lizenz, im Namen der Stadt zu töten, wieder aus der Stadt zu drängen. Dann ist es an der Zeit, zum nächsten Ort, zum nächsten Gegner weiter zuziehen. Dieses Motiv wird Clint Eastwood bis zum Exzess in seinen Filmen „High Plains Drifter“ – insbesondere Antony Quinns Tod und Henry Fondas Reaktion darauf erinnert fatal an den Höhepunkt von Eastwoods Western, als dessen Mann ohne Namen die Stadt feuerrot streichen lässt – und „Pale Rider“ variieren, aber nicht mehr extrapolieren können. Am Ende von Dmytryks „Warlock“ ist im Grunde alles zu diesem Thema gesagt. Eine andere Idee – dem Richard Widmark Charakter wird absichtlich die Schusshand schwer verletzt, um ihm sich abzeichnenden Duell einen Vorteil zu erhalten – bildet einen frühen Höhepunkt in Sergio Corbuccis nihilistischem „Django“.

Der Film lebt weniger von seiner geradlinigen, manchmal unglaubwürdigen Handlung. Diese dient im Grunde nur als Katalysator für die reinigende Kartharsis auf allen Ebenen. Henry Fonda in seiner ersten nicht mehr gänzlich auf Heldentum getrimmten Rolle. Er ist der Profi, der von den verzweifelten kleinen Städten angeheuert wird, wenn die Ordnungsmacht den Schurken und Banden unterlegen ist. Von dem Hungerlohn kann er nicht leben. Darum folgt in seinem Schatten der zwielichtige Anthony Quinn, der in der kleinen Stadt schnell einen Saloon aufmacht und mit Glückspiel, offensichtlich leichten Mädchen und billigen Schnaps die Reisekasse auffühlt. Das erste Bild von diesen beiden Antihelden zeigt sie neben einem Wagen, auf dem das Salonschild transportiert wird. Die Besetzung der Hauptrolle mit Henry Fonda ist sicherlich ein Glücksgriff gewesen. Der Zuschauer nimmt ihm seine Lebenserfahrung ab. Schließlich kennt er ihn aus den zahlreichen Western, in denen er nicht nur Wyatt Earp – der Charakter in Warlock ist eine fast zu starke Anlehnung an diesen umstrittenen Sheriff natürlich mit Quinn als Doc Holiday Verschnitt – oder Offiziere gespielt hat, sondern zweimal auch Jesse James berüchtigten Bruder Frank James. Seine Rolle wirkt wahrscheinlich nicht zufällig wie eine Fingerübung zu Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“. Hier ist er ein Opportunist, geblendet in dem Irrglauben an seine beträchtlichen Schießfähigkeiten.

Wie in „Der Mann, der Liberty Wallace“ erschoss wird dieser Mythos im Laufe des Films demontiert. Eine Stadt hat ihm goldene Coltgriffe für seine Verdienste verliehen, hätte Antony Quinn ihm nicht geholfen, wäre es wahrscheinlich seine letzte Mission gewesen. Erst die Liebe zu einer Frau lässt ihn über seinen bisherigen Weg nachdenken. Diese Liebe zerstört aber auch seine Freundschaft zu Antony Quinn. Insbesondere diese Männerfreundschaft mit deutlichen homosexuellen Bezügen von Quinns Seite hat für Diskussionen gesorgt. Fonda ist der einzige Mensch, der in dem Spieler, Alkoholiker und Scharfschützen keinen Krüppel sieht. Der Zuschauer erfährt zwar nicht, ob es sich bei Quinns Hinken um eine Schussverletzung oder eine Krankheit handelt, die Tendenz geht aber in Richtung Kinderlähmung. Die beiden Freunde behandeln sich mit gegenseitigem Respekt, obwohl Quinn in dieser platonischen Beziehung den weiblichen Part übernimmt. Er richtet die neuen Zimmer ein – Bilder werden aus Santa Fee geschickt, die Vorhänge könnte im Grunde nur eine nicht vorhandene Frau aufgehängt haben – und verachtet Frauen. Als in Fondas Leben eine neue oder wahrscheinlich erste Frau tritt, versucht er diesen mit Taschenspielertricks abzulenken. Seine Eifersucht ist spürbar und Quinn spielt die Rolle hervorragend. Mal ist er der willige Adjutant, dann der heimliche Beschützer, ein solider verlässlicher Kumpel und im letzten Augenblick der verschmähte Liebhaber. Zumindest von seiner Seite ist augenscheinlich, dass es mehr als Freundschaft ist.

Er fordert schließlich den Sheriff zum Duell und ist überrascht, als sich Fonda im in den Weg stellt. Er provoziert seinen eigenen Tod. Fonda zwingt die Schaulustigen, vor dem Toten im Staub des Salons zu kriechen, für ihn zu singen und schließlich steckt er den Salon in Brand. Es ist mehr als Trauer über den Verlust eines Freundes, es ist Wut auf den „Mann an seiner Seite“, der ihn im Grunde verraten hat. Quinn ist allerdings auch das Pfand, welches geopfert werden muss, damit Fonda ein neues Leben beginnen kann. Der dritte „Retter“ in diesem unfreiwilligen Bunde ist Richard Widmark und das Drehbuch aus Robert Alan Aurthurs Feder ist in diesem Punkt ein Meisterwerk des Understatements. Über weite Strecken des Films hängt Richard Widmark im Hintergrund herum. Er schaut zu, wie der alte Sheriff aus der Stadt vertrieben wird. Er rührt keinen Finger. Er lernt eine junge Frau kennen, der er von seiner Banditenvergangenheit berichtet. Er übernimmt das Hilfssheriffamt ohne grundlegende Ideale.

Der Zuschauer befürchtet über weite Strecken, das er sich nur aus Liebe zu einer Frau zur Schießbudenfigur machen lässt. Im Verlaufe des Films wird er zu einem charismatischen Charakter. Er kämpft trotz aller Versuchungen gegen die eigene Vergangenheit ein, versucht Recht und Ordnung aufrecht zu halten, auch wenn es ihn sein Leben kosten wird. Er versucht seinen jüngeren Bruder davon zu überzeugen, dass ein Duell mit Fonda sinnlos ist. Hilflos sieht er ihn in sein eigenes Verderben rennen, das Gesetz verbietet es ihm, auf dessen Seite einzugreifen. Widmark zeigt ihr eine großartige Bandbreite seines schauspielerischen Ausdrucksvermögens. Wer ihn nur als schweigenden Antihelden kennt – siehe auch „Das Geheimnis der fünf Gräber“ – wird von dem hier präsentierten, vor allem sich der Logik des Films beugenden Spektrum überrascht. Der Spannungsbogen findet seine Auflösung in drei sehr interessanten, überraschenden Duellen auf den staubigen Straßen Warlocks. Bis zu diesen Höhepunkten hat Dmytryk in vielen Facetten untersucht, ob und wie entscheidend die Vergangenheit eines Mannes sein kann. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, ob er sich dieser Vergangenheit stellen kann – Richard Widmark ist die einzige Figur, die nicht vor dieser flieht. Quinn und Fonda sind ganz bewusst immer von Stadt zu Stadt gezogen, wenn der Auftrag erledigt worden ist. Mit der Stadtgrenze glauben sie auch ihre Handlungen und die Verantwortung für das beauftragte Töten hinter sich zu lassen, ein gefährlicher Irrtum, wie „Warlock“ beweisen wird. Es ist aber nicht nur die Vergangenheit, welche die Handlungen in der Gegenwart beeinflusst. Ein weiteres, fast biblisches Element ist das Vergeben.

Hier ist es wichtig, das Augenmerk auf die Bewohner der Stadt Warlock zu richten. Je schneller sie Richard Widmark in der Rolle des Sheriffs akzeptieren und seine Vergangenheit vergessen, desto schneller wird ihm Absolution erteilt. Allerdings muss er als Mann erst durch die Hölle gehen - im biblischen Sinne auf seinen Glauben und seine innere Reinheit geprüft werden -, bevor er ins Licht – eine bürgerliche Existenz – treten darf. Seine größte Prüfung ist die Folter durch seine ehemaligen Kameraden, sie wollen ihn zu einem Meineid bewegen. Dies kann er nicht zuletzt aufgrund des Todes seines Bruders mit seinem stärker werdenden Gewissen nicht vereinbaren. Er besteht die Prüfung, sorgt in der Stadt gegen alle Wahrscheinlichkeiten schließlich für Ordnung – wie in „12 Uhr mittags“ bekommt er Hilfe von ungeahnter Seite – und überlebt das Duell mit dem ihm überlegenen Henry Fonda.

Über die feine Charakterzeichnung – auch die Nebenrollen sind nicht nur gut besetzt, sondern zeichnen sich durch eine differenzierte Beschreibung aus – lässt sich die routinierte, sehr sichere Inszenierung des Films beinahe vergessen. Dmytryk ist sich nicht zu schade, den übergeordneten Handlungsbogen immer wieder durch kleine Episoden zu unterbrechen. Fast jede Figur hat nicht nur eine eigene Geschichte, sie erzählt diese auch sehr freimütig anderen Menschen. Es ist erstaunlich, wie sehr dieses Erzählen des Eis zwischen den Zuschauern und den Protagonisten bricht. Im Gegensatz zu den schweigsamen Anti- Helden des Italo Western wird in diesem Film nicht nur viel geredet, sondern vor allem miteinander gesprochen. Die Dialoge sind sehr markant, pointiert und insbesondere in Bezug auf die Quinn- Fonda Freundschaft nicht immer eindeutig. Obwohl handlungstechnisch war karg gewinnt das Epos durch diese intelligente Nutzung des Mediums Sprache in Kombination mit atemberaubend schönen Bildern des Western an Format. „Warlock“ ist kein perfekter Film, dazu wird an einigen Stellen des Plots die zugrunde liegende Logik zu sehr gebogen und einige Szenen wirken pathetisch als überzeugend, „Warlock“ ist eine interessante psychologische Studie gebrochener Menschen, die mit der Liebe einen Halt in ihrem richtungslosen Leben finden oder zumindest finden könnten.

„Warlock“ ist für das Jahr 1959 ein sehr früher Abschied von den Klischees des Western und der Versuch, die Mentalität der Revolvermänner wenn nicht zu verstehen, so zumindest anschaulich zu machen. Es ist ein Schlüsselfilm, welcher die heroischen Western der vierziger Jahre mit den nihilistischen und teilweise realistischeren Italo- Western der sechziger Jahre auf einem sehr hohen Niveau verbindet. Insbesondere die ungekürzte Fassung – die entsprechenden Teile sind deutsch untertitelt – betont noch mehr die psychologischen Komponenten und weniger die dramatische Westernhandlung. Es lohnt sich, den ungeschnittenen Film noch einmal in aller Ruhe zu sehen. Insbesondere zu Beginn der Handlung vermitteln die für die deutsche Fassung geschnittenen Szenen ein weniger hartes, einseitiges Bild des Lebens in Warlock und zeigt die Angst der Menschen vor den Verbrechern und das verzweifelte Aufbegehren gegen den eigenen Willen des Mannes mit dem Blechstern. „Warlock“ zeigt gebrochene Männer im Kampf mit der irrsinnigen Realität, keine strahlenden Helden mehr. Aus dieser inneren Deformation heraus eskaliert fast unkontrollierbar die Gewalt.

Kochs Veröffentlich dieses Films ist exemplarisch. Neben dem kurzweilig zu lesenden Booklet aus der Feder Richard Oehmanns finden sich als Extras eine Bildergalerie und der Trailer des Films. Der Film ist in Cinemascope gedreht worden – eine extravagante Ausstattung für eine im Grunde intime Geschichte. Auf der DVD im Format 2.34:1 wiedergegeben. Das Bild ist hervorragende digitalisiert worden, die Farben wirken sehr natürlich, die Bildschärfe ist deutlicher als das Original erlaubt. Nur einige Szenen wirken ein wenig unscharf, fast weich. Der Zuschauer hat das Gefühl, das Original in einem Kino zu sehen, so hervorragend ist die Qualität. Kein Vergleich zu den Fernsehausstrahlungen. Der Ton ist solide. Beide Sprachspuren sind in Mono, es empfiehlt sich aufgrund der sehr guten und wichtigen Dialoge, auf die Originalfassung zurückzugreifen. Die deutsche Synchronisation ist verständlicherweise für die DVD Veröffentlichung nicht neu überarbeitet worden. Eine sehr gute Präsentation eines empfehlenswerten Films, der oft als zweitklassige Nacherzählung der Wyatt Earp Geschichte abgekanzelt worden ist. Und das vollkommen zu Unrecht.

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