Psycho

Originaltitel: 
Psycho
Land: 
USA
Laufzeit: 
109 min
Regie: 
Alfred Hitchcock
Drehbuch: 
Joseph Stefano
Darsteller: 
Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles, John Gavin
zusätzliche Infos: 
nach einer Vorlage von Robert Bloch, FSK18
Kinostart: 
07.10.60

Marion Crane ist Sekretärin in einem kleinen Leihbüro. Das einzig Aufregende an ihrem Leben sind die heimlichen Treffen mit ihrem Freund Sam Loomis in einem billigen Hotel. Als sie eines Tages für einen Kunden 40.000 Dollar auf die Bank bringen soll, entschließt sie sich kurzerhand, mit dem Geld abzuhauen. Aber - wie das so ist - sie verfährt sich vor lauter Nervosität und landet weitab von der Hauptstraße in einem verlassen daliegenden Motel. Norman Bates, der Betreiber, scheint sich zu freuen, dass er endlich mal einen Gast hat, ganz im Gegensatz zu seiner nörgeligen Mutter, die Marion zwar nie sieht, aber die sich durchaus hören lässt. Und bald lernt Marion mehr von dieser Mutter kennen, als sie das gerne hätte...


Filmkritik:
von Susanne Picard (für SF-Radio.net)

Was Alfred Hitchcock hier in 109 Minuten auf die Leinwand gebracht hat, ist wahrscheinlich der Klassiker des Horrorfilms. Natürlich gab es auch schon vor seiner Uraufführung 1960 Horrorfilme, aber dennoch war “Psycho” in vieler Hinsicht ein stilbildendes Novum, das seither nie wieder erreicht wurde - und das ist nicht zuviel Lob vorab.

Wie bei allen guten Filmen war auch die Entstehungsgeschichte des Streifens eher unspektakulär. Hitchcock war es nach “North by Northwest”, “Vertigo” und dem “Fenster zum Hof” leid, Filme mit großen Stars zu machen, die das Zentrum der Geschichte bildeten. Er wollte es einmal umgekehrt anfangen. Darum entstand der Film in Schwarzweiß, und der Cast war nicht allererste Klasse, sondern stand dem auch damals schon geringen Budget von 800.000 Dollar nicht im Wege. (Der zweite Grund für die Farbwahl war, dass Hitchcock befürchtete, es käme zuviel Blut darin vor.) Gedreht mit der Fernsehcrew aus Hitchcocks Fernsehserie “Alfred Hitchcock presents”, mit der der Meister neue Wege beschreiten wollte, sind sowohl die Story als auch Darstellungsweise in “Psycho” revolutionär. Das fängt schon im Kleinen an, denn nie vorher war im Film eine Toilettenspülung gezeigt worden. Aber auch die Auflösung des Krimis etablierte erstmals in der Geschichte des Films den psychisch gestörten Serienkiller - und damit die Tatsache, dass dieser vielleicht gar nicht schuld an den Morden war. Zum ersten Mal sah der Zuschauer, dass das Monster nicht unbedingt ein Vampir sein musste - der so unschuldige Junge von nebenan konnte noch viel mehr Schrecken verbreiten. Ebenfalls ungewohnt für damalige Sehgewohnheiten: Bis zur Mitte des Films wird der Zuschauer im Glauben gelassen, Marion Crane sei die Hauptperson. Aber genau nach der Hälfte der Geschichte wird die etablierte Hauptperson umgebracht - ein bis dahin nicht dagewesenes Handlungselement.

Der Meister tobte sich bei diesem Film nicht nur von der Geschichte her aus. Kaum ein anderer Film ist so detailliert in seiner Sprache, Schnitt und der Inszenierung. Nicht nur jede Kameraeinstellung, auch alles andere hat seinen Platz und seinen Sinn. Eins der genialsten handwerklichen Arbeiten der Filmgeschichte ist sicherlich die Szene, in der Marion Crane unter der Dusche erstochen wird. Allein sieben Drehtage verwandten Hitchcock und sein Kameramann John L. Russell darauf, genügend Material für die eine Minute zu drehen, die diese Szene in Anspruch nahm. Je nachdem, wie man zählt, sind rund 60 - 90 Einstellungen in den knapp 50 Sekunden zu sehen, Marions Bauch, ihre Hand, der Duschvorhang, die fallenden Tropfen, das Blut, das sich mit dem Duschwasser vermischt, ihr zum Schreien geöffneter Mund, das herabsausende Messer. Die Montage ist brillant - sie zeigt wenig und spielt meisterlich mit der Imagination des Zuschauers. Wie meisterlich, das zeigt diese Anekdote: als der Film wie üblich dem amerikanischen Release-Board, der Zensur, vorgelegt wurde, waren sämtliche Mitglieder gegen eine Veröffentlichung - nicht etwa, weil ihnen die Szene zu blutig war, nein, sie glaubten, eine Brustwarze von Janet Leigh gesehen zu haben. Was nicht sein konnte: man sieht keine.

Das war Hitchcocks erklärte Absicht: Er wollte keine Geschichte erzählen, sondern das Publikum manipulieren und und beeinflussen - und das nur mit technischen Mitteln. "In Psycho waren mir weder das Sujet noch die Personen wichtig. Worauf es mir ankam, war, durch eine Anordnung von Filmstücken, Fotografie, Ton, lauter technischen Sachen, das Publikum zum Schreien zu bringen. [...] Es war der reine Film, der die Zuschauer erschüttert hat," so Hitchcock persönlich über den Film. In der Tat ist der Film eine Reduzierung des Schreckens auf das "Ungeheuer in einem selbst" und auch ein Schritt in Richtung des Genres, das man heute als Horror bezeichnet. Hatte sich das Genre vorher an Monstern wie Dracula, KingKong oder wie bei Jack Arnold seltsamen und unbekannten Kreaturen bedient, bringt Hitchcock es hier auf den Punkt: Der Schrecken, der im Menschen selber sitzt. Aber auch Motive des Backwood Slashers sind bereits vorhanden, des psychopathischen Serienkillers und das, was Hitchcocks nächsten Film “Die Vögel” ausmachte: Etwas scheinbar harmloses, das aber dann angreift und zu etwas Schrecklichem wird, das bedrohlich ist.

Ein Meisterwerk also, das man in jedem Fall gesehen haben sollte.

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