Kritik zu Nerve - Teenie-Technik-Drama in Neon-Optik

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Nerve Emma Roberts

Die junge High-School-Absolventin Vee (Emma Roberts) ist nicht ganz glücklich mit ihrem Leben. Als ihre beste Freundin Sydney (Emily Meade) sie auf ein neues Internetspiel namens Nerve aufmerksam macht, nutzt die eher schüchterne Vee diesen Vorwand, um aus ihrem bisherigen Leben auszubrechen. Sie meistert ein paar Herausforderungen, die ihr die Internetgemeinde stellt und mit ihrem Smartphone dokumentieren muss.

Für bestandene Herausforderungen, sogenannte "Dares", bekommt Vee Geld und mehr Zuschauer. Bald tritt sie in Konkurrenz zu Sydney. Dennoch wird ihr das Spiel langsam unheimlich: Die Herausforderungen werden immer gefährlicher. Als Vee versucht auszusteigen, hat sie plötzlich das gesamte Internet gegen sich. Mit Hilfe ihrer Freunde versucht sie jetzt, ihr Leben zu retten.

Gesogen in die Technik-Welt

Gleich zu Beginn taucht der Film tief in die Welt der gängigen Technikmarken und -Apps ab: Vee öffnet ihr Macbook, nutzt Chrome, um sich auf Facebook und Instagram einzuloggen, während ihre Spotifiy-Playlist lädt. Dann ruft Sydney via Skype an und die beiden chatten eine Runde. Mit dieser Eingangsequenz macht Nerve gleich zwei Sachen klar: Wer mit all dem Technikkram nichts anfangen kann, wird auch die nächsten anderthalb Stunden wenig Spaß haben. Alle anderen, meist jüngeren Zuschauer, sind dagegen sofort hineingezogen in das Leben von Vee, das in vielen Belangen dem heutiger Jugendlicher gleicht: Das Smartphone als Universal-Werkzeug, quasi der Schallschraubenzieher des digitalen Zeitalters.

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Nerven 2016 Szenenbild

So schafft es Nerve eine enge Atmosphäre zu weben, die gleichzeitig eine emotionale Verbindung zu Vee schafft. Als einer der wenigen Charaktere bekommt sie etwas mehr Tiefe. Ihre Freunde, allen voran Sydney und Tommy (Miles Heizer), bleiben dagegen flach. Selbst der männliche Gegenpart zu Vee, der etwas stark klischeebehaftete Bad-Boy-mit-dem-Motorrad Ian (Dave Franco), bekommt nur soviel Drama wie nötig in seinen Hintergrund geschrieben. Was dem Film an Tiefe fehlt, kann er aber immerhin an Spannung wettmachen.

Denn die recht vorhersehbare Handlung entwickelt sich in angenehmen Tempo; Schnitt und Kamera leisten handwerklich gute Arbeit, indem sie den Bildern die angemessene Geschwindigkeit verleihen. Überhaupt muss man dem Film zugute halten, dass er eine eigene, visuelle Sprache entwickelt und sich - obwohl er die Jugend der 2000er anspricht - an der Neon-Optik der 1980er orientiert. Bisweilen wechselt die Kameraperspektive, und das Geschehen wird aus der Sicht der Smartphone-Kamera gezeigt - ein schöner visueller Trick, der an Found-Footage-Filme wie Cloverfield erinnert.

So subtil wie ein Backstein

Die Verfilmung des Jugendbuchs "Nerve" von Jeanne Ryan (auf Deutsch zuerst erscheinen als: Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen) mutet dem Publikum allerdings auf der Handlungsebene nicht zu viel zu. Schnell wird klar, dass es zu einem Konflikt zwischen Vee und Sydney kommen wird, und Tommy nicht nur mit Vee befreundet sein will. In der großen Konfrontation knallen sich die Charaktere ihre Konflikte um den Kopf, was zwar nachvollziehbar inszeniert wird, aber durchaus auch ein wenig subtiler hätte den Zuschauern dargebracht werden können. An diesen Stellen wirkt Nerve mehr wie ein Teenager-Drama als ein Spannungsfilm.

Wirklich enttäuschend ist das Ende, dessen Twist man schon von weitem kommen sieht, und der deshalb wenig überrascht - im Gegenteil: Man hätte sich fast eine größere Konsequenz gewünscht, damit der Film seiner Medienkritik ein bisschen mehr Wucht verleiht.

Eine seichte Parabel

Nerve ist auch eine kleine Abrechnung mit unserer Social-Media-Kultur, der Konkurrenz auf Twitter, Facebook, YouTube und Instagram um immer noch mehr Follower zu haben, die neuesten Trends zu setzen und mitzumachen. So verfeinden sich die beiden Freundinnen Vee und Sydney, weil plötzlich mehr Leute Vee zusehen möchten als Sydney. Und natürlich hat auch Ian seine dunklen Erfahrungen mit Nerve gemacht. Das ganze Spiel, in dem die Zuschauer über die nächste Herausforderung entscheiden, funktioniert schlussendlich in erster Linie über die Anonymität der Nutzer, die gleichzeitig auch über die immer extremeren "Dares" abstimmen können. Diese Elemente verpackt Nerve in eine seichte Parabel auf die Gefahren eskalierender Social-Media-Dynamiken und hat so Anwandlungen von einem Techno-Thriller. Die Kritik bleibt aber oberflächlich, wie der gesamte Film selten Mut hat, unter die Haut zu gehen.

Fazit

Nerve ist ein sehr modernes Young-Adult-Drama mit starkem Fokus auf Spannung. In den wichtigsten Disziplinen funktioniert der Film problemlos, wer allerdings mehr verlangt als oberflächliche Unterhaltung, wird enttäuscht.

NERVE | Trailer | Deutsch German | Ab 08. September 2016 im Kino!

Nerve 2016 Filmplakat
Originaltitel:
Nerve
Kinostart:
08.09.16
Laufzeit:
96 min
Regie:
Henry Joost, Ariel Schulman
Drehbuch:
Jessica Sharzer
Darsteller:
Emma Roberts, Dave Franco, Juliette Lewis
Ein illegales Online-Spiel. Challenges. Geld. Ein Mädchen, das auch einmal im Mittelpunkt stehen möchte. Das sind die Zutaten für Nerve, dem neuen Film von Henry Joost und Ariel Schulman.

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