Kritik zu The Expanse 1.06: Tiefpunkt

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The Expanse Folge 6

Heißt zwar Tiefpunkt, ist für The Expanse aber keiner. Ein Pakt mit dem Teufel, ein Cop vor einem Neuanfang und andere spannende Details halten die Episode im gesunden Mittelmaß.

Was passiert?

Holden muss auf Tycho einen Deal mit Fred Johnson eingehen und einen Job annehmen, Miller kommt der Wahrheit zu nahe und muss mit den Folgen leben und auch auf der Erde ist man derweil nicht untätig.

Erde: Das kennen wir doch schon

Man muss es ganz ehrlich sagen: Die Storyline rund um Chrisjen Avasarala besitzt in den bisherigen Episoden so viel Dampf wie eine Bimmelbahn. Hier wird sie uns nun einmal wieder präsentiert und tut das, was sie schon gefühlte hundertmal getan hat: Sie stößt subtile Drohungen aus, manipuliert und intrigiert. Dass ihre Geschichte dadurch wie auf Valium voranschleicht, tut dem Momentum nicht gut. "Ach, die ist ja auch noch da" ist noch das Netteste, was dem geneigten Zuschauer durch den Kopf schießen mag. Hier haben die Drehbuchautoren entweder versäumt, eine klare Entscheidung zu treffen (und sie erst später in die Handlung zu holen) oder das vorhandene Material so zu bearbeiten, dass auf dem Fernsehschirm irgendeine Resonanz zu erzielen ist. Wenn die Serie bisher einen schmerzenden Schwachpunkt hat, sind es diese Sequenzen. 

Ceres: Jedem Ende wohnt ein neuer Anfang inne

Auch die Bemühungen von Miller, neben seinem regulären Job die Fahndung nach Julie Mao fortzusetzen, zeichneten sich bisher eher durch Gelassenheit aus. Die großen Vorteile an dieser Front sind jedoch die weitaus spannendere Umgebung auf Ceres, die verschachtelte Storyline und ein mehr als faszinierender Charakter, den Thomas Jane von Beginn an kantig und verschroben anlegt.
 
Nun kam er zuletzt der Wahrheit leider zu nahe, musste sich einem Verhör samt Gewaltanwendung unterziehen und landete am Ende in einer Luftschleuse - mit den besten Grüßen von Dawes und der OPA. Um ein Haar dem Tode entronnen, macht er sich direkt zu seiner Vorgesetzten bei Star Helix auf, um ihr seine Beweise gegen die OPA zu präsentieren. Damit biegt er jedoch erneut falsch ab - seine Chefin steht offenbar auf Dawes Gehaltsliste. Beweise und Job sind nun weg, und für Miller dürfte es auf Ceres nicht mehr sicher sein. Die OPA hat offenbar das Kommando übernommen, und so sollte es definitiv spannend werden, wie man seine Geschichte weiter entwickelt.

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Die Anekdote, die Dawes erzählt, ist dabei ebenfalls noch von Interesse und zeigt die spezielle Wahrnehmung von Gut und Böse innerhalb der Serie. Dawes hat seine Schwester getötet - in seiner Argumentation jedoch hat er schlicht seine Familie und somit auch seine anderen Schwestern vor dem Hungertod bewahrt, indem er das schwächste Familienmitglied unter Tränen und tiefem Schmerz geopfert hat. Hier zeichnet man eher das Bild eines Leitwolfs im Tierreich - wenn man von der Trauerarbeit einmal absieht. In all ihren Figuren macht es die Serie somit den Zuschauern nicht leicht, Sachverhalte zu bewerten und regt zum Nachdenken an.
 
Auch spricht Dawes etwas aus, was schon lange eindeutig ist: Miller ist in Julie Mao verliebt. Kann man dem OPA-Chef glauben, würde diese sich darüber jedoch nur angewidert zeigen, da Miller für all das stehe, was sie verabscheut. Auf der anderen Seite scheint seine Ex-Kollegin Octavia Muss, die ihn auch aus der Luftschleuse befreite, Gefühle für ihn zu besitzen, die Miller jedoch gekonnt unerwidert lässt. Abwarten. 

Tycho: An der Seite des Teufels

Auf Tycho angekommen entwickelt sich zunächst ein Psychospiel zwischen Johnson und der Crew der Rocinante, bei dem Holden die besseren Argumente hat. Holden soll für Johnson nicht nur eine Aussage bei der UN machen, sondern auch auf der Eros-Station nach einem Überlebenden der Scopuli suchen - richtig, dabei handelt es sich um das Schiff, auf dem Julie Mao sich befand.
 
Außer der Enthüllung, dass Holden damals den Notruf eingeloggt hatte (was erstaunlich wenig Staub aufwirbelt) und zweier Barszenen (mit Kamal und Burton sowie Holden und Nagata), bietet dieser Handlungsort insbesondere drei Erkenntnisse: Johnson spielt wie erwartet falsch und entfernt dem toten Mars-Soldaten einen Chip (was wirklich nicht überraschend kommt), Naomi Nagata sucht ebenfalls nach jemandem (und fordert einen Gefallen von Johnson für einen späteren Zeitpunkt ein), und die Crew bleibt am Ende trotz Holdens Beichte komplett und nimmt die gefährliche Mission nach Eros gemeinsam an.
 
Da sich nun sowohl Miller als auch Holden und seine Leute um das Schicksal der Scopuli bemühen, drängt sich für die nahe Zukunft doch fast ein Zusammentreffen auf.

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Rückblick: Über Leichen, die Zweite

Einen vierten Handlungsstrang gibt es noch obendrauf. In der vergangenen Woche hatte man uns per Rückblick die Rücksichtslosigkeit der Erdregierung gegenüber den streikenden Gürtlern gezeigt - in Person von Schlächter Fred Johnson. Diese Woche nun begnügt man sich mit dem Mikrokosmos von zwei Arbeitern auf einem kleinen Minenschiff - Onkel und Neffe. Die plötzlich auftauchenden Mars-Kontrolleure benehmen sich wie eine rüpelhafte Jugendgang und rauben den beiden hart arbeitenden Männern sprichwörtlich die Luft zum Atmen, indem sie ihnen den kurzen Rückweg verbieten. Willkür der Mächtigen scheint auch in diesen Zeiten noch ein großes Thema zu sein.
 
Spannend an diesem Rückblick ist besonders, wie gut er die Ausgewogenheit zwischen den Großmächten Mars und Erde wieder herstellt. So scheinen beide ähnlich skrupellos gegen die Gürtler vorzugehen und ohne mit der Wimper zu zucken ihre eigenen Interessen zu vertreten - wobei es sich hier natürlich auch um eine besonders sadistische Patrouille handeln kann.
 
Im Vergleich: Discovery vs Expanse
Da es sich hier nun um die erste Rezension nach dem Start von Star Trek: Discovery handelt, ist es Zeit für eine kleine Anmerkung. So gut The Expanse ihre Welt vorstellt, anreichert, ausbaut und den Verlauf der Charaktere an verschiedenen Orten verfolgt, so wenig zugänglich kann das Ganze auch weiterhin auf einige Zuschauer wirken. Besonders dann, wenn man die klar umrissenen Figuren aus Star Trek: Discovery als Maßstab nimmt.
 
Dabei soll man das nicht missverstehen: Die Charaktere in The Expanse sind gerade deshalb so interessant, weil man sie mit Grau-Schemen vernebelt; keiner ist wirklich sympathisch, keiner nur negativ. Jeder besitzt und versteckt seine kleine oder große Agenda, jeder ist dafür auch bereit, diskutabel zu agieren. Menschen eben. Auf der Discovery umriss man zum Start bereits eine Vielzahl von Charakteren eher negativ (Lorca, Burnham, Stamets), andere hingegen sympathisch (Saru, Georgiou, Tilly) oder vergab klare Charakteristika. Das ist auf der einen Seite eine deutlich flachere Figurenzeichnung, auf der anderen Seite aber auch auf Anhieb zugänglicher weil nachvollziehbarer. The Expanse wirkt auch nach sechs Episoden immer noch ein wenig statisch in der Erzählweise und undefiniert in Ausrichtung und Aussage.
 
Dafür gewinnt man im oft zitierten Worldbuilding und mit der Vision einer Zukunft der Menschheit jedoch klar. Während sich die Star-Trek-Version bisher auf wenige Aspekte innerhalb zweier Schiffe und einen noch sehr ausbaufähigen Klingonen-Plot beschränkt (der zudem fast störend wirkt), wechselt man hier Episode für Episode spielerisch zwischen bis zu vier Handlungsorten hin und her. Beides hat seinen Reiz, die Unterschiede sind jedoch äußerst spannend.
 
Bei beiden Serien sind alle genannten Details jedoch bisher nur als Beobachtung zu werten - die Zukunft wird zeigen, welcher Ansatz sich schließlich erzählerisch auszahlt.

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Augen und Ohren
Technisch fällt erneut das wunderbare Worldbuilding auf, das die Serie an jeder Ecke betreibt. Sowohl die futuristische Erde als auch Tycho, Ceres oder der kleine Frachter atmen alle den Duft einer glaubhaften Zukunftsvision. Das allein macht wahnsinnig viel Spaß.
 
Die Frau des Rezensenten
"Vielleicht werde ich doch noch warm mit der Serie.“ Ein Satz wie ein Donnerschlag. Nach Wochen des Bangens vielleicht doch noch ein Hoffnungsschimmer am Horizont? "Die Frisur von dem Miller geht wirklich gar nicht.“ Nun gut, ein wenig die Alte war sie dann doch noch.
 
Kurz gesagt
Wie so oft bei den bisherigen Episoden der Serie macht das Gezeigte durchaus Spaß und unterhält. Das große Fieber zündet jedoch erneut nicht, weil alles eine Spur zu gemächlich und ohne erkennbares Ziel durchzulaufen scheint. Die Produzenten nehmen sich weiterhin erstaunlich viel Zeit und machen die erste Staffel damit vermutlich zu einer Art Prolog für die weiteren Staffeln. Die aktuelle Episode ist für diesen Ansatz ein mehr als gutes Beispiel.

Wertung: Drei und ein halb ausgetrunkener von fünf eisgekühlten Kurzen

Nächstes Mal in der Episode "Gewagtes Spiel" befinden sich sowohl die Crew um Holden als auch Miller auf dem Weg zur Eros-Station - und ich hoffe inständig, sie finden dort nicht das, wonach es klingt.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Syfy/ Netflix
The Expanse

Originaltitel: The Expanse (2015)
Erstaustrahlung am 23.11.2015
Darsteller: Thomas Jane (Josephus "Joe" Aloisus Miller), Steven Strait (James „Jim“ Holden), Cas Anvar (Alex Kamal), Dominique Tipper (Naomi Nagata), Wes Chatham (Amos Burton), Shawn Doyle (Sadavir Errinwright), Shohreh Aghdashloo (Chrisjen Avasarala), Frankie Adams (Roberta "Bobbie" W. Draper)
Produzenten: Broderick Johnson, Andrew Kosove, Sharon Hall, Sean Daniel, Jason F. Brown, Mark Fergus, Hawk Ostby, Naren Shankar
Basiert auf der gleichnamigen Romanreihe von Daniel Abraham & Ty Franck
Staffeln: 3+
Anzahl der Episoden: 24+


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