Kritik zu Akte X 11.03 - Galgenmännchen

SPOILER

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Mulder und Scully im Bett

Der Auftakt zu Staffel 11 von Akte X verursachte gemischte Gefühle. Gerade die erste Episode wollte den Funken nicht so recht überspringen lassen, während bereits Folge 2 für einen Hoffnungsschimmer sorgen durfte.

Nun präsentiert "Plus One" ("Galgenmännchen") eine Geschichte, die nicht Fisch, aber auch nicht Fleisch ist. Und daran dürfte Chris Carter, der für das Drehbuch zuständig war, nicht ganz unschuldig gewesen sein.

Mulder und Scully dürfen wieder ihrem Tagesgeschäft nachgehen: Fälle untersuchen, die es würdig sind, eine X-Akte zu werden. Dieses Mal verschlägt es sie in eine Kleinstadt, in der Suizide das neueste Massenphänomen sind. Wäre da nicht das letzte Opfer, das überlebt hat und behauptet, sein Doppelgänger hätte ihn dazu gebracht, das Auto gegen einen Baum zu setzen. So weit. So ein eigentlich interessanter Ansatz.

"Wir haben uns für den Ernstl entschieden, Peter."

Schnell stellt sich bei dieser Geschichte allerdings heraus, dass das Skript von Carter ziemliche Lücken aufweist und vermutlich eher den Rahmen für diverse Mulder-Scully-Momente bilden sollte. Anders ist es nicht zu erklären, dass Mulder zielsicher die schizophrene Judith sprechen möchte - Jackpot! Schon haben wir die Hälfte des Mörders präsentiert. Nur ... warum töten Judith und ihr Zwillingsbruder Chuck eigentlich? Sie haben eine telepathische Verbindung, daran lässt "Plus One" keinen Zweifel. Jedoch bleiben mit dem Ende der Episode nur Vermutungen übrig, warum die Zwillinge mit Hilfe ihres Galgenmännchen-Spiels verschiedene Menschen getötet haben - darunter wohl auch die eigenen Eltern. Carter hat sich hier leider nicht die Mühe gemacht, eine auch nur im Ansatz zufriedenstellende Antwort auf die Fragen zu geben, die er mit der Folge aufwirft.

Ihm waren offensichtlich die Momente wichtiger, von denen er sich versprochen haben wird, dass es das ist, was ein X-Phile sehen möchte: Gillian Anderson, wie sie routiniert und auch mittlerweile etwas gelangweilt mit wissenschaftlichen Argumenten den wilden Theorien ihres Gegenübers begegnet. Problem bei "Plus One"? Mulder hat dieses Mal keine wilde Theorien. Damit Carter aber wenigstens wieder etwas aus dem Wissenschaftshut zaubern kann, gibt er David Duchovny das Stichwort Geister, damit Gillian Anderson dies mit dem Gastaut-Geschwind-Syndrom kontern kann. Somit haben die X-Philes wieder etwas, das sie ergooglen können. Klassenziel erreicht.

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Karin Konoval in ihrer Doppelrolle in Akte X

Die Erwartungen an die Darsteller für die Gastrollen erreicht hat man auf jeden Fall mit der Besetzung von Karin Konoval in der Doppelrolle als Judith und Chuck Poundstone. Nach ihren Auftritten als Madame Zelma in "Clyde Bruckman's Final Repose" ("Der Hellseher") und Mrs. Peacock in "Home" ("Blutschande") überzeugt sie erneut. Dieses Mal als geisteskrankes Zwillingspaar, das die Morde buchstäblich auf dem Papier erledigt. Bei der Inszenierung hat man es sich auch nicht nehmen lassen, kleine Andeutungen an "Home" einzubauen. So sind in der ersten Nahaufnahme von Konoval lediglich die Augen ins Licht getaucht und erinnern damit an den Schockmoment in "Home", als Mrs. Peacock das erste Mal im Licht zu sehen ist. Und wer mit aufmerksamem Auge auf die Galgenmännchen-Spiele blickt, welche die Wände zieren, wird sehen, wie detailliert die Produktion arbeitet. So taucht unter anderem "Firewalker" ("Der Vulkan") in einem Spiel auf. Und Judith isst "Dookie". Laut Aufschrift auf der Dose "a mouthful of goodness". Ziemlich ironisch, wenn man bedenkt, dass "dookie" im Englischen nichts weniger als Fäkalien bezeichnet.

Requiem for a Shipper-dream

Das Kernstück der Episode bildet jedoch eine Szene, die jedem Fan der Serie, für den Mulder und Scully das One True Pairing sind, wie eine Kopie von "Requiem" ("Alles beginnt in Oregon") erinnern dürfte - Scully möchte in den Arm genommen werden.

In dieser erstaunlich leise inszenierten Szene wirft Carter die nicht unerhebliche Frage auf, was mit den Agenten passiert, wenn sie ihrem Job einmal nicht mehr nachgehen. Wird Mulder Scully für eine jüngere Frau verlassen, um die guten Gene der Mulders, die bekanntlich jedem Test standhalten, weiterzugeben (klammern wir hier mal großzügig aus, dass Mulder ja eigentlich kein Mulder ist)? Oder ist Scully vielleicht doch nicht am Ende ihrer Reise, wie sie es nennt? Sind sie nicht eigentlich beide zu alt für den Job? Carter löst diese Fragen jedoch nur unbefriedigend auf - Mulder antwortet auf seine bekannt ironische Art, sodass Scully auch nichts anderes übrig bleibt, als ihren Zynismus an den Tag zu legen. Zwar kann auch Carter nicht widerstehen, erneut das "Wir gemeinsam gegen den Rest der Welt"-Gefühl aufkommen zu lassen; aber bereits mit der anschließenden Szene zeigt er, wie unsensibel sein Händchen sein kann. Offensichtlich waren Mulder und Scully nicht ganz unkeusch. Da braucht es keine flapsige Bemerkung von Mulder über einen postcoital Glow. Ein Blick auf die immer noch entblößte Scully genügt. Ernsthaft, Carter? Offensichtlicher Sex? Jetzt schon? Und dann auch noch per Holzhammer präsentiert? Offensichtlich hat der Serienschöpfer es auch im Jahr 2018 immer noch nicht verstanden, dass Akte X immer eher von der greifbaren Spannung zwischen Mulder und Scully gelebt hat - und viele Einbußen erleiden musste, als aus den Andeutungen dann offene Küsse wurden. Es ist schade, dass Carter auch in Staffel 11 hiervon mal wieder nicht die Finger lassen konnte.

Fazit

Mit "Plus One" hat Chris Carter auf starke, intime Momente seiner Hauptfiguren gesetzt. Dies geht leider auf Kosten der Geschichte, die sich wenig Mühe gibt, Spannung aufzubauen und zudem noch in lose Enden läuft. Lichtblick hier ist die starke darstellerische Leistung von Karin Konoval. Somit ist "Plus One" eher ein nettes Häppchen für X-Philes, die nicht genug von Wortgeplänkeln zwischen Mulder und Scully bekommen. Und die Shipper bekommen als Kirsche auf der Sahne dann noch den offensichtlichen Sex serviert. Für die nächste Woche dann aber bitte wieder mehr Geschichte!

Akte X: Der Film
Originaltitel:
X-Files: The Movie
Kinostart:
19.06.98
Laufzeit:
121 min
Regie:
Rob Bowman
Drehbuch:
Chris Carter, Frank Spotnitz
Darsteller:
David Duchovny, Gillian Anderson, Mitch Pileggi, William B. Davies, Martin Landau
Schwarze Blut, das aus der töten Kreatur austritt, sammelt sich und kriecht am Körper des Wilden hinauf.

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