Kritik zu Akte X 11.04 - Der Mandela-Effekt

SPOILER

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Mulder nach seiner Jagd auf Bigfoot

Hach. Wer hätte gedacht, dass eine Kritik zu einer Folge Akte X eigentlich mit einem Wort erledigt wäre? Drei Folgen hat es gedauert, bis die Serie mit “The Lost Art of the Forehead Sweat” (Der Mandela-Effek”) eine Episode abliefert, wie es sie seit “Jose Chung's From Outer Space” (“Andere Wahrheiten”) nicht mehr gegeben hat - Akte X hat endlich wieder den Mut, Meta-Ebenen zu beschreiten und sich selbst ordentlich auf die Schippe zu nehmen. Hach!

Das Drehbuch zu “Der Mandela-Effekt” schrieb Darin Morgan, aus dessen Feder Fan-Favoriten wie “Humbug” (“Der Zirkus”), “Clyde Bruckman's Final Repose” (“Der Hellseher”), “War of the Coprophages” (“Krieg der Koprophagen”) und eben auch “Jose Chung's From Outer Space” stammen. Für die vierte Folge der aktuellen Staffel 11 fungierte Morgan auch als Regisseur - und er wird dem Anspruch, den die X-Philes an ihn haben, locker gerecht.

Bereits die Eröffnungssequenz vor dem Intro erinnert in wesentlichen Zügen an Mulder, wie er in einer legendären Szene während “Jose Chung's From Outer Space” ein Stück Sweet Potatoe Pie nach dem anderen in einem Diner ordert und mit jedem neuen Stückchen Pie eine weitere Frage an den Mann hinter der Theke stellt. Hier ist es nun ein Mann, der offensichtlich glaubt, übergeschnappt zu sein, bis er feststellen muss, dass er dies nicht: Er ist wirklich ein Marsianer mit gleich vier Armen und Händen, die er sich nacheinander vor Entsetzen an den Kopf schlagen kann, als er realisiert, dass seine Befürchtungen Realität sind. Schnitt. Intro. Und die Folge fühlt sich bereits nach wenigen Minuten nach einem lang ersehnten Highlight hat.

Komm an meine Brust, Akte X. Ich habe dich so vermisst!

Und was für ein Highlight sie geworden ist. Morgan spart nicht mit zahlreichen Anspielungen auf die Aspekte, die jeder Fan von Akte X im Laufe der Jahre so lieb gewonnen hat. Auf einmal ist da wieder ein X an Mulders Fenster geklebt. Früher ein Zeichen dafür, dass Mulder Kontakt mit seinem Informanten X aufnehmen wollte. Nun möchte jemand Kontakt mit Mulder aufnehmen - und dieser jemand isst zufällig auch noch gerne Sonnenblumenkerne. Wie einst Mulder. Hach!

Allerdings ist “Der Mandela-Effekt” nicht als reiner Fan-Service mit einem riesigen Korb voller Ostereier zu verstehen. Morgan hat es mit dieser Folge brillant verstanden, die Präsidentschaft von dem Mann mit der merkwürdigen Frisur und dem Hang zu unverständlichen, trotzigen Tweets gewaltig aufs Korn zu nehmen. So kokkettiert Dr. Sie damit, dass er es gerade noch so geschafft hat, einen Platz als Zuschauer bei der Vereidigung Trumps zu bekommen - zur Not muss man eben hoch hinaus klettern, um noch einen Blick auf den neuen Präsidenten erhaschen zu können. Es kann ja nicht angehen, dass niemand sehen möchte, wie das Unmögliche Wirklichkeit wird - alles Lüge!

Bing Bing Bong Bong Bang Bang

Für den Fall, dass nicht alle die diversen Anspielungen auf Trump verstanden haben, ist Morgan mit der Schlusssequenz dann auf Nummer sicher gegangen. Der Darsteller, der als Elvis-Alien agiert, hat die Gestik des Vorbilds genauestens studiert und untermalt seine telepathische Rede mit den für Trump so typischen Handbewegungen. Das Elvis-Alien redet von einer Mauer, die gebaut werden soll - selbstverständlich nur zum Schutz! Es benutzt Twitter! Und damit so gar keinen Zweifel aufkommen, dass Trump gemeint ist, kehrt Elvis-Alien mit Bing Bing Bong Bong Bang Bang in sein Raumschiff zurück. Hach!

“Der Mandela-Effekt” hat jedoch auch gleich zwei ernste Kerne. Einerseits rechnet Morgan mit der aktuellen Situation ab, die Fake News und die vermeintliche Lügenpresse betrifft. Dies bettet er geschickt in die Geschichte um Foxy und Sculls alias Mulder und Scully ein, die anscheinend vergessen haben, dass sie einmal einen Partner namens Reggie hatten. Hier kommt auch der deutschsprachige Titel der Episode ins Spiel. Der Mandela-Effekt ist zwar wissenschaftlich nicht bewiesen, jedoch soll der Begriff das Phänomen beschreiben, wenn gleich mehrere Menschen gleichzeitig eine falsche Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis haben. Beispiel gefällig neben dem bekannten “Oh, ich dachte, Nelson Mandela wäre bereits im Gefängnis gestorben!”? Viele sind der Ansicht, dass Tom Hanks als Forrest Gump im gleichnamigen Film “Life is like a box of chocolates” sagt. In Wirklichkeit soll es aber “Life was like a box of chocolates” heißen.

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Mulder, Scully und Reggie in Lost Art of The Forehead Sweat

Mandela oder Mengele? Egal: Paralleluniversum!

Wenn es aber nach Reggie geht, gibt es den Mandela-Effekt nicht. Sondern eher den Mengele-Effekt; und das Ziel dieses Zwecks ist ganz einfach: Wenn eine Behörde oder ein Unternehmen einen unverzeihlichen Fehler gemacht hat, werden gezielt falsche Fakten erschaffen, um den Schaden vom Verursacher abzuwenden. Mehr Akte X geht für so eine Theorie eigentlich nicht. Geht es aber nach Mulder, wäre die Antwort auf Reggies Problem ganz einfach: Paralleluniversum. In einer herausragenden Szene kabbeln sich die Beteiligten darum, welche Theorie für Reggies Situation nun die korrekte ist. Hier stimmt einfach alles. Der Dialog. Das Timing. Die Leistung der Darsteller. Und wer hätte gedacht, dass David Duchovny einmal aus vollem Herzen “I’m Fox freaking Mulder, you punks!” brüllen darf? Hach!

Andererseits weist Morgan behutsam darauf hin, dass manche Kindheits-Erinnerung lieber eine Erinnerung bleiben sollte, weil man dazu neigt, im Rückblick romantisch zu verklären. So ist es dann auch Scully, die rational für sich beschließt, dass sie mit einem Löffel der Bigfoot-Nachspeise vermutlich nicht das Gefühl zurückholen kann, das sie hatte, wenn ihre Mutter den Nachtisch zubereitet hat. Mehr Scully geht in so einem Moment nicht.

Das Killerkätzchen macht den Autoren kalt

Ganz nebenbei hebt Morgan die Episode mit der Sequenz, in denen Reggie von den gemeinsamen Abenteuern mit seinen FBI-Partnern Foxy und Sculls erzählt, auf die Meta-Ebene. Gezeigt werden Szenen aus der Pilotfolge, “Tooms” (“Ein neues Nest”), “Home” (“Blutschande”), “Unusual Suspects” (“Die unüblichen Verdächtigen”), “Clyde Bruckman's Final Repose” (“Der Hellseher”) und “Teso Dos Bichos” (“Der Fluch” - hier schlägt Morgan zudem geschickt den Bogen zu den Killerkatzen) mit Reggie als dritten Agenten. Reggie wäre demnach auch derjenige gewesen, der in “Small Potatoes” (“Ein unbedeutender Niemand”) Eddie Van Blundht erschossen hätte - und damit hat Darin Morgan sich mal eben selbst getötet. Schließlich hatte er in Staffel 4 die Rolle des Eddie übernommen.

Gibt es nach all der Lobhudelei denn auch etwas zu bemängeln? Definitiv ja. Das Sahnehäubchen dieser Episode wäre gewesen, wenn das Buch “All the Answers”, das Elvis-Alien an Mulder übergibt, damit die Aliens ihre Ruhe vor den Menschen haben, nur aus einer Seite bestanden hätte. Mit der Aufschrift “42” … ansonsten wäre “Der Mandela-Effekt” wohl auch eine würdige allerletzte Folge Akte X gewesen.

Fazit

“Der Mandela-Effekt” ist ein Fest für alle langjährigen X-Philes und wird sich einen Platz in der ewigen Bestenliste sichern. Liebevoll verpackte Anspielungen treffen auf einen wahren, kritischen Kern der Geschichte, die von einem blendend aufgelegten Ensemble präsentiert wird. Sehr viel mehr Akte X geht fast nicht.

Akte X: Der Film
Originaltitel:
X-Files: The Movie
Kinostart:
19.06.98
Laufzeit:
121 min
Regie:
Rob Bowman
Drehbuch:
Chris Carter, Frank Spotnitz
Darsteller:
David Duchovny, Gillian Anderson, Mitch Pileggi, William B. Davies, Martin Landau
Schwarze Blut, das aus der töten Kreatur austritt, sammelt sich und kriecht am Körper des Wilden hinauf.

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