Geheimbünde und Grausamkeiten - Kritik zu Eine Reihe betrüblicher Ereignisse Staffel 2

Buchverfilmungen sind oft ein kompliziertes Unterfangen: Viele Fans möchten gern bestimmte Handlungspunkte mit Liebe zum Detail dargestellt sehen, andere haben bestimmte Vorstellungen von Aussehen, Verhalten und Charakterzeichnung der handelnden Figuren. Und beileibe nicht jeder Buchverfilmung der Geschichte gelingt es, die Tonalität und Eigenheiten des Buches einzuhalten. Auch die Fortsetzung der geheimnisvollen Machenschaften rund um die Baudelaire-Waisen muss hier beizeiten noch eine Schippe drauflegen.

Der fiktive Autor Lemony Snicket erzählt die Geschichte der drei Geschwister Violet (Malina Weissman), Klaus (Louis Hynes) und Sunny Baudelaire (Presley Smith). Bei einem Brand haben sie ihre Eltern verloren und werden nun von Vormund zu Vormund weitergereicht. Sie kommen in der zweiten Staffel dem Rätsel um die rätselhafte Geheimorganisation VFD immer näher. Allerdings ist ihnen erneut der berüchtigte Graf Olaf (Neil Patrick Harris) auf den Fersen, der mit Verkleidungen und nicht zuletzt der Hilfe seiner Crew versucht, die Vormunde zu täuschen und das Vermögen der Waisen an sich zu reißen. Die Baudelaires treffen auf die Quagmire-Drillinge, denen ein ähnliches Schicksal blüht. Der unfähige Mr. Poe (K. Todd Freeman) versagt als Autorität genauso wie viele andere Erwachsene.


Unterhaltsam? Ja, aber …

Nach der Kinoversion aus dem Jahr 2004 hat Netflix die insgesamt 13-bändige Kinderbuchreihe von Daniel Handler für das Streaming-Angebot adaptiert. Wohin die Reise in Sachen Tonalität und Schauwerten gehen könnte, verriet vor einem guten Jahr bereits die erste Staffel. Allerdings gab es hier berechtigte Kritik an den dramaturgischen Längen, die leider auch in Staffel 2 wieder vereinzelt auftauchen.

So muss der Zuschauer erneut mit einer recht ähnlichen Grundzutat umgehen: Die ewigen Verkleidungsorgien von Graf Olaf und die Unfähigkeit der Erwachsenen, ihn festzusetzen, zehren spätestens bei einem kompletten Serienmarathon etwas am Geduldsfaden des Zuschauers. Neil Patrick Harris findet sich hier jedoch bedeutend schneller in seine Rolle des Grafen hinein als zu Beginn und hat sichtlich Spaß an der Übertreibung, die seine Rolle verlangt. Das eine oder andere Handlungsloch muss jedoch mit einer musikalischen Sequenz gefüllt werden, die nicht so ganz mitreißen will. Auch wirkt Harris’ Figur des Olaf zwar durchaus unsympathisch, wirklich bösartige Züge entwickelt sie jedoch erst in den letzten beiden Folgen (“The Hostile Hospital”). Für Buchkenner kommt diese Darstellung deutlich zu spät.



Eine besonders gelungene Casting-Auswahl stellt dafür Lucy Punch als die superreiche und modeverrückte Esmé Elend dar. Ihr Spiel weist von der ersten Szene an genau das richtige Maß an Arroganz, Eleganz und Herzlosigkeit auf, das auch die Buchvorlage liefert.

Die Handlanger-Truppe des Grafen wird zwar drehbuchtechnisch wenig ausgebaut, immerhin spendiert man ihr aber ein paar durchaus witzige Szenen. Einige Figuren, die neu zum Cast dazustoßen, überzeugen definitiv. Die Quagmire-Drillinge (Avi Lake und Dylan Kingwell) liefern eine grundsolide Leistung ab. Die Figur der Carmelita Spats als verwöhnte Göre (brilliant eklig: Kitana Turnbull) ist genauso elendig nervtötend, wie es sich gehört. Auch weniger wichtige Figuren wie der bemerkenswert untalentierte Schuldirektor Nero (Roger Bart aus How I met your Mother, Episodes), der regelversessene Ältestenrat im Dorf der Federviehfreunde oder die hippieske Gitarrentruppe im Krankenhaus machen in ihrer Lachhaftigkeit durchaus Laune.



Eher schwachbrüstig kommen dagegen leider einige der für die Handlung essentiellen Nebenfiguren daher: Aus unerfindlichen Gründen müssen sowohl Hector (aus “The Vile Village”) als auch Jerome Elend (aus dem “Ersatz Elevator”) die meiste Spielzeit bewusstlos verbringen, womit sich lediglich einige Handlungsfäden verkürzen lassen. Auch die ohnehin als unerträglich angelegte Familie Poe wirkt enorm schablonenhaft. Unnötig verwirrend wird die Figur einer nervösen Sekretärin im Krankenhaus eingeführt, die weder im Buch eine Vorlage hat noch im Drehbuch irgendetwas zu tun bekommt.


Deus ex machina

Eine des größeren Drehbuchentscheidungen, die für die Serie getroffen wurden, beinhalten nicht nur die erzählerische Ebene, durch die Lemony Snicket (erneut angenehm souverän: Patrick Warburton) heraussticht, sondern vor allem die vielen Helfershelfer. Und genau das ist das Problem, denn die Geheimbündler nehmen in der zweiten Staffel sehr viel Raum ein. Aus den Büchern sind lediglich Jaques Snicket und - in einem der späteren Teile - die Figur der Olivia Caliban bekannt. Die Idee, aus dem mysteriösen Taxifahrer und der schüchternen Bibliothekarin eine Art Agentenduo im Stile von Mit Schirm, Charme und Melone zu machen, dürfte vielleicht nicht jeden Buchkenner überzeugen. Trotzdem stimmt bei den beiden die Chemie, so dass auch diese Szenen trotz ein paar Längen durchaus Spass machen.

Eine charmante Idee ist es auch, der Figur des Kellners Larry (Patrick Breen, The Good Wife, Galaxy Quest) eine größere Rolle zu geben, um den kryptischen Hinweisen der Verwicklungen von Lemony Snickets Hintergrundgeschichte Rechnung zu tragen. In Verbindung mit der mysteriösen Jaqueline (Sara Canning) wirkt die gesamte Helferriege allerdings etwas aus dem erzählerischen Gleichgewicht geraten und tatsächlich wie ein erzählerischer Kniff, der stets allzu leicht aufgelöst wird. Das führt leider auch dazu, dass die drei Waisen selbst trotz ihrer Talente oft nur Spielball der Ereignisse sind, denn viele der Auflösungen werden ihnen auf dem Silbertablett präsentiert. Mit den kommenden Teilen wird sich das hoffentlich ändern.



Kulissen: hui, Computereffekte: pfui

Ein großes Lob muss man den Machern erneut für die Tonalität und die liebevollen Kulissen machen. Beinahe jede Darstellung passt gut zum Ton der Bücher. Wer den Kinofilm aus dem Jahr 2004 kennt und an der Steampunk-Variante der Geschichte Gefallen gefunden hat, wird hier erneut seine Freude an der Ausstattung haben. Dank liebevoller Details wie dem selbstbetitelten “hochentwickelten Computer”, der Runde durch das absurd große Penthouse der Elends oder - definitiv eines der Highlights der Serie - das komplett im Fischdesign ausgestatteten Café Salmonella gibt es genügend Schauwerte, um immer mal wieder auf Pause zu drücken und sich die Szenerie in Ruhe anzuschauen.

Unschön wird es hingegen bei den Computereffekten. Vor allem die animierten Szene, in denen Sunny Baudelaire zur Tat schreitet, funktionieren nicht besonders gut, auch manche CGI-Landschaften wirken, als wären sie aus einem veralteten Computerspiel entnommen. Das ist im Vergleich zu der liebevollen Ausstattung doch recht schade, hier hätte Netflix noch ein wenig mehr Geld in die Hand nehmen können.

Fazit

Mit der Fortsetzung von Eine Reihe betrüblicher Ereignisse hat Netflix die durchaus hohen Erwartungen, die die kompliziert gestaltete Buchreihe stellt, weitestgehend erfüllen können. Sowohl der Großteil des Casts als auch die Ausstattung wissen zu überzeugen. Freunde des absurden Humors werden besonderen Spaß an den vielen kleinen Dialogszenen haben. Die Baudelaire-Waisen könnten allerdings durchaus etwas selbstständiger agieren. Wir sind jedenfalls schon jetzt gespannt auf Staffel 3!

Eine Reihe betrüblicher Ereignisse

Originaltitel: Lemony Snicket's A Series of Unfortunate Events (2017)
Erstaustrahlung am 13.01.2017 bei Netflix
Darsteller: Neil Patrick Harris (Graf Olaf), Patrick Warburton (Lemony Snicket), Joan Cusack (Justice Strauss), Malina Weissman (Violet Baudelaire), Louis Hynes (Klaus Baudelaire), K. Todd Freeman (Mr. Arthur Poe), Aasif Mandvi (Uncle Monty)
Produzenten: Cindy Holland, Daniel Handler, Barry Sonnenfeld
Basiert auf der gleichnamigen, 13-teiligen Buchreihe von David Handler
Staffeln: 3
Anzahl der Episoden: 18+


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