Kritik zu Venom - Mein Körper ist ein Außerirdischer

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Venom

'Superhelden gibt es schon genug', lautet der Untertitel für das Spider-Man-Spinoff Venom. Das ist sogar richtig, denn viele wünschen sich inzwischen eine kleine Abwechslung vom überbordenden Marvel-Universum. Ob ausgerechnet Venom hier die richtige Wahl ist, bleibt jedoch fraglich.

Der Reporter Eddie Brock (Tom Hardy) ist echt ein armer Schlucker: Freundin weg, Wohnung weg, und jetzt hat ihn auch noch eine merkwürdige, offenbar außerirdische Masse angefallen. Diese stammt aus dem Labor von Unternehmer Carlton Drake (Riz Ahmed), der ein recht lockeres Verhältnis zu Ethik und Moral hat – schließlich hat er in zahlreichen Experimenten Obdachlose und andere Menschen sterben lassen, in dem Versuch, herauszufinden, was es mit dem Stoff auf sich hat. Drake plant, eine Symbiose aus Alien-Lebensform und Menschen zu schaffen, um die Menschen nach dem Ende der Erde auch für andere Planeten lebensfähig zu machen.

Nur Eddie konnte der tödlichen Wirkung von Venom, wie das Wesen schließlich genannt wird, bisher widerstehen. Die außerirdische Form verbindet sich als Symbiont mit Eddies Körper und dringt dabei auch in sein Bewusstsein ein. Doch nicht nur das: Venom kann Eddies Gliedmaße wie elastische Tentakel bewegen, hat übermenschliche Kräfte - und noch dazu einen riesigen Appetit. Weder Drake noch seine Kollegin Dora Skirth (Jenny Slate) oder Eddies Exfreundin (Michelle Williams) ahnen, welches Chaos der Venom-Teil in Eddie anrichten kann...

Nur Standardware

So hatte sich Regisseur Ruben Fleischer das wohl nicht vorgestellt. Seit das Presse-Embargo fiel, hagelt es eher unbegeisterte Bewertungen für sein Spider-Man-Spin-Off Venom. Hauptdarsteller Tom Hardy beschwerte sich bereits öffentlich über fehlende Szenen, die seine Figur noch mehr ausleuchten sollten.

Leider muss man sagen: Die Beschwerde kommt völlig zu Recht, denn Hardy kann selten wirklich überzeugen. Das mag auch daran liegen, dass er als Reporter Eddie nie ernsthaft schauspielerisch gefordert wird. Im Zusammenspiel mit Michelle Williams kommt ebenfalls keine rechte Chemie auf – zu generisch ist die Erzählung von den Ex-Liebenden, die sich mit keiner Geste überzeugend nahe sind. Ein großes Manko hat der Film: Die Dialoge in Venom scheinen dem Lehrbuch für Alien-Invasions-Filme der vergangenen 20 Jahre zu entstammen.

Venom

Denn der erfahrene Filmzuschauer weiß: Wenn Wissenschaftler in einem geheimen Laborexperiment fragwürdige Dinge tun, geht das selten gut aus. So beginnt auch Venom mit einem etwas langatmigen Labor-Kammerspiel. Eine fragwürdige dunkle Masse, die ein wenig aussieht wie magnetische Knete, walzt sich durch das Labor – und nimmt dabei keine Gefangenen. Venoms Ursprung ist also, anders als in den Comics, nicht in einem Anzug zu suchen, sondern die Masse nimmt direkt Besitz vom Körper seiner "Opfer". Wer hier an Life mit Jake Gyllenhaal denkt, liegt nicht ganz falsch. Allerdings dürften die Szenen im Labor den einen oder anderen unfreiwilligen Lacher hervorbringen.

Auch die Freigabe FSK 12, die Venom auch für Teenager kinotauglich machen soll, ist ein deutlicher Hinweis auf die Zahmheit des Bösewichts. Und tatsächlich ist der außerirdische Symbiont, der Eddie bewohnt, vor allem eines: Nicht so beängstigend, wie er hätte sein können. So verständlich die Entscheidung des Regisseurs gegen blutige Szenen und für mehr Familienfreundlichkeit sein mag, so sehr leidet Venom unter der Lahmheit dieser Idee.

Sei es eine der standardisierten Auto-Verfolgungsjagden (gähn) oder die relative Einfallslosigkeit, mit der Venom seinen Gegner aufbaut – so gut wie nichts an Venom fühlt sich wirklich neu oder anders an. Die Entwicklungen, die das Marvel Cinematic Universe inzwischen sowohl in Sachen Action, aber auch bei Tempo, Charakterentwicklung und Witz vorlebt, kann der Film nur selten bieten. Venom erfüllt hier höchstens als Standardware sein Soll. Offenbar hatte Tom Hardy mittendrin einfach weniger Lust, sich voll einzubringen, als bei anderen Projekten.

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Kein Deadpool, kein Spider-Man

Dabei ist Venom kein tatsächlich schlechter Film. Gerade die Szenen zu Beginn, als Venom Besitz über Hardys Körper erlangt, dieser sich aber dagegen wehrt, zeigen, was möglich gewesen wäre. Venom wäre komödiantisch wohl gern auf dem Absurditäts-Niveau von Deadpool, oder hätte wenigstens die Leichtfüßigkeit und Großmäuligkeit eines jungen Spider-Man erreicht. Apropos Spidey: Der Held wird in Venom mit keinem Wort erwähnt. Eine filmübergreifende Klammer müsste erst noch geschrieben werden. Hier empfiehlt es sich aber, bis zum Ende sitzenzubleiben, denn immerhin gibt es einen Blick auf den Animationsfilm Spider-Man: A new Universe. Allein dieser kurze Ausschnitt ist mit so viel mehr Herzblut und Witz geschrieben, dass einem Venom etwas Leid tut. Leider fehlt dem Film in den meisten Szenen der Mut, etwas wirklich Verrücktes auszuprobieren, was schade ist. Entsprechend unmotiviert wirkt Hardys Schauspielleistung.

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Die Action-Szenen sind hingegen wirklich überzeugend choreographiert. Hardy hat seinen Körper vollkommen im Griff, wird jedoch – das liegt hier in der Natur der Sache – von der CGI überdeckt. Die Computereffekte wirken dafür aber immerhin recht hochwertig. Auch die Szenen im Wald wissen zu gefallen. Wer Tom Hardy und seinem Symbionten eine Chance geben möchte, sollte hier die paar Euro mehr in die 3D-Version investieren.

Fazit

Mit Venom bekommt der Comicfan keinen Totalausfall a la Catwoman - allerdings auch keine Neuware. Zu ausgelutscht sind die Muster, denen der Film folgt. Venom ist immerhin ein guter Kandidat für einen actionreichen Popcornabend. (Allerdings würde Venom selbst wohl eher kein Popcorn verspeisen.)

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Sony Pictures
Venom
Originaltitel:
Venom
Kinostart:
03.10.18
Regie:
Ruben Fleischer
Drehbuch:
Kelly Marcel, Scott Rosenberg, Jeff Pinkner
Darsteller:
Tom Hardy, Riz Ahmed, Michelle Williams, Jenny Slate, Reid Scott, Scott Haze, Woody Harrelson, Sope Aluko
Der Spider-Man-Gegenspieler und Anti-Held Venom erlebt sein erstes Solo-Abenteuer im Kino.

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